Während das neue Jahr erst ein paar Wochen alt ist, ergießt sich die Ernüchterung kübelweise über all diejenigen, die mit ihren ehrgeizig gefassten Neujahrsvorsätzen – gesünder essen, mehr Sport, mehr Lesen, mehr Zeit für sich – längst wieder gescheitert sind. Da drängt sich eine einfache Frage auf: Warum klappt das eigentlich fast nie mit all den hehren Vorsätzen? Warum erstrahlen sie ganz ähnlich wie Silvesterraketen für einen Moment glorreich am Himmel und zerplatzen im nächsten Moment gleich wieder zu Staub? Auf eine Art beschreiben diese Vorsätze und Ziele eine der schönsten, tatkräftigsten menschlichen Eigenschaften: Den Willen zu positiver Veränderung. Doch auf eine andere Art zeigt ihr Zerplatzen auch immer wieder eine andere, unschöne menschliche Eigenart: Die ewige Trägheit und Inkonsequenz.
Ein gutes Leben – wie soll das denn bitte funktionieren?
Nun sind die Neujahrsvorsätze zwar eine symbolhafte, zugespitzte Form der Zielsetzung, aber letztlich unterscheiden sie sich kaum von einem gewöhnlichen Ziel, das man sich privat oder beruflich setzt. In meinem letzten Beitrag schrieb ich darüber, dass Erfolg letztlich nur eine Konsequenz aus einem guten, ausgeglichenen Leben ist. Mich hat unheimlich viel positive Resonanz auf den Artikel erreicht, doch unter den hunderten Kommentaren und Nachrichten waren auch Fragen, wie das denn eigentlich funktionieren soll, dieses gute Leben, diese bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen, Zielen und Träumen. Diese Fragen habe ich in den letzten Tagen und Wochen zum Anlass genommen, eingehender darüber nachzudenken, wie sich das, was so schön und doch auf den ersten Blick abstrakt klingt, greifbar machen lässt. Wie findet man Ziele, die einen nachhaltig antreiben? Und warum gelingt es den wenigsten, selbst gesteckte Vorsätze und Ziele über einen längeren Zeitraum zu verfolgen?
Positive Zielbilder statt externer Erwartungen
Wenn ich auf meine eigenen Erfahrungen mit gescheiterten und gelungenen Vorsätzen schaue, komme ich zu einer einfachen Erkenntnis: Es hat immer dann geklappt, wenn hinter dem Ziel etwas für mich persönlich Erstrebenswertes und zugleich positiv Aufgeladenes stand, etwas also, das mich intrinsisch, aus mir selbst heraus, motiviert hat. Gescheitert bin ich hingegen regelmäßig an Vorhaben, die extern getriggert und negativ belegt waren: „Der Arzt (extern) hat gesagt, ich soll abnehmen (negatives Ziel, da Verzicht).“
Wer sich ein Ziel setzt, der sollte sich also zuallererst fragen, warum er ausgerechnet dieses Ziel verfolgt. Ist es, um anderen einen Gefallen zu tun oder externen Erwartungen zu entsprechen? Oder liegt der Antrieb für die Zielerreichung in mir selbst? Und falls Letzteres der Fall ist: Was ist das positive Zielbild? Wer sich zum neuen Jahr etwa vorgenommen hat, abzunehmen (regelmäßig unter den Top-10-Neujahrsvorsätzen), der findet solch ein positives Zielbild nicht in einer Zahlenfolge auf der Waage und auch nicht im externen Druck von Seiten eines Arztes, sondern etwa darin, dass er durch eine Gewichtsreduktion bis ins hohe Alter gesund und fit bleiben kann, mit 60 noch einen Marathon läuft oder mit den Enkelkindern im Garten Fußball spielt. Solche positiv aufgeladenen Zielbilder sind eine wichtige Grundlage für Veränderung.
Das Geheimnis der Veränderung liegt in der Wiederholung
Doch wie setzen wir solche positiven Zielbilder in die Tat um? Bill Gates sagte einmal, dass die Menschen die kurzfristigen technologischen Veränderungen massiv überschätzen, während sie die langfristigen Veränderungen massiv unterschätzen würden.
