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Wie glücklich macht Geld?

Wieviel kostet Zuversicht? Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte

von Frank Behrendt

Wenn man den Umfrage-Alarmglocken des Handelsverbands Deutschlands (HDE) im Vorfeld der Festtage aufmerksam gelauscht hat, dann sieht es dunkel aus mit dem Konsum zur Weihnachtszeit: Rund 60% der Kund:innen beschränken sich bereits jetzt beim Einkauf, sogar über 70% wollen „weniger oder günstiger“ einkaufen.

Die Gründe liegen auf der Hand: Steigende Energiepreise, Angst vor Nachzahlungen, hohe Inflation, Zukunftsängste. Auch für die Online-Händler wachsen die Weihnachtsumsätze nicht mehr in den Himmel. Der erfolgsverwöhnte Shopping-Primus Amazon gab kürzlich eine sehr schlechte Prognose für das letzte Quartal des Jahres ab, das saisonal gesehen normalerweise das Beste für das Unternehmen ist.

Amazon rechnet mit einem Umsatz von 140-148 Milliarden Dollar, klingt eigentlich gut. Eigentlich. Denn selbst wenn die Umsätze am oberen Ende der Prognosespanne liegen sollten, wäre dies das schwächste Q4-Umsatzwachstum in der Geschichte des Unternehmens. Darüber hinaus erwartet Amazon für das vierte Quartal ein Betriebsergebnis von 0 bis 4 Milliarden Dollar. Das ist kein Tippfehler – das Unternehmen rechnet in der Tat damit, dass es trotz Weihnachtsgeschenke-Hochsaison keinen Gewinn machen kann!

Das letzte Mal, dass Amazon im letzten Quartal des Jahres keinen Gewinn auswies, war im vierten Quartal 2000. „Really tough times“, kommentierte ein alter Börsen-Hase in einem Online-Analyse-Format und machte ein Zitronen-Gesicht. „Was gibt uns noch Zuversicht?“ lautete die Frage, die meine kleine Tochter und ihre Mitschüler:innen in einer Unterrichtsstunde von der Lehrerin gestellt bekamen.

Früher hätten die Kinder wahrscheinlich „Gott“ gesagt, heute nicht mehr. Die Frage beschäftigte mich und so sprach ich mit Menschen darüber, die nah am Leben sind und selbst mit vielen Bürgerinnen und Bürgern in der Stadt reden. In Köln sind das die Inhaber:innen der sogenannten „Büdchen“, Kioske inmitten der Wohnviertel, die zwecks Grundversorgung immer offen haben. Mein Lieblings-Büdchen-Mann ist über 70 und ich kaufe gerne bei ihm meine Zeitung, um anschließend mit ihm zu quatschen.

Besonders beim Thema Fußball geht er steil, kein Wunder, seit Kindertagen ist der echte kölsche Jung Fan des 1. FC Köln. Wenn sie verlieren, weiß er natürlich genau, wen man besser hätte aufstellen müssen und dass es ein Fehler war, Stürmerstar Tony Modeste zum Rivalen nach Dortmund ziehen zu lassen. „Der hat jetzt mehr Kohle, aber Null Spaß“, kommentiert der grauhaarige Mann mit dem sympathisch zerknautschten Gesicht hämisch.

Wen er beim Thema Zuversicht sofort erwähnt, ist FC-Trainer Steffen Baumgart. Der Kult-Coach, der in der Kommerzshow-Fußball ein lebendiges Ausrufezeichen für einen anderen Weg ist, ist für meinen Büdchen-Mann ein Hoffnungsträger. Einer, der den legendären Kölschen Grundsatz „Et hätt noch immer jot jejange“ als Person perfekt verkörpert. „Wenn der Baumgart Politiker wäre, dann könnten sich die Regierenden in Berlin warm anziehen“, gab er mir noch mit auf den Weg. Ich grinste.

Dann traf ich die Frau, die trotz aller Online-Händler einen Spielzeugladen auf der Hauptstraße betreibt. Die Menschen gehen gerne zu ihr, weil ihr Geschäft ein sinnlicher Ort ist. Steiff-Tiere in den Schaufenstern, eine kleine Holzeisenbahn auf dem Tisch, mit der die Kleinsten spielen dürfen. Anfassen ausdrücklich erlaubt. Dazu ein Regal mit allen Schleich-Tieren, dazwischen eine Gruppe frecher Schlümpfe. Am Tresen jede Menge Kleinigkeiten, die Kinder und Erwachsene immer wieder zu spontanen „Wie süß“ Aussprüchen hinreißen. „Mein Eindruck ist, dass die Menschen in diesem Jahr eher bescheidenere Geschenke machen“, sagt die Verkäuferin, „aber wenn es mit Liebe ausgesucht und verpackt wird, macht das auch Freude.“

Liebevoll verpacken kann die Frau, die ihr ganzes Leben im Verkauf tätig war und sich jetzt im Alter als Mini-Jobberin etwas zur Rente dazu verdient. Wenn wir auf Weihnachten und das nahende Jahresende blicken, dann werden wir uns einig sein, dass es ein schwieriges Jahr war und ist. Und die Aussichten auf das kommende sind auch nicht sonderlich erfreulich.

Woher also Zuversicht nehmen, um auf die Frage der Lehrerin in der Klasse zurückzukommen. Die Antwort bekam ich im Radio zu hören, als ein kleiner Junge anrief und der Moderatorin über den tollsten Menschen berichtet, den er kennt: „Mein Opa.“ Der Kleine erklärte auch warum: „Der hat immer eine Idee, wenn alle anderen keine mehr haben.“ Ich bin sicher, von dieser Spezies gibt es noch mehr. Lasst sie uns feiern, nicht nur zu Weihnachten. Menschen, die anderen Zuversicht geben, sind die größten Geschenke. Wenn ihr so jemand kennt: Sagt ihnen Dankeschön von uns allen, damit sie weiter machen. In diesem Sinne: Schöne Weihnachten. 

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.