Coronakrise

Woher nimmt der Staat 150 Milliarden?

von Nils Matthiesen

Mal eben ein paar Milliarden locker machen? Für den Staat kein großes Ding. Dahinter steckt ein interessantes System, um es mal vorsichtig zu formulieren.

Noch vor wenigen Wochen plante unser Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine schwarze Null für den Bundeshaushalt ein. Bedeutete: Keine neuen Schulden. Dann kam alles ganz anders. Um die Folgen der Coronakrise abzufedern, plant der Bund massive Hilfen und muss dadurch plötzlich neue Schulden in Höhe von mindestens 156 Milliarden aufnehmen. Wahnsinnig viel Geld! Aber wo bekommt der Staat kurzfristig so viel Zaster her?

Die Steuer ist nicht genug

Steuereinahmen allein reichen auf jeden Fall nicht. Darum wendet sich Deutschland an die Banken. Denn dem deutschen Staat Geld zu leihen, gilt als gutes Geschäft. Dazu müssen die Banken die Schulden lediglich weiterverkaufen – natürlich zu höheren Zinsen. Das funktioniert, weil Deutschland einen guten Ruf als Schuldner und eine starke Wirtschaft hat. Zumindest sehr viel stärker als in den meisten anderen Länder, die – wie einige südeuropäische Staaten – nicht mehr so einfach an Geld kommen. Die Chancen stehen auf jeden Fall gut, dass die Gläubiger ihr Geld (und noch ein wenig mehr) auch pünktlich zurückbekommen.

Finanzagentur regelt

Hierzulande beschafft dem Staat seit 2000 eine eigene Gesellschaft nördlich der Bankenstadt Frankfurt das Geld, die „Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland“. Konkret nimmt sie dazu Kredite bei Banken auf und gibt Wertpapiere aus, beispielsweise Bundesanleihen, die mindestens über zehn Jahre laufen, kurzfristigere Bundesobligationen und Bundesschatzbriefe für Privatanleger. Die Mitarbeiter versuchen das so zu gestalten, dass die Kredite möglichst billig und trotzdem attraktiv genug sind, um Anleger anzulocken. Beim wem die Anleihen am Ende landen, weiß dabei niemand so genau. Deutsche Staatsanleihen könnten also rein theoretisch sogar terroristische Organisationen oder Schurkenstaaten erwerben.

Windiges Schuldensystem

Auch sonst ist das System nicht ganz sauber. So dürfen Banken beispielsweise neu ausgegebene Staatsanleihen nicht mit eigenem Geld, sondern nur mit Zentralbankgeld bezahlen. Das beschaffen sie sich kurzfristig direkt bei der Bundesbank. Die Bank hinterlegt dazu als Sicherheit Wertpapiere und erhält im Gegenzug von der Bundesbank neu geschöpftes Geld. Die Zentralbank stellt das Geld also selbst zur Verfügung, mit dem die Banken die Staatsanleihen bezahlen. Ein geniales System. Vom Prinzip her bekommen Banken von der Zentralbank dabei so viel Kredit, wie sie wollen, sofern sie genügend Sicherheiten vorlegen können. Das stellt in der Regel aber kein Problem dar, weil Investitionen in öffentliche Schulden als weitgehend risikolos gelten.

Man könnte auch sagen: Bei den Wertpapieren, die von den Banken als Sicherheit hinterlegt werden müssen, darf es sich um die verbrieften Staatsschulden selbst handeln. Schulden verwandeln sich so wie durch Zauberhand in Guthaben, Werte entstehen aus dem Nichts. Das funktioniert natürlich nur, solange genügend Menschen dem Staat vertrauen. Falls das eines Tages nicht mehr der Fall sein sollte, bricht das System wie ein Kartenhaus zusammen. Zudem entsteht dadurch eine unheilvolle Abhängigkeit des Staats von Banken.

Fazit

Es ist gut und richtig, wie entschlossen die Regierung auf die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise reagiert. Woher das Geld kommt, wie das System dahinter funktioniert und welche Folgen die Neuverschuldung haben wird, ist allerdings weniger glorreich.

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.