© Konstantin Lotter / Trustventure
STARTUP

„Wie gründe ich eigentlich ein Startup?“ Konstantin Lotter von Trustventure im Interview

von Pauline Brinkmann

Wir haben mit Konstantin Lotter von Trustventure zum Thema Gründung gesprochen, er lieferte uns spannende Insights zu Themen, wie der Finanzierung in der Frühphase, Risiken bei der Investorensuche und häufigen Fehlern in der Anfangszeit. Trustventure ist eine Unternehmensberatung mit Fokus auf die Startup und Venture Capital Industrie. Mit „CFO-as-a-Service“ unterstützt Trustventure bei dem Management von Finanzierungsrunden und Due Diligence Prozessen sowie der finanzwirtschaftlichen und strategischen Beratung von Gründerteams. Konstantin hat während seines International Business Studiums bereits drei Jahre in einem Startup gearbeitet. Heute berät er selbst Gründer, evaluiert mit ihnen gemeinsam ihre Ideen und unterstütz sie zusammen mit seinem Team bei Finanzierungsprozessen.

Fangen wir doch direkt mal mit dem Umriss deines Tätigkeitsbereichs an. Ab wann kann man tatsächlich von einer Unternehmensgründung sprechen?

Die Gründung eines Startups beginnt häufig schon lange vor der rechtlichen Unternehmensgründung. In dieser Zeit arbeiten Gründer*innen an ihrer Idee und ermitteln das Potential dieser. Diese Phase ist eine wichtige für den späteren Aufbau des Unternehmens, da hier essenzielle Grundbausteine gelegt werden.

Könnte ich bereits vor der offiziellen Gründung auf Investorensuche gehen?

Dies ist sogar in einigen Fällen empfehlenswert. Schon vor der rechtlichen Gründung und dem damit einhergehenden Behördenmarathon sollten sich Gründer*innen intensiv mit ihrer Unternehmensplanung auseinandersetzen. Es gibt zahlreiche Investoren am Markt, die vorzugsweise in frühphasige Unternehmen investieren. Dafür darf jedoch eine verlässliche Unternehmensplanung und Unternehmenspräsentationen wie ein Pitchdeck nicht fehlen. Gründer*innen sollten jedoch beachten, dass für die tatsächliche Investition idealerweise eine eingetragene und rechtlich gegründete Gesellschaft vorhanden sein sollte.

Welche Investorentypen gibt es denn überhaupt?

Es gibt zahlreiche Investorentypen im Startup-Ökosystem für alle Entwicklungsstadien eines Unternehmens. Die frühphasigsten Investoren sind „Business Angels“. Dies sind oft vermögende Privatpersonen, welche in Vergangenheit selber erfolgreich Unternehmen gegründet und verkauft haben und nun mit ihrem Kapital und Know-How junge Startups unterstützen wollen. 

Darüber hinaus gibt es Venture Capital Fonds. Dies sind institutionelle Investoren welche in schon marktreife Startups investieren. In der Unterscheidung zu Business Angels investieren VC Fonds nicht mit ihrem privaten Geld, sondern mit dem Dritter Investoren. Diese so genannten Limited Partners (LPs) erwarten von der Investition in einen Venture Capital Fonds hohe Renditen, weshalb VC Fonds nur in vielversprechende Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial investieren.

Für spätere Finanzierungsrunden kommen unter Umständen auch Corporates und größere Private Equity Gesellschaften in Betracht. Erstere verfolgen mit der Investition in Startups in der Regel strategische Motive, wie die Erweiterung des eigenen Produktportfolios, oder den Zugriff auf neue Kundengruppen. Hierzu ist häufig eine vollständige Übernahme das langfristige Ziel einer solchen Investition. Für Gründer*innen gilt es daher vor einer Zusammenarbeit mit diesen strategischen Investoren zu verstehen, mit welchem Interesse diese ihre Investition tätigen. 

Wie wichtig ist Mentoring und wie finde ich den passenden Business Angel?

Das besondere an Business Angels ist, dass sie weit mehr als nur Kapital investieren. Diese Art von Investor ist oft daran interessiert, eng mit dem Gründerteam zusammenzuarbeiten und mit Erfahrung, Know-How und Netzwerk zu unterstützen. 

