© Maria Bauer / CEO Iven Kurz
Klug investiert

„Wir denken das Thema Geldanlage gesamtheitlich“ – Im Gespräch mit Evergreen CEO Iven Kurz

von Michael André Ankermüller

Evergreen gehört mittlerweile zu den beliebtesten digitalen Vermögensverwaltern aus Deutschland. Das Unternehmen wurde 2018 mit Iven Kurz als CEO gegründet. ZASTER-Chefredakteur Michael André Ankermüller hat ihn zum Interview getroffen.

Robo Advisor sind in aller Munde und werden immer beliebter. Was zeichnet Evergreen aus, wieso sollte man sich für euch entscheiden und wie bist du auf die Idee gekommen, einen eigenen Robo Advisor zu gründen?

Zwischen den klassischen Robo-Advisorn und EVERGREEN gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede. Auch bei uns kann man sich einfach online registrieren, identifizieren und Anlagevorschläge auf Basis seines Risikoprofils erhalten. Zudem bieten wir „guided access“ zu unseren Nachhaltigkeitsprodukten und begleiten die Menschen auf unserer Plattform ein Sparerleben lang. Bei den eingesetzten Produkten wird ein weiterer wesentlicher Unterschied deutlich, da wir alle Fonds selbst managen. Gerade bei der nachhaltigen Geldanlage ist es wichtig, die richtigen Unternehmen für unsere Fonds aktiv auszuwählen. Wir verzichten bewusst auf den Einsatz von ETFs, da wir die Erfahrung gemacht haben, dass diese dem Anspruch an Nachhaltigkeit meist nicht gerecht werden.

Damit die Geldanlage für unsere Anleger:innen auch ökonomisch nachhaltig ist, sind die Produktkosten für unsere Fonds nicht weit von ETF-Gebühren entfernt und liegen deutlich unter den durchschnittlichen Gebühren für aktive Fonds. Und noch einen Vorteil bietet der Einsatz der eigenen Investmentprodukte: Auf die Erhebung von Depot-, Service- und Transaktionskosten können wir verzichten, was zu einer weiteren Ersparnis für unsere Anlegerinnen und Anleger gegenüber einem klassischen Robo-Advisor führt.

Da wir selbst der Fondsmanager sind, arbeiten wir als Partner auch mit anderen FinTechs, Versicherungen, Banken ohne eigenes Asset-Management zusammen – von der API-Integration bis hin zur Auflage von eigenen Fonds für die Partner. Wir denken das Thema Geldanlage gesamtheitlich und bilden deshalb den größten Teil der Wertschöpfungskette selbst ab.

Wie sieht euer Versprechen und Erfolgsrezept für eure Kunden aus?

Wir kombinieren auf prognosefreie Art nachhaltige Geldanlagen mit professionellem Risikomanagement. Ich selbst habe über 11 Milliarden Euro als Leiter der Quantitativen Wertsicherungsstrategien bei Metzler Asset Management verantwortet. Dieses professionelle Know-how wollen wir mit EVERGREEN für alle zugänglich machen. Und darin besteht letztlich unsere Motivation: nachhaltige, sicherheitsorientierte Geldanlage, individuell auf jeden Anleger und jede Anlegerin zugeschnitten, täglich optimiert, zu Kosten auf ETF-Niveau. 

Das ist das EVERGREEN Versprechen. Wichtig ist natürlich auch dass man trotz dessen, dass man ein digitaler Anbieter ist, nah an den Kundinnen und Kunden ist. Wir haben hierfür zum Beispiel einen Youtube-Kanal, einmal pro Monat gibt es unsere Fondsmanagement-Sprechstunde via Zoom und man kann sich auch so jederzeit bei uns melden. Und das finden die Kundinnen und Kunden gut. Die meisten Neukunden für unsere digitale Vermögensverwaltung gewinnen wir über Weiterempfehlungen. 

In Deutschland ist finanzielle Bildung per se für viele Menschen ein Schreckgespenst. Sind digitale Angebote wie Evergreen vielleicht die Lösung, damit sich immer mehr Menschen mit ihren Finanzen auseinandersetzen?

Ich glaube digitale Angebote erfüllen hier ein Bedürfnis und können Teil der Lösung sein. Aber das Thema Finanzen und Finanzbildung muss eigentlich schon früher beginnen – entweder in der Schule oder zu Hause. Die Kundinnen und Kunden, die dann auf uns aufmerksam werden, haben sich ja schon meist mit dem Thema Geld und Finanzen zumindest ganz grob mal beschäftigt und das Thema gegoogelt. Der Zugang als digitaler Anbieter zu den Menschen ist deutlich komplexer als für die Dorf- oder Stadtsparkasse. Denn der digitale Raum, zum Beispiel die Social-Media-Kanäle oder auch Youtube filtern vor, was Menschen sehen. Das heißt für uns, wir müssen immer neue Wege gehen, um eben genau diese Menschen dennoch zu erreichen und sie dann auch dazu zu bewegen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. 

Meiner Wahrnehmung nach sehen wir derzeit einen grundsätzlichen Trend in der Bevölkerung sich mit dem Thema Aktie, Geldanalage etc. zu beschäftigen. 