Ich glaube, dass es sich mit Blick auf unsere Fähigkeit, uns selbst zu verändern, ganz genauso verhält. Wir überschätzen den kurzfristigen Einfluss, den wir auf unser Leben nehmen können, und unterschätzen gleichermaßen den Einfluss, den wir auf lange Sicht ausüben können. Haben wir einmal ein Ziel gefasst, legen wir nicht selten mit Feuereifer los, bringen uns schnell an den Rand der Überforderung, in dem Glauben, dass sich in kürzester Zeit ach so viel verändern ließe, und streichen dann nach wenigen Wochen enttäuscht die Segel, wenn die erhofften Veränderungen noch nicht eingetreten sind. Im Ergebnis bleibt Enttäuschung übrig – und nichts hat sich verändert.
Veränderungen sind aber kein Sprint, sie sind ein lebenslanger Marathon, auf dem wir nicht schon auf dem ersten Kilometer unsere gesamten Körner verprassen dürfen. Wenn wir uns also Ziele setzen, dann geht es nicht darum, von heut auf morgen alles auf den Kopf zu stellen, sondern vielmehr, Gewohnheiten dauerhaft zu verändern, liegt doch das Geheimnis der Veränderung – wie auch Simon Sinek zuletzt wieder betonte – in der steten Wiederholung, der Habitualisierung des Neuen. Dies bedeutet nicht zuletzt, dass wir uns realistische Ziele setzen sollten, die wir auch im fordernden Alltag, wenn es manchmal stürmt und hagelt, erreichen können. Wer es sich also zum Ziel gesetzt hat, endlich wieder Sport zu machen, um sich besser zu fühlen, der wird mehr Erfolg haben, wenn er sich zunächst zwei Sporteinheiten pro Woche vornimmt als gleich fünf.
Falsche Vorbilder demotivieren
Ganz häufig orientieren wir uns an schillernden Vorbildern. Seien es durchtrainierte Instagram-Models, die wir uns als Idol für unser eigenes Fitnessprogramm nehmen, oder Tausendsassa-CEOs, deren Tagesprogramm schwärmerisch und verklärt in den Wirtschaftsmedien portraitiert wird.
Das Problem bei solchen Role Models ist Folgendes: Die Models, die auf Instagram Chia-Bowls speisen, Yoga-Posen vorführen und mit gestähltem Körper in die Kamera winken, haben tagtäglich mehrere Stunden Zeit, um sich um ihren Körper zu kümmern, da dies ihr Job ist. Die CEOs mit ihren durchgetakteten 17-Stunden-Tagen werden sich kaum zuhause darum zu kümmern haben, dass noch Milch im Kühlschrank ist, der Müll runtergebracht wird oder das neue Ikea-Regal aufgebaut wird – für solche Alltagsaufgaben, die die meisten von uns eben nicht delegieren können, beschäftigt ein millionenschwerer Wirtschaftslenker die eine oder andere Haushaltshilfe. Der Vergleich macht hier also wie so oft nicht nur unglücklich und demotiviert, er ist auch sachlich falsch – und damit wenig hilfreich, um unsere eigenen Ziele zu finden und zu erreichen.
Der Referenzpunkt für ein gutes Ziel? Das Selbst!
Hier kommt wieder die intrinsische Motivation ins Spiel: Der Referenzpunkt für ein Ziel, das wir uns setzen, ist das Selbst, das Ich, unsere ureigenen Wünsche und Träume, und nicht irgendwelche vermeintlichen Role Models, von denen wir nichts kennen außer einer glattpolierten Oberfläche. Wenn wir also über unsere Vorsätze und Ziele nachdenken, dann sollten wir uns nicht von falschen Vorbildern und nicht von externen Anforderungen leiten lassen, sondern einzig und allein von unseren ganz persönlichen Lebenszielen, aus denen wir dann – Schritt für Schritt – ganz konkrete, realistische, positiv belegte und intrinsisch-motivierte Vorhaben ableiten. Wenn es uns so gelingt, ein Ziel zu definieren, das unseren persönlichen Wünschen und Neigungen entspricht, dann ist der erste Schritt zur Umsetzung schon getan.