Andere Länder, andere Bezahlmethoden

Die Kugel Eis? Zahle ich per App!

von Hannes Lustermann

Den Deutschen ist ihr Bargeld lieb und teuer. Allein die Sorge, per Kreditkarte oder mobiler App digitale Fußstapfen zu hinterlassen, ist groß. Darüber können die Chinesen nur den Kopf schütteln …

Passanten strömen an ihm vorbei. Mian Luó sitzt vertieft in sein Gitarrenspiel auf dem Boden und singt das chinesische Volkslied „Wildgänse über dem ruhigen Sand“. Vor ihm liegt die Gitarrenhülle, darin befinden sich ein paar Geldscheine und zwei Schilder mit QR-Codes. „Damit die Leute ihr Trinkgeld direkt auf mein Konto übertragen können“, erklärt Luó. Drei Meter weiter bietet eine kleine Garküche Dumplings, das sind kleine gefüllte Teigtaschen, für 50 Cent an. Wer hier in Peking sein Essen mit Bargeld zahlen möchte, erntet erstaunte Blicke. Statt zum Portemonnaie greifen die Chinesen nämlich zum Handy und bezahlen überall ganz bequem per App: Nutzer überweisen bargeldlos mit einem QR-Code, der vom Händler eingescannt wird. Der Betrag wird dann für den Händler vom Guthaben in der App abgezogen.

Straßenmusiker Mian Luó in Peking

Ob eine Kugel Eis, selbstgebastelte Figuren auf der Straße oder sogar Spenden im Tempel – überall wird gescannt. Eine Blumenverkäuferin in der Pekinger Markthalle Laitai Huahui Shichang hat gleich vier Codes aufgestellt. „So kann ich mehrere Kunden gleichzeitig abkassieren, und keiner muss in der Schlange stehen“, sagt sie. Ähnlich effizient läuft es übrigens, wenn man in einem Restaurant Trinkgeld geben möchte: Per Klick landet es direkt auf dem privaten Account des Kellners. Praktisch ist auch, wenn sich eine Gruppe die Rechnung teilen möchte – eine Funktion in der App macht dies möglich und teilt den Betrag durch die Anzahl der Gäste. Sich gegenseitig Geld zu leihen, beziehungsweise zu überweisen, ist auch kein Problem. Den Überblick verliert man nie, weil die App den Kontostand stets anzeigt. Außerdem ist der Bezahlvorgang versichert: Sollte ein Handy mal geklaut werden, wird der abgebuchte Betrag rückerstattet. Ziemlich komfortabel.

QR Code in chinesischem Restaurant

Der chinesische Internetgigant Alibaba will mit seiner App „Alipay“ das bevölkerungsreichste Land der Erde in eine bargeldlose Gesellschaft verwandeln. Die Akzeptanz ist riesig: Der so genannte „Single’s Day“, der am 11. November gefeiert wird, ist einer der größten Onlineshopping-Tage der Welt. Das Datum (11.11.) wurde gewählt, weil die Zahl 1 einen Single symbolisieren soll. Vor allem bei jungen Chinesen wird dieser Brauch immer beliebter: 2017 verarbeitete Alipay Transaktionen von 20 Billionen Euro, 90 Prozent davon wurden via Handy abgeschlossen.

Alipay Twitterlogo
Der Trend spricht eindeutig dafür, dass sich Mobile Payment auch in Deutschland mittel- bis langfristig etablieren wird.
Xiaoqiong Hu, Business Development Alipay

Und wieso sind die Chinesen den Deutschen so weit voraus? Xiaoqiong Hu, Business Development Alipay, erklärt gegenüber ZASTER: „Warum sich die Menschen in Deutschland ein wenig schwerer mit dem mobilen Bezahlen tun, hat mehrere Gründe. Neben der vielzitierten Liebe zum ‚handfesten‘ Bargeld ist es unter anderem auch die Bankkarten-Infrastruktur. In Deutschland sind Giro- und Kreditkarte für viele ein liebgewonnenes Zahlungsmittel mit Geschichte, während die erste Bankkarte der China UnionPay erst 2002 eingeführt wurde. Nur zwei Jahre später wurde bereits Alipay als größte Online- und Mobile Payment-Plattform gegründet. Man kann also sagen, dass in China die Phase der Bankkarte übersprungen wurde und der Fokus direkt Richtung Mobile Payment ging. In jedem Fall sind die Menschen in China sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien und den Möglichkeiten der Digitalisierung.“

Das oft als chinesisches Pendant zu Amazon beschriebene Unternehmen verzeichnet bei Alipay mehr als 520 Millionen Nutzer. Größter Nebenbuhler ist die chinesische Tencent-Holding, die mit ihrer Mobile-Payment-App „WeChat“ (ein Pendant zu WhatsApp) auf knapp 40 Prozent Marktanteil kommt.

Xiaoqiong Hu, Business Development Alipay

Eine Entwicklung, die langsam auch deutsche Unternehmen erkennen, vor allem in der Tourismusbranche. Xiaoqiong Hu sagt: „Der Trend spricht eindeutig dafür, dass sich Mobile Payment auch in Deutschland mittel- bis langfristig etablieren wird. Vor allem jüngere Konsumenten werden zukünftig kleine Beträge vermehrt mit dem Smartphone begleichen. Hinzu kommt, dass sich auch der deutsche Handel immer stärker öffnet. Um chinesischen Touristen auch im Ausland unsere Dienste verfügbar zu machen, schließen wir aktuell viele Kooperationen mit hiesigen Händlern ab.“

Laut Alipay können chinesische Gäste in Deutschland neben Rossmann auch bei Zwilling und bei Promod, Tod’s und Gucci mit der App bezahlen. In den folgenden Wochen und Monaten sollen viele bekannte Marken hinzukommen. Xiaoqiong Hu geht jedenfalls davon aus, dass sich die Nutzung von Mobile Payment in den nächsten drei bis fünf Jahren auch in Deutschland spürbar steigert.

Auch an diesem Kiosk kann per QR Code bezahlt werden
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Hannes Lustermann