Im Portemonnaie

Zehn Gründe, warum wir das Bargeld nicht abschaffen dürfen

von Marcus Schwarze

Bargeldlos bezahlen ist hipp, hygienisch, und das lange Gekrame an der Kasse entfällt? Mitnichten. Es gibt mindestens zehn gute Gründe, warum wir das Bargeld noch lange nicht abschaffen sollten.

1
Im Taxi

In der Mytaxi-App kann man nur 10, 15 oder 20 Prozent Trinkgeld geben – wo versteckt sich der Button für die null Euro? Für den Fahrer, der mich neulich in den schlimmsten Stau kutschierte? Und mir anschließend keine Quittung schreiben wollte, weil: Die sei ja in der App?

2
Im Supermarkt

Inzwischen gibt’s in immer mehr Supermärkten Bargeld zum Abheben – zum Nulltarif! Wie praktisch ist das denn? Nie wieder Geldautomat – und nie wieder Geldabhebegebühren!

3
Auf der Festplatte

Ich hatte vor Jahren zum Test ein paar Bitcoin gekauft, diese Kryptowährung, die unter anderem auf der Festplatte lagert. Die Zukunft! Als Jahre später die Währung massiv abhob, wollte ich die paar Coins wieder zu Geld machen. Es dauerte ewig, fünf Tage, bis ich die riesige Blockchain wieder heruntergeladen hatte, der Rechner wurde dabei unangenehm heiß. Zu Geld machen ließ sich das nur über bitcoin.de, wo man sich zunächst mit Trust-Level, Zwei-Faktor-Authentifizierung und Einmal-Passwort (OTP) einen Namen machen musste. Hat zwar alles gut geklappt, aber FÜNF TAGE für den Download und DREI TAGE fürs Einlösen?!

4
Im Supermarkt, Teil 2

Die beste Erfindung seit Einkaufswagen mit Ein-Euro-Auslösemechanismus sind Einkaufswagen mit Ein-Euro-oder-Zwei-Euro-oder-50-Cent-Auslösemechanismus (und vielleicht noch Einkaufswagen ohne dieses Gedöns). Ich will mir nicht vorstellen, wie in einer bargeldlosen Welt plötzlich eine Kreditkarte im Einkaufswagen klemmt. Und ich den Marktleiter holen muss.

5
Im Sparschwein

Mal ehrlich. Kennt jemand nicht das befreiende Gefühl, ein Sparschwein zu zertrümmern? Und zu staunen, wenn nicht nur Münzen, sondern auch Scheine herauskommen?

6
Auf der Straße

Was möchte man wohl lieber in freier Wildbahn auf der Straße finden: einen verlorenen Fünf-Euro-Schein oder eine EC-Karte?

7
Vorm Straßenmusiker

In Berlin haben sie diese Band, die an einer U-Bahnstation einsteigt, kurz mit Pauke und Trompete eine Strophe schmettert und dann mit dem Hut rumgeht. Ein Euro ist da schnell investiert, bevor die Türen wieder aufgehen, aber versuchen Sie dieselbe Summe mal per Kreditkarte zu geben.

8
Im Anstoßkreis

Neulich hatten sie bei einem Fußballspiel zwischen dem FC Arsenal und Paris Saint-Germain eine besonders entzückende Idee. Statt mit einem Münzwurf entschied der Schiedsrichter per Kreditkartenwurf über Anstoß und Seitenwahl. Natürlich war das eine Werbeaktion des Kreditkartenanbieters, aber muss man denn jeden Kniff im Fußball kommerzialisieren? Gut, die Schiedsrichter setzen inzwischen spezielle Schiedsrichtermünzen ein. Aber ein bisschen Nostalgie darf gerne bleiben.

9
Auf dem Geburtstag

Wenn der Enkel zum Geburtstag mit der Briefpost einen Fünzig-Euro-Schein bekommt, womöglich sogar virtuos gefaltet, glänzen die Augen viel stärker als bei einem per WhatsApp versandten Screenshot der Banküberweisung. Tatsache.

10
Am Stadtstrand

Schön und gut, dass es etwa im Cappuccino Grand Café am „Kudamm Beach“ in Berlin heißt: „Beach Area – only EC- & Credit Cards – no Cash“. Doof nur, wenn das auf Google Maps nicht ausgeschildert ist, die beiden 15-jährigen Gäste ohne entsprechendes EC-Visa-Master-American-Express-Kartenmaterial bei sengender Hitze zum Strand geschickt werden dann einfach nicht reinkommen.

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Marcus Schwarze