In meiner nachstehenden Kolumne von Anfang Mai 2022 habe ich u.a. folgendes geschrieben:„Mit ihrer gestrigen Entscheidung, die Geldmenge zu reduzieren, ist die US-Notenbank Federal Reserve (FED) für erhebliche Verwerfungen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft verantwortlich, die sich bereits in den kommenden Wochen bemerkbar machen werden… Dies wird in den nächsten Wochen und Monaten zu einem allgemeinen Preisverfall führen, der sich zuerst an den Finanzmärkten bemerkbar machen wird…
Je nachdem, wie lange die FED an der Reduzierung der Geldmenge festhält, könnte diese Maßnahme auch zu einer weiteren Finanzkrise führen. Ich bin mir bewusst, dass dies nicht die vorherrschende Meinung der Zentralbanker der FED ist, sonst würden sie nicht mit dem Bilanzabbau im Juni beginnen. Die Zentralbank sieht die Reduzierung ihrer Bilanz – zusammen mit Zinserhöhungen – nur als ein geeignetes Mittel zur Inflationsbekämpfung, ohne die Nebenwirkungen dieser Politik zu sehen.
Meines Wissens ist eine Verringerung der Geldmenge nicht ohne die oben beschriebenen negativen Auswirkungen möglich. Die FED wird also aufgrund der mit ihrer Politik verbundenen Verwerfungen auf den Finanzmärkten, einer Rezession in der Realwirtschaft und möglicherweise sogar einer weiteren Finanzkrise gezwungen sein, eine 180-Grad-Wende zu vollziehen. Wann wird das der Fall sein? Spätestens im Frühjahr 2023.
So lautete meine Einschätzung im Mai 2022. Wie geht es jetzt weiter?
Der allgemeine Kursverfall an den Finanzmärkten, über den ich Anfang Mai 2022 geschrieben habe, hat nun auch der Silicon Valley Bank das Genick gebrochen, da sie aufgrund von Liquiditätsengpässen Anleihen aus ihrem Portfolio verkaufen musste. Da diese Anleihen jedoch in den vergangenen Monaten aufgrund der Politik der US-Notenbank stark an Wert verloren haben, entstanden der Bank Verluste in einer Höhe, die sie nicht mehr tragen konnte. Schließlich wurde sie von den amerikanischen Aufsichtsbehörden geschlossen.
Wenn die Federal Reserve die Zinsen weiter anhebt und vor allem die Bilanz reduziert und damit Liquidität in Höhe von fast 100 Milliarden US-Dollar pro Monat abzieht, werden wir in eine Finanzkrise geraten, die die von 2008 wie einen Kindergeburtstag aussehen lassen würde. Deshalb rechne ich damit, dass die FED die Zinsen nicht weiter anhebt und den Liquiditätsentzug – die Reduzierung der Zentralbankbilanz – im Frühjahr beendet.
Solange die Fed diese Schritte jedoch nicht ankündigt oder einleitet, wird es an den Finanzmärkten vorerst turbulent bleiben. Diese Maßnahmen dürften jedoch nicht mehr ausreichen, um eine Finanzkrise abzuwenden. Bereits im Frühjahr 2023 könnte die FED gezwungen sein, die Zinsen zu senken und ein neues Anleihekaufprogramm – im Fachjargon Quantitative Easing (QE) genannt – aufzulegen, um die Marktteilnehmer mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen. Danach wird sich die Lage aber wieder beruhigen.