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BUNDESTAGSWAHL

Wie viel Geld kostet mich die Bundestagswahl?

von Pauline Brinkmann

Dass das Kreuzchen auf dem Wahlzettel über mehr entscheidet als ein etwaiges Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen, hat uns jüngst das in Mannheim ansässige Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung bei seiner im August diesen Jahres veröffentlichen Studie zum Thema „Reformvorschläge der Parteien zur Bundestagswahl 2021 – Finanzielle Auswirkungen“ vor Augen geführt.

Das ZEW hat sämtliche Steuer- und Finanzierungsmodelle der unterschiedlichen Parteien ausgewertet und wirtschaftlich durchgespielt. Herauskam: Die Steuer(reform)vorschläge der verschiedenen Parteien könnten unterschiedlicher nicht sein. Feststeht: Des einen Freud ist in des anderen Leid. Wo die einen Parteien sich auf eine Verstetigung eines sozial ungerechten Systems konzentrieren, visieren die anderen einen Systemumsturz an, bei dem Arbeit und Leistung zum Allgemeingut wird.

Interessant wird es vor allem, wenn man die Folgen der jeweiligen Reformvorschläge im Hinblick auf die Armutsrisikoquote näher betrachtet. So waren im Jahr 2019 knapp 15% der Deutschen armutsgefährdet. Betrachtet man die Wahlprogramme, so fällt ins Auge, dass alle Parteien bis auf die AFD und die FDP für eine Reduktion des Armutsrisikos sorgen. Bei der FDP wird das Risiko in Armut zu gelangen, also ein Nettoäquivalenzeinkommen zu erhalten, das weniger als 60 Prozent des äquivalenzgewichteten Medianeinkommens beträgt, um 0.5% erhöht, bei der AFD sind es satte 7.24%.  

Doch was haben die Wahlprogramme konkret zum Inhalt? 

CDU/CSU 

Die Union lehnt eine Steuererhöhung konsequent ab, stattdessen plädiert sie weiterhin für ein Festhalten an der heiß geliebten Schuldenbremse. Feststeht jedoch auch: Laut dem ZEW würden die Reformvorschläge, genauer gesagt die Steuersenkungspläne der Union in der Konsequenz Mehrausgaben in Höhe von 32,6 Milliarden Euro für den Staatshausalt bedeuten. 

Die Union möchte vor allem durch die Abschaffung des Soli Einkommensmillionäre mit 4.7% entlasten. Das ist dreimal mehr als bei den mittleren Einkommen. Sogenannten Geringverdienern wird hingegen nur 0.6% mehr zugestanden, was rund acht Mal so wenig ist, wie bei den Wohlhabenderen.

CDU und CSU planen als Parteien der Mitte eine Entlastung des Mittelstandes, indem sie die Unternehmenssteuer bei 25% deckeln möchte. Hierdurch erhofft sie sich eine Sicherung von Arbeitsplätzen ebenso wie eine Innovationswelle durch mehr Investitionen.

SPD

Wenn es nach dem SPD-Programm ginge, so würden einige Deutsche ein paar hundert Euro weniger an den Staat zahlen müssen. In der Gesellschaftsmitte wären es sogar vierstellige Beträge. Gehört man hingegen zu den Topverdienern in diesem Land mit einem Bruttoeinkommen ab 150.000 Euro aufwärts, so würde es definitiv teurer werden. Grund dafür: Unter anderem ein um 3 Prozentpunkte angehobener Reichensteuersatz, der ab 250.000 Euro für Singles und ab 500.000 Euro für Ehepaare greift. 

Ebenso forciert Deutschlands „Arbeiterpartei“ eine Vermögensteuer, die in Deutschland im Jahre 1997 abgeschafft wurde. Grund dafür war: Das Bundesverfassungsgericht erklärte sie 1995 für verfassungswidrig, weil Grund- und Immobilienvermögen gegenüber anderen Vermögensarten ungerechtfertigt günstiger behandelt wurde.

Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bezeichnete dies als „Unfall“ und kommt im diesjährigen Wahlprogramm mit einer seiner Bezeichnung nach „maßvollen“ Novellierung um die Ecke.  

FDP

Die FDP, die möchte man im Wortlaut ihres Parteivorsitzenden Christian Lindners bleiben, getreu dem Motto „Weniger Staat, mehr Markt“ auf dem politischen Parkett agiert, plant eine Entlastung des anderen Teils der Nahrungskette. Denn hier gilt ab eines Betrags von 30.000, je mehr Einkommen, desto größer die Entlastung. Die hören Einkommensklassen zwischen 250.000 und 2 Millionen Euro brutto werden mit einem steuerlichen Höchstbetrag von 18.467 Euro vor hohen Steuern geschützt. Außerdem möchte die FDP den seit Anfang diesen Jahres nur noch für Besserverdiener geltende rechtlich umstrittenen Solidaritätszuschlag gänzlich abschaffen. Die Haushaltskasse würde laut Einschätzung des ZEWs durch die Reformplänen der FDP jährlich um 87,6 Milliarden Euro geschmälert werden.