Während der Suche nach dem passenden Business Angel lohnt sich oft der Blick in ein regional tätiges Business Angel Netzwerk. Dies ist häufig der erste Anlaufpunkt für kapitalsuchende Gründer*innen. Jedoch muss beachtet werden, dass Business Angels zahlreiche Nachrichten von kapitalsuchenden Gründer*innen erhalten, daher ist für den ersten Kontakt eine umfangreiche Vorbereitung und ein gut ausgearbeitetes Pitchdeck von Vorteil. Idealerweise erfolgt die Kontaktaufnahme über das Intro eines gemeinsamen Kontaktes, eine kalte E-Mail mit der simplen Frage nach einem Gespräch reicht in den meisten Fällen nicht aus.

Nach welchen Kriterien wird für ein Startup nach Investoren gesucht?

Das erste Kriterium ist ganz klar die Unternehmensphase und die gewünschte Investitionssumme. Wenn ein Startup beispielweise, noch in der Ideenvalidierung steckt und nach 100.000 EUR sucht, um die Technologie zu bauen, ist ein Investment von bspw. 2-3 Business Angels passend. Venture Capital Fonds investieren in der Regel oft erst ab einer Ticketsize von >100.000 EUR. 

Wenn die Art des Investors klar ist, orientieren wir uns an der fachspezifischen Spezialisierung des Business Angels. Business Angels investieren häufig in Branchen und Geschäftsmodelle, in welchen sie selber tätig waren und am besten helfen können.

Achten Investoren heutzutage mehr auf Nachhaltigkeitsaspekte?

Mittlerweile gibt es zahlreiche Venture Capital Fonds die ausschließlich in Startups investieren, welche eine nachhaltige Geschäftsidee verfolgen. Man muss jedoch beachten, dass das Ziel eines solchen Fonds die Unternehmensveräußerung ist. Daher sind Non-Profit Unternehmen eher ungeeignet.

Wie gehen Investoren bei ihren Investmententscheidungen vor? Gibt es da einen gängigen Prozess?

Die Evaluierung eines Startups ist ein häufig längerer Prozess. Investoren erhalten täglich zahlreiche Anfragen und Pitchdecks von unterschiedlichsten Startups. Da sie jedoch nur in eine begrenzte Anzahl von Startups investieren können, müssen sie aus vielversprechenden jungen Unternehmen die, mit dem größten Potential rausfiltern. 

Nach einem ersten Kennenlernen und Pitchtermin zwischen Gründerteam und Investoren steigen die Investoren in ihre eigenen Detailanalyse ein. Dabei prüfen sie Bereiche wie den Markt, Produkt, verschiedene Metrics und das Gründerteam. 

Wenn die Investoren nach dieser Analyse zu dem Schluss kommen, dass das Unternehmen ein guter Investment Case sein kann, vereinbaren sie ein erneutes Treffen mit dem Gründerteam, um ein detaillierteres Verständnis über das Unternehmen zu erlangen und mögliche Rückfragen zu stellen. 

Der nächste Schritt ist eine ausführliche Due Diligence (finanzielle, technologische, steuerliche und rechtliche Prüfung) und Term Sheet Unterzeichnung.

Ist es gelegentlich unsinnig für ein Startup mit einem bestimmten Investor zusammenzuarbeiten? Wann würdest Du davon abraten?

Gründer*innen sollten sich vor der Ansprache eines Investors bewusst machen, welche langfristigen Ziele dieser verfolgt, um in der späteren Zusammenarbeit harmonierende Interessen sicherzustellen.

Ein Venture Capital Fond wird beispielsweise, entsprechend seiner Ausrichtung, bei werttreibenden Entscheidungen immer auf den Weg mit dem höchsten Wachstumspotenzial pochen (häufig auch die Entscheidungen mit dem höchsten Risiko), um seine Renditeerwartung erzielen zu können. Darüber hinaus wird ein VC immer einen Exit anstreben, um die aus dem Wachstum des Beteiligungsunternehmens generierten Erträge zu realisieren.

Sollte mit der Gründung das Ziel des langfristigen Haltens und vielleicht sogar der Vererbung einhergehen, ist ein Venture Capital Fond möglicherweise nicht als Kapitalgeber geeignet. 

Welche Kriterien muss ein Startup, beziehungsweis ein potenzieller Gründer erfüllen damit Ihr auf Investorensuche geht?

Bei frühphasigen Unternehmen, welche die erste Finanzierungsrunde anstreben, ist der größte Faktor sicherlich das Gründerteam. Darüber hinaus ist die Marktgröße und eine vorhandene, plausibilisierte Wachstumstory relevant. Natürlich müssen auch wir von der angebotenen Leistung beziehungsweise dem angebotenen Produkt begeistert sein.

