© Anton Voglmaier
ZUKUNFT WIRTSCHAFT

Die Deflation ist da

von Anton Voglmaier

Mit ihrer gestrigen Entscheidung (04.05.2022), die Geldmenge zu reduzieren, ist die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) für erhebliche Verwerfungen an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft verantwortlich, die sich bereits in den kommenden Wochen bemerkbar machen werden.

Ende März 2022 schrieb ich folgendes. Der nächste wichtige Termin zur Beurteilung der weiteren Entwicklung an den Aktienmärkten dürfte die Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) der US-Notenbank am 3. und 4. Mai 2022 sein. Die Sitzung des FOMC ist deshalb so wichtig, weil die Federal Reserve, wie sie bereits angekündigt hatte, nun tatsächlich von einer inflationären zu einer deflationären Politik übergeht, da sie beschlossen hat, die Geldmenge ab Juni um 47,5 Milliarden und ab September um 95 Milliarden US-Dollar pro Monat zu reduzieren.

Dies wird in den nächsten Wochen und Monaten zu einem allgemeinen Preisverfall führen, der sich zuerst an den Finanzmärkten bemerkbar machen wird.

Meine Einschätzungen für die einzelnen Bereiche lauten wie folgt:

Aktien: Beim S&P 500 Index – der bei ca. 4300 Punkten steht – rechne ich mit einem weiteren Einbruch von 800 Punkten auf zunächst 3.500 Punkte. Das wäre ein Rückgang von gut 15 %, und das, obwohl der S&P 500 seit Jahresbeginn bereits um ca. 10 % gefallen ist, was übrigens der schlechteste Jahresstart seit 1942 ist.

Anleihen: Für Ramschanleihen und Anleihen mit niedriger Bonität werden die Zinsen noch deutlich steigen. Ich sehe dagegen die Zinsen für 10-jährige US-Anleihen – die derzeit bei knapp 3 % liegen – bis Ende des Jahres bei etwa 2 % und 2023 unter 2 %, da sie in den kommenden Monaten als sicherer Hafen gesucht werden.

Gold: Auch der Goldpreis könnte noch deutlich fallen -200 $ pro Unze- halte ich nicht für ausgeschlossen, bevor er in diesem oder spätestens im nächsten Jahr sein Allzeithoch von gut 2.000 $ pro Unze überschreiten sollte, denn auch Gold ist ein sicherer Hafen.

Preise von Waren und Dienstleistungen: Ich erwarte, dass die Inflationsrate in den USA und Europa im Jahr 2023 bei 3% liegen wird -momentan liegt sie in den USA bei 8,5 und in Europa bei 7,8 %.

Je nachdem, wie lange die FED an der Reduzierung der Geldmenge festhält, könnte diese Maßnahme auch zu einer weiteren Finanzkrise führen.

Ich bin mir bewusst, dass dies nicht die vorherrschende Meinung der Zentralbanker der FED ist, sonst würden sie nicht mit dem Bilanzabbau im Juni 2022 beginnen. Die Zentralbank sieht die Reduzierung ihrer Bilanz – zusammen mit Zinserhöhungen – nur als ein geeignetes Mittel zur Inflationsbekämpfung, ohne die Nebenwirkungen dieser Politik zu sehen. Meines Wissens ist eine Verringerung der Geldmenge nicht ohne die oben beschriebenen negativen Auswirkungen möglich.

Die FED wird also aufgrund der mit ihrer Politik verbundenen Verwerfungen auf den Finanzmärkten, einer Rezession in der Realwirtschaft und möglicherweise sogar einer weiteren Finanzkrise gezwungen sein, eine 180-Grad-Wende zu vollziehen.

Wann wird das der Fall sein?

Spätestens im Frühjahr 2023. Bis dahin wird es aber auf den Finanzmärkten und auch in der Realwirtschaft sehr turbulent zugehen. Nach der 180-Grad-Wende werden sich die Aussichten deutlich aufhellen und die Finanz- und Realwirtschaft wird sich wieder erholen.

Wir werden sehen.

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Anton Voglmaier ist Geschäftsführer der Deutschen Fondsgesellschaft und Mitglied im Anlageausschuss "Der Zukunftsfonds". Er blickt auf jahrzehntelange Erfahrung an den Kapitalmärkten zurück.