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PROJEKT ZUKUNFT

Zurück in die Zukunft: Wie exponentieller Fortschritt Chancen eröffnet

von Zaster Redaktion

Wir haben es schon so oft gehört: „Wir leben in einem Zeitalter exponentiellen Fortschritts“. Das klingt erstmal sehr abstrakt. Aber was bedeutet das konkret und was machen wir aus dieser Erkenntnis?

Das erste Mal bewusst wurde mir die stete Beschleunigung der Technologieentwicklung, als ich die Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“ aus den 1980er-Jahren sah, in denen die beiden Protagonisten Marty McFly (alias Michael J. Fox) und der überdrehte Professor Doc Brown (alias Christopher Lloyd) durch die Zeit reisen. Im ersten Teil verschlägt es sie aus dem Jahr 1985 in die Vergangenheit (1955), im zweiten Teil in die Zukunft (2015). Obwohl die zwei Abenteurer in beiden Filmen exakt 30 Jahre überspringen, könnten die Zeitreisen unterschiedlicher kaum sein. Die technische Entwicklung von 1955 bis 1985 war überschaubar. In diesem Zeitraum schafften es lediglich zwei Innovationen in die amerikanischen Haushalte: die Waschmaschine und das Farbfernsehen. 1985 sah die Welt im Wesentlichen so aus wie 1955 – ein bisschen moderner, aber nicht wirklich verändert. Ein Beispiel: Um zu telefonieren, verwendete man nach wie vor ein Festnetzgerät. Anstatt der runden Wählscheibe traf man gegebenenfalls auf ein Tastentelefon, aber das war es auch schon. Du hättest dich als Zeitreisender hervorragend ohne Probleme zurechtgefunden. Was man für die zweite Zeitreise nicht vorbehaltlos behaupten kann… 

Der Zeitsprung von 1985 nach 2015, ebenfalls 30 Jahre, ist nicht nur im Film der Spannendere. In diesen Jahren veränderten zahlreiche Innovationen das Leben maßgeblich: der Computer, das Internet und das Smartphone, darüber hinaus praktische Errungenschaften wie die Klimaanlage, die Spülmaschine, der Wäschetrockner und die Mikrowelle. Würdest du als Zeitreisender aus 1985 im Jahr 2015 telefonieren wollen, wärst du völlig aufgeschmissen. Jemand würde dir ein kabelloses, kleines Stück Plastik – sein Smartphone – reichen, gegebenenfalls mit dem Hinweis: »Du kannst gern über WiFi und Facetime anrufen.« Du würdest nichts verstehen, gar nichts. Nur zur Erinnerung: Anfang der 1980er-Jahre wurden die ersten PCs überhaupt hergestellt. Dein Gegenüber müsste ganz von vorn beginnen und dir Computer, Internet, WiFi, Touchscreens, Digitalkameras und vieles mehr erklären. 

Fortschritt wird nie mehr so langsam 

Stell dir einen Zeitsprung um weitere 30 Jahre vor, in das Jahr 2045. Da wird es schwierig. Denn wenn wir uns die Zukunft vorstellen, extrapolieren wir gewöhnlich linear: Wir blicken in die Vergangenheit und gehen davon aus, dass diese sich in ähnlicher Geschwindigkeit weiterentwickeln wird. Das ist ein Trugschluss! Denn der technische Fortschritt verläuft exponentiell, Innovationen kommen demzufolge in immer kürzeren Abständen. Warum ist das eigentlich so?

Forscher und Ingenieure können bei jedem Zyklus auf einen größeren Technologiefundus aufbauen. Das gilt gleichermaßen für Wissen: Die Zahl der weltweit vergebenen Doktortitel wächst stetig. Im Geburtsjahr meines Vaters, 1950, wurden noch keine 20.000 Doktorwürden verliehen. Im Jahr 2010 waren es bereits 160.000. Heute gibt es so viele Akademiker und Forscher wie nie zuvor. 90 Prozent aller Wissenschaftler, die jemals gelebt haben, leben jetzt. Fortschrittsturbo im Vollgas.All das zeigt: Die Zukunft wird noch viel verrückter, als wir es und heute vorstellen können.

Aber auch: Es ist in Zukunft viel mehr möglich, als Du heute annimmst. 

Wenn wir Investitionsvorhaben beurteilen, sollten wir die Effekte der exponentiellen Entwicklung berücksichtigen. Ein Beispiel: Als Tesla 2012 das ModelS präsentierte, waren sich die meisten Analysten einig, dass die Batterietechnologie relativ ausgereift sei und bereits die Preisuntergrenze erreicht habe. Entsprechend skeptisch beurteilten Kritiker die Erfolgsaussichten der Elektrofahrzeuge. Ein Akkupack für den Tesla Roadster lag 2007 bei über 15.000Dollar, zu teuer für den Massenmarkt. Hätten die Skeptiker das Wrightsche Gesetz berücksichtigt, wäre ihr Urteil wohl anders ausgefallen. Vom Luftfahrtingenieur Theodore Wright in den 1930er-Jahren aufgestellt, gibt das Gesetz an, dass eine Technologie oder ein Produkt bei jeder Verdopplung seiner kumulierten Produktionsmenge eine Verminderung der Produktionskosten um einen bestimmten, immer konstanten Prozentsatz erfahren wird. Mit zunehmender Stückzahl (und technischer Weiterentwicklung) gehen auch die Kosten der Batterie nach unten. Damit wurden Elektrofahrzeuge rentabel und sind mittlerweile kostentechnisch für den Markt geeignet. Kostensenkung durch steigende Volumen, auch Skaleneffekt genannt, sind nur ein Teil der Gleichung. Darüber hinaus tun Technologiesprünge ganz neue Möglichkeiten auf.

Anfänglich belächelt, ruft Tesla mittlerweile eine Marktkapitalisierung von rund 936 Mrd. US Dollar auf (Stand 03/22). Nur zum Vergleich: VW, Daimler, Ford und Toyota kommen zusammen auf weniger als die Hälfte! Der „exponentielle Chancenblick“ gilt auch für uns persönlich. Ich träume zum Beispiel davon, irgendwann als Digital Nomad zu arbeiten. Aktuell ist das unrealistisch, aber Technologie (remote work über VR etc.) wie Arbeitskultur wird sich schneller entwickeln, als ich es heute vermuten würde. 

Wovon träumst du, was heute noch unrealistisch erscheint?

Wir sollten uns immer wieder vergegenwärtigen, dass sich die Welt rasant weiterentwickelt und daher Dinge möglich werden, die aktuell unmöglich erscheinen. Wir sollten des Öfteren größer denken, als es sich aktuell richtig anfühlt.

Ein Gastbeitrag von Christian Schwedler

Christian Schwedler ist Stratege bei einem Dax-Konzern, sowie freiberuflicher Experte und Speaker zu den Themen Transformation und Job-Zukunft. Sein Sachbuch „Speed-Dating mit der Arbeit von morgen“ war kurz nach Erscheinen (22.2.22) auf Platz 1 der Amazon Bestseller Liste in der Kategorie Wirtschaft / Arbeitsrecht.Seine Karriere führte ihn über drei Kontinente durch verschiedenste Jobs und Abenteuer. Er arbeitete als Architekt in Sydney und bei Sir Norman Foster in London. In Santiago de Chile gründete Christian ein Studio für digitale Visualisierung. Heute lebt er mit seiner Familie in München.

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