© Denise Urbach
ZASTER AROUND THE WORLD

Auswandern: Was kostet das Leben in Frankreich?

von Michael André Ankermüller

Denise Urbach wohnt seit über 12 Jahren in Paris, das erste Mal kam sie als Au-Pair nach Paris und dann erneut als Austauschstudentin an die Sorbonne Université. Auf dem Weg dorthin hat sie ihren heutigen Mann kennengelernt, hat mittlerweile zwei kleine Kinder, die zweisprachig aufwachsen. Auch beruflich erfolgreich ist Denise in Paris: Sie betreibe einen Online-Reiseführer namens HelpTourists, der zu den führenden Informationsportalen zu Paris gehört. 

Warum bist Du nach Frankreich gegangen und was hält Dich dort?

Ich bin das erste Mal als Au-Pair Mädchen nach Paris gekommen und weil es mir so gut gefallen hat, dann im Studium als Austauschstudentin an die Sorbonne. Eigentlich nur für ein Semester, aber dann habe ich auf dem Weg zur Uni meinen heutigen Mann kennengelernt.

Was mich dort hält? Immer noch die Liebe zur Stadt, auch nach zwölf Jahren ist Paris immer noch meine persönliche Nr. 1.

Was können die Deutschen von den Franzosen lernen? Und möglicherweise andersherum?

Das Leben mehr zu genießen und etwas mehr Geld für Gutes essen auszugeben und dieses dann nicht hinunterzuschlingen, sondern jeden Happen in einer geselligen Runde mit schönen Gesprächen entspannt genießen. Beim Essen in Frankreich zählt definitiv die Qualität, das gefällt mir sehr gut!

Was Franzosen lernen können? Nicht immer den Staat und Präsidenten für alles verantwortlich zu machen und endlich mal Checks abzuschaffen. Das nervt an der Kasse, und dauert ewig, wenn jemand mit „chèque“ bezahlt. Außerdem ist ein Pfandsystem schon lange überfällig und bei der Mülltrennung und (Weiter-)Verarbeitung haben sie große Defizite.

Welche 3 Tipps würdest du einem Deutschen geben, der auch nach Frankreich auswandern will?

  • Man sagt immer, die Deutschen seien „carré“ und Meister der Bürokratie, aber das ist in Frankreich nicht anders. Bevor du eine Wohnung mieten kannst, brauchst du ein Bankkonto und dafür wiederum brauchst du eine feste Adresse… das soll einer verstehen!
  • Der August ist der Urlaubsmonat der Franzosen und da geht wirklich gar nichts. Erst wieder zur „Rentrée“, dem Schulanfang Anfang September.
  • Und natürlich Sprache, Sprache, Sprache! Das ist vor allem bei den Franzosen, die gerne ihre eigene Sprache sprechen, super wichtig.

Wie teuer ist das Leben in Frankreich im Vergleich zu Deutschland?

Ich wohne in Paris, da sind die Kosten für Vieles schon höher als in Deutschland. Im Restaurant, aber auch im Supermarkt zum Beispiel. Die öffentlichen Verkehrsmittel hingegen sind „relativ günstig“.

Krankenversicherung, Steuern, Rentenversicherung? Wie wird das in Frankreich gehandhabt?

In Frankreich gibt es die gesetzliche Krankenversicherung, die „sécurité sociale“ mit der „Carte vitale“, der Krankenversicherungskarte. Zusätzlich benötigt man für viele Leistungen eine „mutuelle“, eine Zusatzkrankenversicherung. Steuern sind überall eine nervige Angelegenheit und gefühlt immer zu hoch. Das Rentensystem in Frankreich ist wie das der Krankenversicherung total veraltet und bedarf einer „Überarbeitung“ oder wie wir hier gerne sagen, einer Revolution.

Sobald man aber das Renteneintrittsalter der Franzosen anfässt und reformieren möchte, gehen die Streiks los! In welchem Land bitte können Arbeitnehmer mit Anfang 50 in Rente gehen? Das ist hier in Frankreich möglich, wenn du als Zugführer bei der Bahn arbeitest. Ich kann verstehen, dass ausgezeichnete Ballett-Tänzer:innen („danseur étoile“) mit 42,5 Jahren ihre Karriere beenden, sie haben ihrem Körper schließlich einiges abverlangt. Da gleicht fast schon einem kleinen Geschichtsexkurs, wenn man bedenkt, dass dieses Spezial- Rentenregime auf Louis XIV. zurückzuführen ist.