Was ist für mich als Gründer wichtig, im Hinblick auf die Zusammenstellung meines Teams? Ist es ein Fehler mit Freunden zu gründen?

Es ist sicherlich kein Fehler mit Freunden zu gründen. Jedoch sollten Gründerteams darauf achten, dass die Fähigkeiten und Interessengebiete komplementär sind und langfristig die gleichen Ziele und Werte verfolgt werden.

Wie finden Gründer in der Regel zusammen? Gibt es da gute Anlaufstellen?

Es gibt zahlreiche regionale Gründernetzwerke. Dort finden Gründungsinteressierte und Gleichgesinnte zusammen, um zu Netzwerken und sich auszutauschen. Ich würde jedem empfehlen diese Events regelmäßig zu besuchen und in den Austausch zu kommen. 

Darüber hinaus gibt es mittlerweile diverse Plattformen, welche einen intensiven Austausch zwischen Gründer*innen fördern und Gründungswillige zusammenbringen. 

Gibt es eventuell einen Bereich, wo Du noch besonders viel Gründungspotenzial siehst?

Jede Woche gibt es zahlreiche, innovative Neugründungen in den unterschiedlichsten Branchen. Ich würde nicht sagen, dass eine Branche oder eine Nische jemals gesättigt ist, da immer Raum für Innovation besteht. 

Was würdest du einer gründungswilligen Person raten? Wo sollte sie ansetzen?

Der erste und wichtigste Schritt ist es, Struktur in seine Idee zu bringen. Dafür würde ich im ersten Schritt zu der Erstellung eines Pitchdecks raten. Im Internet findet man dazu zahlreiche Vorlagen. Durch die Erstellung des Pitchdecks werden Gründer*innen dazu gezwungen, sich mit allen relevanten Unternehmensbereichen detailliert auseinanderzusetzen, wie beispielsweise Produkt, Markt, Wettbewerb und Business Model. 

Darüber hinaus ist der Austausch mit anderen Gründer*innen, potentiellen Kund*innen und Branchenexpert*innen essentiell. Nur durch stetiges Feedback gelingt eine Idee zu plausibilisieren. 

Außerdem gibt es viele hilfreiche Lektüren, wie beispielsweise:

The Lean Startup: How Today’s Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Zero to One: Notes on Startups, or How to Build the Future Startup 

Finanzierung: Dein Insider-Guide: Praxis-Tipps von Investoren für Gründer*innen und Gründer

Der Weg zu den besten: Die sieben Management-Prinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg

Kopf schlägt Kapital: Die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen, 

Von der Lust, ein Entrepreneur zu sein

Was sind die beliebtesten Fehler? Woran scheitern Gründer am häufigsten?

Zu Beginn muss jedem Gründerteam bewusst sein, dass eine Idee nicht gleich ein Geschäftsmodell ist. Bevor die nächsten Schritte gegangen werden, wie beispielsweise die rechtliche Gründung oder die Erstellung einer Webseite, ist es essenziell herauszufinden, ob die Idee auch auf monetarisierbare Nachfrage trifft. 

Ein weiterer, oft tödlicher Fehler ist es, während der Ideenstrukturierung zu wenig Feedback einzusammeln. Wir erleben es häufig, dass Gründer*innen sich sehr tief und detailliert mit ihrer Thematik und Technologie beschäftigen, ohne jemals das Grundkonzept durch Kundengespräche validiert zu haben. Es ist ein noch weitverbreitetes Phänomen, dass Gründer*innen denken, dass sie das Produkt vollständig entwickelt haben müssen, bis sie an Kunden und den Markt herantreten können. Das kann im Nachhinein viel Geld und Zeit kosten.

Des Weiteren beschäftigen sich Gründer*innen oft viel zu spät mit der Investorensuche und schätzen den Prozess und damit verbundenen Aufwand falsch ein. Eine Finanzierungsrunde einzusammeln, dauert oftmals, vor allem als First-Time-Founder, länger als 4 Monate und nimmt viel Zeit in Anspruch. 

Daher ist eine solide Finanzplanung wichtig sowie das zuverlässige Wissen über die Cash Run Rate, das heißt, wie lange das Unternehmen mit der aktuell vorhandenen Liquidität noch auskommt. Grundsätzlich gilt, dass es sinnvoll ist, sich frühzeitig auf die Finanzierungsrunde vorzubereiten und diese mit hohem Fokus umzusetzen.

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.