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DER BLICK AUS ZÜRICH

Wird der US-Dollar zur Last?

von Mikey Fritz

Die Zahlen der Big Techs stehen aktuell im Mittelpunkt, denn sie werden über den künftigen Trend des Aktienmarktes im 2. und 3. Quartal (2024) entscheiden. Im Hintergrund braut sich mit der Aufwertung des US-Dollar jedoch ein völlig neues Szenario zusammen, das wir seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht mehr hatten.

Es wird Zeit, sich wieder mit dem US-Dollar zu beschäftigen. Mir ist bewusst, dass der Fokus der meisten Anleger derzeit auf den Big Techs und da insbesondere auf den Nvidia Aktien liegt. Zu Recht, denn die Rallye am Aktienmarkt lebt und stirbt mit dieser einen Aktie. Nvidia selbst wird erst am 22. Mai berichten, aber viele der anderen „Glorreichen Sieben“ berichten in dieser Woche, was die Wall Street und die europäischen Aktienmärkte bewegen wird. Die Märkte haben auch keine andere Chance, denn diese Titel haben die Rallye aufgebaut und müssen nun liefern, um eine Fortsetzung im 2. und 3. Quartal zu rechtfertigen. Doch die Börse lebt davon, dass wir vorausschauen und die zukünftigen Chancen und Risiken im Blick behalten, wie wir es immer tun. Und dabei fällt aktuell der Blick auf den US-Dollar. 

Die Bedeutung des US-Dollar für den Welthandel kann man kaum überhöhen. Rund 60 % des globalen Vermögens ist im US-Dollar investiert, weswegen sich jede Änderung der Rahmenbedingungen für die Währung sofort in allen Volkswirtschaften auswirkt, die einen freien Geld- und Kapitalverkehr haben. Noch dominanter ist der US-Dollar im Handel. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich werden etwa 88 % aller internationalen Transaktionen im US-Dollar ausgeglichen. Daraus lässt sich auch ablesen, dass viele Außenhandelsbilanzen vom Greenback dominiert werden, insbesondere dann, wenn die Währungen klein bis mittelgroß sind. 

Der US-Dollar dominiert den globalen Handel

Der letzte wichtige Punkt ist die Verschuldung. Der Schuldner, der sich in seiner eigenen Währung verschulden kann, hat einen erheblichen Vorteil, weil dann das Währungsrisiko wegfällt. Das ist jedoch meistens nur den großen Währungsräumen wie Euro, Yen, Yuan oder halt dem US-Dollar vorbehalten. Ist die Währung vergleichsweise klein und findet der Außenhandel vor allem im US-Dollar statt, dann neigen Handelsunternehmen dazu, Schulden im US-Dollar aufzunehmen. Das macht im Hinblick auf die laufenden Transaktionen Sinn, hat aber zwei wichtige Achillesfersen: den Zins und den Wechselkurs. 

Bewegen sich der lokale Zins und der Zins für den US-Dollar im Einklang, ist alles in Ordnung. Laufen beide Märkte jedoch auseinander, kann es knirsch werden. Denn Zinsen sinken in der Regel, wenn die Inflationsrate deutlich sinkt und / oder die Konjunktur schwächelt. Schwächelt nun die heimische Konjunktur eines Handelsunternehmens mit Schulden im US-Dollar, während gleichzeitig die US-Wirtschaft boomt und dort die Zinsen steigen, ergibt sich im Zweifel beim Verschuldungsgrad ein Problem. Während das heimische Geschäft schwächer läuft und das operative Geschäft belastet, steigen die zu zahlenden Zinsen für die US-Dollar Kredite und der US-Dollar wertet auf, was in der heimischen Währung gerechnet den Kredit sukzessive teurer macht. 

Solange es sich um Einzelfälle handelt, ist das Szenario unproblematisch. Unternehmen kommen und gehen. Eine passende Finanzierung zu finden, gehört zu den normalen Risiken, mit denen man umgehen muss. Problematisch wird dieses Szenario dann, wenn so viele Unternehmen betroffen sind, dass der heimische Bankensektor in eine Schieflage kommt. Denn die Banken sind das Rückgrat einer jeden Volkswirtschaft. Und gerät eine kritische Masse der Banken in eine Schieflage, überträgt sich dieses Problem auch auf die gesamte Wirtschaft. 

Es knackt im Gebälk

Das letzte Mal, dass sich dieses Szenario realisierte, liegt rund 27 Jahre zurück. Damals stand der thailändische Baht im Mittelpunkt der Probleme, nachdem sich im Inland eine Bankenkrise ergab. Die Krise rund um den Baht eskalierte und zog die gesamte Region in die sogenannte Asienkrise. Für die Märkte in Europa und den USA war das Ganze nur ein Dip. Doch unter der Oberfläche des internationalen Finanzmarktes wanderten die Erschütterungen weiter und führten 1998 zur russischen Finanzkrise, deren Ausläufer dann mit dem Untergang von Long-Term Capital Management (LTCM) auch in New York ankamen. 

Heute sind es Südkorea und Vietnam, die unter Druck stehen. Das deutlich kleinere Vietnam erlebt gerade die größte Bankenkrise in ihrer jungen Geschichte, nachdem die Zentralbank die Saigon Commercial Bank mit 24 Mrd. US-Dollar stützen muss. Die Zahl entspricht rund 5 % des gesamten Bruttoinlandsprodukts, was die Dimension des skandalösen Betrugsfalls deutlich macht. Von einem Skandal dieser Größe ist Südkorea bisher verschont geblieben, kämpft aber ebenso wie Vietnam mit einem stark sinkenden Außenwert der eigenen Währung gegen US-Dollar. 

Bisher knackt es nur im Gebälk. In der Regel lösen sich Spannung am Devisenmarkt, wie oben beschrieben, von selbst wieder auf. Man muss die Thematik daher nicht zu hoch hängen, zumal Vietnam für den internationalen Devisenmarkt in keinerlei Hinsicht systemwichtig ist. Aber es hilft im Hinterkopf zu behalten, dass eine Lawine bereits durch ein kleines Schneebrett ausgelöst werden kann. Und wenn man die wichtigsten „Schneebretter“ kennt, dann ist das schon die halbe Miete am Kapitalmarkt. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.