Knifflige Sache

Aktien verkaufen, um Immobilie zu kaufen? Vor- und Nachteile

von Nils Matthiesen

Beim Kauf einer Immobilie gilt es schwierige finanzielle Entscheidungen zu treffen. Eine der Wichtigsten: Sollten die kompletten Ersparnisse in der Finanzierung landen?

Zuhause bleiben liegt im Trend. Daheim sein, nicht hinausgehen, sich abschotten: Cocooning – sich „verpuppen“ – einst ein Wohntrend, ist „dank“ Corona wieder angesagt. Und nirgendwo kann man sich besser einigeln als in den eigenen vier Wänden. Egal ob kaufen oder selbst bauen: Immobilien stehen bei den Deutschen schon länger hoch im Kurs. Aber das scheint immer schwieriger: Die Bauzinsen sind zwar immer noch historisch niedrig, dafür werden Häuser immer teurer. Und zudem gilt es, etwas Eigenkapital mitzubringen. Zumindest die Nebenkosten, beispielsweise Steuern, Maklergebühren, Gutachten und Notarkosten, solltest du aus eigener Tasche bezahlen können. In der Regel musst du zusätzlich noch einmal mindestens 10 bis 20 Prozent des Kaufpreises für diese Posten einkalkulieren.

Auch das Bauchgefühl entscheidet

Angenommen, du hast eine Familie gegründet und willst eine Immobilie kaufen. In diesem Fall bleibt dir oft nichts anderes übrig als deine Wertpapiere zu verkaufen, um so ein gewisses Eigenkapital mitzubringen, oder? Oder ist es cleverer, einen Großteil der Wertpapiere zu halten und dafür einen höheren Kredit aufzunehmen? Die Antwort auf diese Frage ist alles andere als einfach. Denn vieles hängt dabei von deiner persönlichen Einstellung zu Geld, Vermögen und Schulden ab. Sehen wir uns die Vor- und Nachteile an, wenn du deine Aktien, ETFs und Fonds verkaufst, um davon ein Haus zu finanzieren.

Das spricht für den Verkauf der Wertpapiere

  • Niedrigere monatliche Belastung: Deine monatlichen Zahlungen zur Tilgung werden viel niedriger ausfallen. Das gibt ein gutes Gefühl und erzeugt nicht so viel finanziellen Druck.
  • Pro: Da du einen geringeren Kredit aufnehmen musst, zahlst du entsprechend weniger Zinsen. Im Lauf der Zeit kann das einen dicken Batzen Geld ausmachen. Beispiel: Du finanzierst ein Haus im Wert von 400.000 Euro und bringst 100.000 Euro Eigenkapital mit. In diesem Fall zahlst du über eine zehnjährige Laufzeit 38.776 Euro Zinsen. Bei einer Vollfinanzierung wären es dagegen 84.127 Euro Zinsen.
  • Weniger Schulden: Du sitzt nicht auf einem riesigen Schuldenberg. Auch das gibt ein besseres Gefühl, auch wenn die Immobilie im Lauf der Zeit an Wert gewinnen kann. Es kann aber auch das Gegenteil eintreten.
  • Mehr Sicherheit: Aktienmärkte reagieren oft irrational, es geht munter hoch und runter. Ob die Börsen weiter steigen, weiß niemand. Angesichts der großen Zuwächse in den letzten Jahren könnte jetzt ein guter Ausstiegszeitpunkt sein. Es könnte allerdings auch sein, dass die Aktienrenditen weiter top sind. Wie auch immer: Der Wert von Immobilien schwankt in der Regel nicht so stark.
  • Besser kalkulierbar: Du hast auf der einen Seite den Kaufpreis, die Neben- und Instandhaltungskosten, auf der anderen Seite die Mieteinnahmen (oder die gesparte Miete). Du kannst also ziemlich genau berechnen, was unterm Strich herauskommt. Aktien bieten zwar höhere Gewinnchancen, aber auch mehr Unsicherheit und Schwankungen. Deine Finanzen lassen sich so einfacher planen.
  • Lebensqualität: Immobilien kannst du sehen, fühlen und nutzen, sie können dir zudem eine höhere Lebensqualität verschaffen. Und wenn die Welt untergeht, kannst du dich in ihnen verkriechen. Aktien sind dagegen nichts weiter als Zahlen in deinem Depot.

Das spricht dafür, die Wertpapiere zu halten

  • Bessere Liquidität: Kein Bock mehr auf Aktien? Oder du brauchst Geld? Kein Problem, einfach an der Börse verkaufen. Das dauert nicht länger als fünf Minuten. Wenn du dagegen eine Immobilie verkaufen willst, wird es kompliziert. Du musst einen Käufer finden, womöglich Spekulationssteuer zahlen (entfällt erst 10 Jahre nach Kauf), laufende Kredite abwickeln usw. Es nimmt auf jeden Fall mehr als 5 Minuten in Anspruch.
  • Höhere Rendite: Aktien haben in der Vergangenheit rund 7 bis 9 Prozent pro Jahr zugelegt. Immobilien haben zwar in den letzten Jahren zwar ebenfalls ordentlich an Wert gewonnen, langfristig liegt der Wertzuwachs im Jahr durchschnittlich nur im unteren Prozentbereich. Die Zinseszinsvorteile könnten bei einer Kombination aus Fremdkapital in einem Haus und Dividenden/Gewinnwachstum am Aktienmarkt besser aussehen.
  • Bessere Diversifikation: Der Besitz von Aktien am Aktienmarkt bietet weitaus mehr Diversifikation als ein einzelnes Haus. Das Risiko eines finanziellen Desasters ist also unterm Strich geringer.

Was bringt die Zukunft?

Im Endeffekt hängt die Entscheidung also maßgeblich von deiner Einstellung beziehungsweise Einschätzung der weiteren Entwicklung der Aktien- und Immobilienmärkte ab. Drei Szenarien sind möglich:

  • Du entscheidest dich, deine Wertpapiere zu verkaufen und die Aktien steigen weiter.
  • Du entscheidest dich, deine Wertpapiere zu behalten und die Börsen stürzen ab.
  • Du entscheidest dich, deine Wertpapiere zu verkaufen und alles in ein Haus oder eine Wohnung zu stecken und die Immobilienpreise brechen ein.

Jedes Szenario ist möglich. Und es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass alle irgendwann eintreten. Die Frage ist nur wann, wie stark und wo?

Fazit

Wahrscheinlich ist es das Beste, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Falls möglich kannst du etwa nur die Hälfte deiner Anlagen verkaufen, um mehr Eigenkapital mitzubringen. Auf diese Weise deckst du zumindest einen Teil der Finanzierung ab, profitierst aber weiter von Effekten deiner Anlagen. So eine Aufteilung würde dir zudem mehr Flexibilität geben. So könntest du etwa später immer noch deine gesamten Ersparnisse in die Immobilie stecken.

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.