Wie gestalten sich bei Evergreen die Kosten für die Anleger und Anlegerinnen? Und wie viel Geld muss man bei euch mindestens anlegen, damit es Sinn macht?

Die Kostenstruktur ist relativ schnell erklärt: Die Fonds haben eine Gesamtkostenquote von 0,59 Prozent, also etwas über ETF-Niveau. Dafür sind die Fonds nach strengen Nachhaltigkeitskriterien gemangt. Ansonsten gibt es keine weiteren Gebühren oder Kosten, keine Service-Fee, keine Transaktionskosten oder Ausgabeaufschläge. Die Anlage starten kann man bei EVERGREEN mit 1 Euro. 

Nun macht 1 Euro, auch als Sparplan pro Monat, nicht viel Sinn in Bezug auf z.B. Altersvorsorge. Für uns ist es aber wichtig einen möglichst barrierefreien Einstieg zu ermöglichen. Denn Geldanlage ist in Deutschland ein Thema, das viele skeptisch sehen, weil sie wenig Wissen haben und zum Teil noch wenig Erfahrung damit. Mit der Möglichkeit mit kleinen Beträgen zu starten kann sich der Anleger oder die Anlegerin ans Investieren gewöhnen, auch an die Schwankung. Wir sehen auch, dass viele Privatanleger mit kleinen Beträgen starten und dann nach einer Zeit, von zwei bis sechs Monaten, ihre Sparraten erhöhen.

Evergreen verfolgt das Modell “Passive Dynamic Investing”. Was ist damit genau gemeint?

PDI ist ein prognosefreies Risikomanagementsystem, welches seit mittlerweile 20 Jahren bei Großanlegern wie Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen zum Einsatz kommt. Bei EVERGREEN nutzen wir das bewährte Konzept auch für das Riskmanagement für die Kundendepots. Was früher erst mit Summen ab 20 Millionen Euro möglich war, gibt es somit nun schon ab 1 Euro Anlagevermögen.

Für alle, die sich näher damit beschäftigen möchten, empfehle ich die White Paper und auf unserem Blog. Dort erklären wir das Konzept der Optionsreplikationsmethode, auf der unser Ansatz beruht, sehr detailliert

Für klassisch orientierte Anleger:innen, die gelassen mit den Marktschwankungen umgehen können, bieten wir auch marktorientierte nachhaltige Strategien ohne Risikomanagement. Auch hierfür verwenden wir im Übrigen unsere eigenen nachhaltigen EVERGREEN-Fonds.

Ist das Jahr 2023 ein guter Zeitpunkt, um endlich mit der Geldanlage zu starten? 

Der beste Zeitpunkt, um mit der Geldanlage zu starten war gestern. Wenn ich den verpasst habe, dann ist er heute. Oder anders ausgedrückt: „Time in the market beats timing the market“, was übersetzt bedeutet dass es wichtiger ist, möglichst lange investiert zu sein, statt dem perfekten Zeitpunkt für Kauf und Verkauf hinterherzulaufen.

Wie wird sich der Robo-Advisor Markt in der Zukunft entwickeln? Was denkst du?

Zum einen glaub ich an einen erhöhten Preiswettbewerb für alle Anbieter mit ähnlichem Geschäftsmodell, also der Strukturierung eines ETF-Portfolios. Denn am Ende ist die Auswahl von drei bis vier passiven Produkten, mit vielleicht einem regelmäßigen Rebalancing kein außergewöhnliche Leistung – das kann man im Prinzip, mit etwas Zeit auch selber deutlich günstiger machen. 

Andererseits gehen wir davon aus, dass es eine stärkere Differenzierung in den Strategien und Produkten, sowie mehr Service bis hin zu holistischen Ansätzen im Finanzmanagement geben wird. Das sehen wir auch jetzt schon, dass zum Teil Megatrends als Option hinzugefügt werden können. 

Was wir sehr kritisch sehen ist die fehlende Regulatorik bei Robo-Advisorn was systematisch zu Intransparenz führt. Hier gibt es einen erheblichen Unterschied zu beispielsweise Publikumsfonds, die zum Nutzen der Anleger:innen hochreguliert sind, denn letztlich ist ein Robo-Portfolio aus ETFs nichts anderes als ein passiver Misch- oder Dachfonds. Im Robo-Kontext fehlen Standards zur Bewertung des Risikos, der Ertragserwartung, der Kostenstruktur und zum Benchmarking, um nur einige kritische Punkte zu nennen.

Was ist das langfristige Ziel von Evergreen? Wo soll die Reise in den kommenden Jahren hingehen?

Unsere Mission als B Corp ist es, nachhaltiges Sparen und Investieren für alle Menschen zu fairen Konditionen zu ermöglichen. Nachhaltigkeit sehen wir hier im ökologischen, aber auch im ökonomischen Sinn. Mit geringen Gebühren und steuereffizientem Management der Kund:innen-Portfolios sorgen wir für eine Steigerung der Netto-Renditen, denn am Ende muss sich Geldanlage für die Menschen lohnen. Für unsere Kund:innen und Partner wie die Tomorrow Bank erweitert wir stetig unsere Palette an nachhaltigen Kapitalanlageprodukten und Angeboten für die nachhaltige Altersvorsorge, wie Vermögenswirksame Leistungen, die betriebliche Altersvorsorge oder die Europarente. 

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.