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KLARTEXT BEUTLER

Blick hinter die Fassade: Die Wahrheit über Finfluencer

von Thomas Beutler

Mit schwindendem Vertrauen in die klassische Finanzindustrie informieren sich die Menschen zunehmend im Netz über Investments und Geldanlagen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Helden dieser digitalen Finanzwelt nennen sich “Finfluencer”, die Kurzform für Finanz-Influencer. Ist es eine gute Idee, wenn man sich auf YouTube, Instagram oder gar TikTok seine Investment-Idee holt?



Ich selbst nutze auch gerne YouTube für Problemlösungen aller Art. Als handwerklicher Laie habe ich erst kürzlich auf YouTube nach einem Erklärvideo gesucht, wie man Silikonfugen erneuert. Prompt habe ich dann auch eine ganz tolle Anleitung gefunden und am Ende habe ich das auch ganz gut hinbekommen.

Wenn das mit Heimwerkertipps klappt, warum dann nicht auch mit Finanztipps?

Aber hier wird’s knifflig: Während das Erneuern von Silikonfugen relativ gefahrlos ist (abgesehen von potenziell klebrigen Fingern und undichten Fugen), kann schlechter Rat in Finanzfragen existenziell werden. Finfluencer, die neuen Gurus der Geldanlage, bieten zwar oft unterhaltsame und leicht verständliche Einblicke, doch wie steht es um ihre Expertise? Dieser Aspekt steht oft völlig im Hintergrund, so als würde es überhaupt keine Rolle spielen. 

Eine kürzlich durchgeführte Studie hat die Welt der Finfluencer unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass die meisten von ihnen weniger als 100.000 Follower haben. Nur eine Elite erreicht ein breiteres Publikum. Die Crème de la Crème auf Instagram? “Immo.Tommy”, “Professor Finanzen” und Bodo Schäfer. Die Nummer 1 “Immo.Tommy”, der sich auf seiner Website selbst als “größten Immobilien-Influencer Europas” bezeichnet, hat es von Null auf Hundert geschafft – nicht durch jahrzehntelange Erfahrung, sondern durch einen viralen TikTok-Hit über seine ersten Stolpersteine im Immobiliengeschäft. Immo.Tommy kam nach eigenen Angaben (Quelle) in der Coronapandemie eher zufällig zu dem Thema. 

Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits einige Erfahrungen gesammelt hatte, bezeichnete er sich selbst nicht als Experten – eine Ehrlichkeit, die in der Branche selten ist.  Eine ausgewiesene Expertise stand also nie im Vordergrund. Man muss ihm seinen Erfolg neidlos anerkennen, denn er besitzt das seltene Talent, komplizierte Sachverhalte vor der Kamera auf unterhaltsame und verständliche Weise zu erklären – ein Talent, das vielen etablierten Fachleuten abgeht.

Doch bei aller Bewunderung für seine Fähigkeiten ist Vorsicht geboten. Insbesondere im Immobiliensektor, wo mit hohen Beträgen jongliert wird, sollten seine Ratschläge nicht unreflektiert als bare Münze genommen werden. Die Risiken sind enorm, und die Konsequenzen schlechter finanzieller Entscheidungen offenbaren sich oft erst, wenn der Zug längst abgefahren ist.

Doch nicht alles ist verloren im Land der Finfluencer.

Unter den vielen, die eher nach Ruhm (Reichweite) als nach fundiertem Rat streben, gibt es wahre Juwelen. Diese seltene Spezies kombiniert Kompetenz, Unabhängigkeit und Entertainer-Fähigkeiten in einem. Spontan fallen mir hier Christian W. Röhl, Finanzfluss, Lisa Osada (Aktiengram), Professor Goldgraf, Jannes Lorenzen (der Aktienrebell) oder auch den YouTube Kanal von Finanztip ein. 

Ein Tipp am Rande: Tauchen Sie ruhig in die Fluten der sozialen Medien ein und werfen Sie einen Blick auf verschiedene Influencer-Kanäle. Doch tun Sie dies mit wachem Geist und einer gesunden Portion Skepsis. Halten Sie insbesondere Ausschau nach möglichen Interessenskonflikten. Denn im Land der Finfluencer winken verführerische Werbedeals, oft mit den saftigsten Provisionen von den zweifelhaftesten Anbietern – ein Paradebeispiel für den klassischen Interessenskonflikt. 

ein Artikel von
Thomas Beutler
Thomas Beutler ist Finanzanlagen Honorarberater und betreibt den Finanz Bildungs-YouTube-Kanal “Investiert in Wissen”.