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GENERATION Z

Was kostet das perfekte Leben in der Generation Z?

von Pauline Brinkmann

Was kostet „perfekt sein“ Nowadays? Diese Frage habe ich mir gestellt, nachdem ich auf LinkedIn mal wieder überflutet wurde von einer Masse an Posts über Masterabschlüssen an „Top“-Universitäten gepaart mit dazugehörigen Dokumentationsreihen auf Instagram, wo die besagten Personen ihren „After-Uni-Ibizatrip“ vom ersten Bio-Soja-Hafer-Mandel-Kaffee am Morgen bis zum letzten Gin am Abend festhielten. 

Klar ist: Bescheidenheit ist augenmerklich keine angesagte Tugend mehr. Alles was wir neu haben muss ins Internet, egal ob die neue Handtasche oder der neue Titel. Wir gehen davon aus, dass alles was wir treiben die Weltgeschichte interessieren sollte. Viel schlimmer noch: Manchmal scheint es so als würden wir gewisse Dinge nur tun, gerade weil wir vermuten, dass es das ist, was die Weltgeschichte interessieren wird. Doch was sind diese Dinge, die wir glauben tun zu müssen, um im Kreise unserer Altersgenossen „perfekt“ zu wirken?  

Und wollen wir damit ablenken von der Tatsache, dass wir zu bequem sind, um uns individuelle Ziele zu stecken und diese mit unserem ganz eigenen Weg zu verfolgen? Ist es out geworden durch besondere Leistungen und spannende Visionen aufzufallen, statt durch altbekannte Lebensläufe? Maybe.   

Nun ja die Reise zur Insel der Perfektionisten beginnt, wenn nicht schon während der Schulzeit, dann spätestens mit dem Tag unseres Abiturs, und falls das nicht schon bilingual ist, beziehungsweise wir nicht spätestens in der zehnten Klasse bereits ein Jahr im Ausland verbracht haben – was wirklich schade wäre – dann können wir mit dem Improvement unserer Englischkenntnisse immerhin am nächsten Tag im Flugzeug auf dem Weg nach Australien beginnen. Denn hier werden wir uns erstmal redlich von der Schulzeit erholen und mit 50.000 anderen deutschen Schulabschließern das obligatorische „Work-and-Travel-Jahr“ verbringen.    

Für gesellschaftliches Engagement setzten wir uns ebenso lieber ins Flugzeug als in den nächsten Bus. Doch warum helfen wir lieber in entfernten Ländern als zuhause? Abgesehen von der Tatsache, dass die Generation Z richtigerweise erkannt hat, dass es wichtig ist ein Bewusstsein dafür zu haben, welch große Probleme in anderen Ländern bestehen und es ein wahnsinniges Privileg ist, in einem solche friedlichen Land wie zum Beispiel Deutschland aufzuwachsen, lässt uns zugleich das häufig damit einhergehende Bombardement von Posts der besagten „Volunteers“ vermuten, dass bei einigen die Darstellung ihres Tuns im Vordergrund stehe. Denn es mag für meine Altersgenossen imposanter klingen, wenn ich erzähle – sei es in Bildern oder Worten – dass ich eine Schule in Afrika gebaut habe, statt zu erwähnen, dass ich dem Kevin zwei Jahre lang dreimal die Woche kostenlos Nachhilfe gab und ihm auf Grund dessen ein erfolgreicher Schulabschluss gelang. 

Doch was erwartet uns nach der Schule und unserem heiß geliebten Gap-Year? 

Es ist großartig was Corona alles möglich gemacht hat! Denn die Top-Universität unter der Sonne hat plötzlich unglaublich viele schlummernde Talente innerhalb Deutschlands entdeckt. Die Rede ist von Harvard. Während der ein oder andere an Corona schier verzweifelte und sein Studium in Deutschland pausieren musste, haben die Spitzensportler unter den Zlern mal eben so einen Abschluss an der Harvard Business School erworben. Beeindruckend! Dass das Aufnahmeverfahren dort – sofern man es so nennen kann, denn es gibt in diesem Fall tatsächlich keines, sondern lediglich ein Anmeldeformular – rein gar nichts mit dem eines Studiums an der Harvard Universität gemein hat, muss ja erstmal niemand wissen. Hauptsache wir können uns diesen wichtigen Schritt in den Lebenslauf schreiben und im Internet über die „krasseste“ Erfahrung unseres Lebens philosophieren. Würde ich meinen Großeltern erzählen, dass ich die „krasseste“ Erfahrung der letzten 23 Jahre an meinem Schreibtisch gemacht habe, so hätten sie wahrscheinlich endgültig den Glauben an meine Generation verloren. 

