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Wie glücklich macht Geld?

Workation: Die smarte Art, Arbeit & Urlaub zu verbinden

von Frank Behrendt

Früher – und früher ist gar nicht so lange her – da gab es entweder Urlaub oder Arbeit. Inzwischen müssen das keine Gegensätze mehr sein, die digitalen Möglichkeiten erlauben in der modernen Arbeitswelt jede Menge flexible Modelle.

Auch Workation gehört dazu, gerade die junge Generation der Berufstätigen findet immer mehr Gefallen daran. Workation setzt sich aus den Begriffen „Work“ und „Vacation“ zusammen, die Grundidee ist einfach: Arbeitnehmer oder Selbstständige reisen an einen anderen Urlaubs-Ort, um dort auch ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

In unseren diesjährigen Sommerferien begegnete ich an der französischen Atlantikküste einer großen Workation-Gemeinde. Auch ich habe in den Ferien an Video-Calls teilgenommen, Texte geschrieben, sogar ein Remote-Pitch war dabei. Stressig fand ich das nicht, ich habe im Laufe der Jahre gelernt, innerhalb von Sekunden aus dem Arbeits- in den Urlaubsmodus umzuschalten. So kam es vor, dass ich morgens mit der Familie im Meer war und mich nach dem Mittag entspannt in ein digitales Meeting einwählte. Perfektes WLAN macht`s möglich – inzwischen ein elementares Kriterium bei der Auswahl unserer Urlaubsdomizile.

Nach dem Call habe ich Laptop und Smartphone wieder im Safe verstaut und kehrte zurück zur Familie an den Strand – nicht ohne allen ein erfrischendes Eis von meiner Lieblings-Strandbude mitzubringen. Weil es mir in Les Sables-d`Olonne so gut gefiel, cruiste ich gemeinsam mit meiner Frau an einem Nachmittag durch die Gegend und schaute mir verschiedene Co-Working-Spaces an. Die gab es zu meiner Überraschung auch dort, obwohl das Städtchen wahrlich keine internationale Metropole ist. Das Angebot reicht vom voll ausgestatteten Miet-Container-Büro bis zum „Cap Océan 85“, einer hippen Location im lässigen Hafendistrikt, die es vom Coolness-Faktor locker mit London oder New-York aufnimmt.

Bemerkenswert fand ich, dass dort sämtliche Arbeitsplätze seit langem komplett ausgebucht sind. Ich sprach mit dem Manager, einem französischen Lebenskünstler, der von einem regelrechten Run berichtete. Aus allen Ländern kommen die arbeitenden Nomaden hierher, haben oft ihr Board für`s Wellenreiten im Gepäck, das sie nach getaner Arbeit leidenschaftlich einsetzen. „Arbeiten mit anschließendem Savoir-Vivre-Incentive“ erklärte es mir Co-Working-Space-Fan Quinn, den es aus Neuseeland ins schöne Frankreich verschlagen hat. Mindestens drei Monate bleibt er hier, bevor er im Winter weiterzieht, „dahin wo es wärmer ist“.

Mit ihm, einem Online-Tutorial-Redakteur für komplexe Software-Anwendungen, für dessen Arbeitgeber es völlig egal ist, wo er seine klugen Anleitungen schreibt, habe ich über die Vorteile gesprochen, die Workation bietet. Für Quinn ist die andere Umgebung ein Kreativitäts-Booster, zudem sorgt das Arbeiten in einer Urlaubsregion für eine höhere Zufriedenheit und eine Maximierung des Erholungsfaktors, weil die Nähe zu einem optimalen Ausgleich – bei ihm das Wellenreiten – näher ist, als im heimatlichen Büro- und Zuhause-Kosmos der Großstadt. In einigen Wochen bekommt er Besuch von zwei Kollegen, die drei werden dann wieder ein neues Tool entwickeln und schwören darauf, dass es in der Urlaubsatmosphäre schneller und besser klappt.

Im letzten Jahr hat es so gut funktioniert, dass der Chef diesmal nicht lange überzeugt werden musste und sogar einen Teil der Kosten übernimmt. „Für den zählt nur das Ergebnis, nicht die Anwesenheit im Office“, erzählt der relaxte Neuseeländer. Ein Büro weiter treffe ich ein Ehepaar, das so gar nicht in das typische Raster der Workation-Klientel passt: Beide über 50, Eltern von zwei erwachsenen Kindern. Das Paar aus Bremen hat vor einem Jahr angefangen, mindesten die Hälfte des Jahres anderswo zu arbeiten. Sie haben ihr Haus verkauft, sind in eine kleinere Wohnung gezogen, arbeiten und urlauben jetzt parallel und gemeinsam – in diesem Jahr an der Küste Frankreichs.

Sie ist Lektorin, ihr Verlag kommt mit dem Modell bestens klar. Er ist Software-Entwickler und sein amerikanischer Arbeitgeber „tickt in Bezug auf Flexibilität sowieso schon auf einer zukunftsgerichteten Umlaufbahn“ – eine wunderbare Formulierung, die ich mir direkt gemerkt habe. Abends traf ich die beiden am Strand wieder. Es war einfach, sie zu finden, denn sie beschließen jeden Workation-Tag immer an ihrem Lieblingsplatz. „Die Art, wie wir heute arbeiten und jeden Tag ein bisschen Urlaub machen, hat uns viel näher zusammengebracht“, sagt Jochen. Seine Frau Jutta ergänzt: „Wir haben uns noch einmal neu erfunden und das macht gemeinsam glücklich.“

Meine Frau und ich haben uns vorgenommen, dass wir das später genauso machen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Denn was gibt es Schöneres, wenn man glücklich nebeneinander arbeitet und sich dabei täglich wie im Urlaub fühlt? 

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.