Dem Generalsekretär Volker Wissing zufolge, wolle man die enormen Kosten des Wahlprogramms durch Wirtschaftswachstum finanzieren. Idee ist hier ebenso wie bei der Union einen Investitionsschub durch Steuerentlastung zu befeuern. Fakt ist jedoch, dass das Münchner Ifo-Institut kürzlich ermittelt hat, dass selbst wenn das FDP-Konzept zum Senken der Körperschaftsteuer Investitionen und Beschäftigung ankurbeln würde, dem Staat kurz-, mittel- und langfristig zwischen sieben und 14 Milliarden Euro jährlich fehlen würde.

Linke 

Wenn man die Aussagen und das Wahlprogramm der Linken näher unter die Lupe nimmt, so fällt auf, dass der Staat, sofern er ein börsennotiertes Unternehmen wäre, wirklich ein gutes Investment wäre. Denn hier würden jährlich bis zu 36,8 Milliarden Euro zusätzlich in die Haushaltskasse gespült werden. Wer sich nun fragt, wo das Geld herkommt, wird schnell auf kreative kommunistische Steuermodelle der Linken stoßen. Feststeht: Arbeit und Leistung wird hier zum Allgemeingut. So hat man mit einem Jahreseinkommen von bis zu 10.000 Euro im Jahr ganze 1.211 Euro mehr in der Tasche. Die Topverdiener mit einem Jahreseinkommen ab 250.000 Euro aufwärts müssten ab 55.779 Euro im Jahr von ihrem Verdienst abdrücken. Nach den Berechnungen des ZEW, hätten Alleinerziehende mit zwei Kindern gemäß des linken Programms bei einem Einkommen ab 20.000 Euro 3.680 Euro mehr in der Tasche. Ab einem Einkommen von 120.000 Euro wären es jedoch 7.950 Euro weniger in der Familienkasse. 

AFD

Die AFD hat ebenfalls große Reformpläne jedoch gehen diese in die komplett andere Richtung. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei möchten diverse Steuern abschaffen. So würden laut eigener Aussagen zum Beispiel die Energiesteuer, die Schaumweinsteuer, die Biersteuer, Gewerbesteuer oder die Zweitwohnsitzsteuer abgeschafft. Was für den ein oder anderen auf den ersten Blick verlockend klingen mag ist ein Fass ohne Boden, denn hierdurch würde ein Loch von 52.5 Milliarden Euro in die Staatskasse gerissen werden. So hat das ARD-Magazin Kontraste auf Basis der ZEW-Zahlen errechnet, dass die AFD-Traumfamilie mit arbeitendem Familienvater und einer Mutter, die sich um Haushaltsarbeiten kümmert bis zu einem Haushaltseinkommen von 40.000 Euro lediglich 21 Euro mehr zur Verfügung haben. Bei einem Haushaltseinkommen ab 300.000 Euro dürfen sich die Betroffenen jedoch über 42.620 Euro mehr freuen.

Betrachtet man das übliche Wählerklientel der AFD, so lösen diese Zahlen Verwunderung aus. Denn laut der Bundeszentrale für politische Bildung sind beispielsweise die AFD Wähler im Westen vor allem solche Personen, die ein unterdurchschnittliches Haushaltsaufkommen aufweisen und/oder einer Tätigkeit in der Industrie nachgehen. Ferner machen Arbeiter und Arbeitslose ein Viertel der Gesamtwählerschaft aus. Wer die AFD wählt, macht also in finanzieller Hinsicht sein Kreuzchen für das gutverdienende Establishment und erteilt Aufstiegsmöglichkeit für Menschen mit einem nicht so privilegierten sozialen Background eine Absage.

Die Grünen

Die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sorgte bei dem TV-Triell vergangene Woche mit dem programmatischen Satz: „Kitas sollten zu den schönsten Orten werden“ sicher für ein wohliges Gefühl bei einigen Familien. Doch wie spiegelt sich dieser familienfreundliche Ansatz in dem Wahlprogramm wieder?

Die Armutsrisikoquote würde durch das Grüne Reformprogramm laut dem ZEW um 26.5% gesenkt werden, was sogar noch stärker wäre als bei den linken Konkurrenten. Hier würden sicherlich einige von Kinderarmut betroffene Kinder in Deutschland aufatmen. Fakt ist jedoch auch, dass laut dem ZEW Alleinerziehende mit zwei Kindern weniger Geld in der Tasche hätten, als es die Linken oder aber auch die FDP forcieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Auch in diesem Wahlkampf bleiben alle Parteien ihren üblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prinzipen treu. Die jüngst in der großen Koalition zu zusammengeschmolzenen parteipolitischen Markenkerne von SPD und Union haben sich spätestens in ihren aktuellen Wahlprogrammen wieder gehörig auseinanderdiffundiert. Die finanziellen Modelle der verschiedenen Parteien sind so unterschiedlich, dass es spannend bleiben darf welche Parteien, sofern sie ihren Wahlversprechen treu bleiben möchten, hier eine handlungsfähige Koalition bilden können und auch möchten. Denn erinnern wir uns zurück an die letzten Koalitionsverhandlungen im Jahre 2017, so gibt es mindestens einen potenziellen Koalitionspartner, der das Credo pflegt: „Lieber nicht regieren als falsch regieren“.

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.