Welchen geheimen Spartipp hast Du für das Leben in Frankreich entdeckt?

Ich importiere regelmäßig (Bio-)Lebensmittel und Bio-Pflegeprodukte aus deutschen Drogeriemärkten, weil es das so und zu diesen Preisen in Frankreich nicht gibt. Manchmal wünsche ich mir Payback-Karten wie wir sie in Deutschland haben, aber das ist für hier wahrscheinlich zu umständlich, sonst würde es sie ja schon geben. Spartipps? Ich lasse mir einmal die Woche Bio-Obst- und Gemüse, das „gerettet“ wurde, weil zu groß, zu hässlich oder überschüssig, nach Hause liefern. Im Supermarkt gibt es die „panier anti-gaspi“ für kleines Geld und über verschiedene Apps kann man sich am Tagesende bei Bäckereien und Restaurants, übrig gebliebene Lebensmittel für einen kleinen Preis, abholen.

Welches Produkt ist in Frankreich besonders teuer und welches Produkt sehr günstig?

Der Preis für ein Baguette liegt in Frankreich zwischen 0,90-1,30 Euro, eine Karte für’s Kino und Theater finde ich hier auch günstiger im Vergleich zu Deutschland, genauso wie Museumseintritte und Kultur generell. Deutschland, das Land der Drogeriemärkte…das ist wirklich ganz viel günstiger als in Frankreich.

Hast Du einen Tipp für die Jobsuche für Einwanderer in Frankreich?

An besten schon vorher einen Job suchen und nicht erst, wenn man hier ist. Sei denn man möchte in der Gastronomie arbeiten, dann sollte man sich seinen Lebenslauf ausdrucken und direkt im Café oder Restaurant vorbeischauen. Ich komme nochmal darauf zurück, dass wir Deutschen angeblich „carré“ sind, das geht immer mit der Handgeste einher, die ein Viereck zeigt, quasi wie in der Box denkend. Das sind aber auch die Franzosen, wenn man nicht die genaue Ausbildung hat, die in der Berufsbezeichnung steht, dann wird es schwierig. Irgendwie wollen sie so Dinge wie Quereinstieg, Umschulung oder die Tatsache, dass man studiert hat, das Studium die Jobanforderungen teilweise abdeckt, aber eben nicht 100%ig, nicht ganz verstehen. Das nervt!

Wie sieht dein neuer Alltag in Frankreich aus? Was hat sich hier am meisten zum alten Leben verändert?

Ich lebe in Paris und komme ursprünglich aus einer 17.000 Einwohner statt, da hat sich für mich Einiges verändert. Ich gehe oft ins Restaurant. In Frankreich trifft man sich, um etwas zu essen oder was zu trinken. Das ist eine wahre Freizeitbeschäftigung. In Paris kann man sich einmal um die ganze Welt essen, da reicht es, mit der Metro ein paar Stationen weiterzufahren. Ich liebe es, Filme in Originalsprache zu schauen und in weltbekannte Sehenswürdigkeiten wie den Louvre gehen zu können, wenn ich Lust dazu habe.

Ich habe mich an viele Gepflogenheiten angepasst, nichtsdestotrotz bin ich heute immer noch leicht genervt, wenn Uhrzeiten für Einladungen zum Abendessen als Richtwert verstanden werden. Wenn man stundenlang kocht und alles um 20 Uhr fertig und auf den Punkt gegart ist, dann trudeln die ersten erst gegen 21 Uhr ein. Und dann startet erstmal der Apéro, bevor es ans warme Essen geht.

Welche Rolle spielt Geld in der Gesellschaft in Frankreich? Was würdest Du sagen?

Mmm…Ich bin mittlerweile so verankert in der französischen Kultur, dass ich manchmal gar nicht mehr weiß, in welcher Kultur ich nicht (!) nach dem Gehalt fragen darf… aber es ist Frankreich, da gilt es als regelrechter Fauxpas. Franzosen sind generell misstrauisch und sobald sie hören, dass jemand mehr verdient, schürt das Neid, Misstrauen und ein Gefühl von Ungerechtigkeit, und dass in einem Land, wo Gleichheit als Grundprinzip der Nation gilt, ist nicht leicht zu verkraften. Geld bedeutet für Franzosen Macht und dass die Mächtigen des Landes in den ein oder anderen Skandal verwickelt sind, ist ja allseits bekannt.

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.