Entspannter arbeiten, süßer träumen

Das Geschäft mit den Meditations-Apps

von Moritz Weinstock

Meditations-Apps boomen. Sie versprechen Anlegern und Investoren satte Renditen und Nutzern ein gesünderes, bewussteres Leben. Kein kurzfristiger Hype, wie wir herausgefunden haben. Was hinter dem Geschäftsmodell steckt, haben wir für dich zusammengefasst.

Nichts tun, rumliegen, den Vögeln lauschen, ein Buch lesen, Angeln gehen – probate Mittel, um der Hektik des Alltags zu entfliehen und zur Ruhe zu kommen. So war es früher.

Der moderne Mensch wählt jedoch einen anderen Weg:

Calm, Headspace, 7Mind und Co. sind Meditations-Apps, mit denen er heute meditiert, zu sich findet und neue Kräfte tankt. Warum? Weil er im Grunde gar keine Zeit hat, nichts zu tun und die Tage auf diese Weise verstreichen zu lassen. Dazu kommt der permanente Drang zur Selbstoptimierung, vom Facebook-Auftritt bis zur Tiefschlafphase muss alles penibel analysiert und verbessert werden. Und da wir ohnehin so viel am Smartphone hängen, kann auch gleich die morgendliche Yoga-Session über entsprechende Apps abgewickelt werden.

Gesundheit, ein boomendes Geschäft

Alles, was auch nur im Entferntesten mit deiner Gesundheit zu tun hat, kann heute ein potentielles Geschäftsmodell sein. Und lukrativ obendrein. Start-Ups machen sich jahrhundertealte Traditionen zu eigen und verpacken sie modern und ansprechend in einer App. Wie gut das funktioniert, zeigt beispielsweise das Meditiations-Unternehmen „Calm“. Wer sich die gleichnamige App herunterlädt, bekommt ein umfangreiches Programm an Meditationsübungen angeboten, die es dir erlauben im Alltag zurück zu dir zu finden und Ruhe einkehren zu lassen. Musikstücke liefern dir EntspannungsmusikGute-Nacht-Geschichten (unter anderem vorgelesen vom Schauspieler Matthew McConaughey oder der Sängerin Leona Lewis) helfen dir, besser einzuschlafen. Das Angebot an Kursen und Programmen innerhalb der App ist groß und nur wenig davon ist kostenlos.

Nur wer zahlt, ist ganz entspannt

Wenn du aus dem Vollen schöpfen und hunderte von Angeboten wahrnehmen willst, musst du tief in die Tasche greifen. Bei Calm kostet das Jahresabo rund 70 Euro. Dafür bekommst du Anti-Stress-Programme für jede Situation. Vom 15-minütigen Meeresrauschen gegen störende Druckergeräusche im Office, bis hin zur kurzen Atemübung für Zwischendurch, wenn der Chef nervt und du zur Beruhigung auf die Toilette flüchtest. Was man sich früher in Büchern angelesen hat, gibt es heute in einer App. Du musst auch nicht mehr nach Indien reisen, um Erleuchtung zu finden und Achtsamkeit zu erlernen. Räucherstäbchen und weite Seidenhosen gehören ebenfalls der Vergangenheit an. Stattdessen meditierst du in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, mit dem Smartphone in der Hand und den Kopfhörern im Ohr.

Well-Being als Geldanlage

Doch nicht nur die vielen Millionen Nutzer glauben an den Mehrwert solcher Apps. Auch Anleger sehen darin großes Potential. Laut Chrunchbase haben Investoren aktuell beispielsweise rund 143 Millionen US-Dollar für Calm eingesammelt. Das Konkurrenzunternehmen Headspace ist ähnlich erfolgreich. Seit 2012 wirbt es damit, dass die User „ein gesünderes, glücklicheres und entspannteres Leben“ führen können, wenn sie sich für die gleichnamige App entscheiden. Im Google Play Store wurde Headspace bisher über 10 Millionen Mal heruntergeladen. Der Marktwert des Unternehmens wird aktuell auf gut 320 Millionen US-Dollar geschätzt. Calm wurde sogar schon 50 Millionen Mal heruntergeladen. In-App-Käufe reichen von knapp sieben bis 130 Euro bei Headspace, Calm setzt das Preissegment zwischen 0,77 Cent und stolzen 350 Euro an. Beide versprechen ihren Usern einen besseren Umgang mit Stress, Ängste bewältigen zu können, sowie „Kurz-Meditiationen für volle Terminkalender“ und „SOS-Übungen für plötzliche Krisen“.

Sogar Krankenkassen unterstützen Apps

Die Apps, darunter auch 7Mind, die in Deutschland besonders erfolgreich ist, sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und erfahren eine breite Akzeptanz. Die geht soweit, dass sogar Krankenkassen bereit sind, Kosten für Jahresgebühren und In-App-Käufe zu übernehmen. Die Barmer-Krankenkasse bezuschusst interessierte Versicherungsnehmer beispielsweise mit dem Argument, Meditationsübungen würden das Wohlbefinden von Innen heraus fördern und stressbedingten Krankheiten vorbeugen. Wirft man einen Blick auf das Feedback der Nutzer in den Sozialen Medien, so finden sich fast durchwegs positive Meinungen zu den Apps. Das Stresslevel hätte seit dem täglichen Gebrauch abgenommen, Ängste seien genommen worden, man habe zu sich selbst zurückgefunden.

ein Artikel von
Moritz Weinstock
Moritz hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und seine Leidenschaft fürs Schreiben mit nach Berlin gebracht. Nach lehrreichen Jahren als Redakteur bei einem Motorradmagazin, ist er nun als Channel-Editor für ZASTER tätig. Sein Zugang zur Wirtschaftswelt: er lebt auf zehn Quadratmetern und spart, was das Zeug hält.