Feststeht: Seitdem die Generation Z LinkedIn für sich entdeckt hat, gibt es mindestens 10.000 Betriebe mehr in Deutschland. Warum? Na irgendwo müssen die ganzen „Young Entrepreneurs“ und „CEOs“ ja arbeiten. Klar ist uns jedoch auch: Titel darf man sich nicht anmaßen, dafür mussten wir erstmal zwei Wochen lang den dazugehörigen Onlinekurs für 5.000 Euro absolvieren. Natürlich lernen wir innerhalb dieses streng selektierten Kreises der Intelligenzelite in der Regel auch unsere Co-Founder kennen. 

Aber Gründen alleine reicht nicht mehr, oder wie soll ich in zehn Jahren gebührend meine Geschäftspartner empfangen? Die Leistungsträger der Zler sind Kosmopoliten und lernen erstmal noch besondere Sprachen, bevor sie einen Fuß in die Arbeitswelt setzen. Platz 1 teilen sich aktuell Mandarin und Russisch. Wo sie das lernen? In einem Onlinekurs natürlich. Der geht auch nur zwei Wochen. Gleichwohl steht auf dem Zertifikat, welches ich im Anschluss für 3.000 Euro erwerben kann: herausragende Kenntnisse in Wort und Schrift, also seis drum! Damit sich der„Effort“ tatsächlich rentiert, dürfen unsere Grundschulfreunde anschließend auf unserem LinkedIn-Profil uneingeschränkt die Klaviatur unserer Sprachkenntnisse bewundern. 

Doch auch in unserem Privatleben lassen wir den Perfektionismus nicht hängen. 

Die Digitalisierung und die in diesem Zuge immer wichtiger gewordenen Sozialen Medien treiben uns mit Hilfe von Influencern in Bubbles also homogenisierte Herde zusammen. Denn wir folgen ihnen nicht nur online gerne auf ihren Reisen, sondern endlich auch in Persona. Doch was sind diese super angesagten Hotspots, deren WLAN wir mindestens einmal in unseren wilden twentys mit unseren Benutzerdaten versorgt haben sollten? Vor Corona kam der Musthave Stempel im Reisepass definitiv von den Malediven, wobei es im schlimmsten Fall natürlich auch ein Bild aus Positano im öffentlichen Insta-Reisealbum tat. Während der letzten zwei Jahre hat sich dieser Trend jedoch ein wenig – weiterentwickelt kann man bei dieser Destination guten Gewissens leider nicht behaupten – aber sagen wir mal verändert. Nun ist das Go-to-Ziel Dubai, die Einen kennen es von Instagram, die Anderen von Amnesty International. 

Doch wenn wir gerade nicht auf irgendwelchen sehenswerten Reisen rumtingeln, versorgen wir unsere Follower natürlich auch mit Content, denn auch unser Alltag lässt sich sehen. Tagsüber düsen wir auf unserem gemieteten E-Roller durch die Großstadt und treiben uns – wahlweise nach dem morgendlichen Yoga oder in der Lunchbreak – in coolen Cafes mit glutenfreiem Kuchen rum. Abends teilen wir Bilder aus der hippen Bar um die Ecke die wahnsinnig rustikal wirkt, in der wir aber voller Dankbarkeit den doppelten Preis zahlen, damit wir unseren Espresso Martini aus regional hergestellten Blumentöpfen mit einem Schuss Matcha Tee und einem Topping von Hafersamen aus dem Nudelstrohhalm genießen dürfen. Herrlich!  

Danach gehen wir dann in unser perfekt eingerichtetes Zuhause.   

Tatsächlich sehen die meisten Wohnungen der Zler sehr ähnlich aus. Denn wir verfolgen mit Zimmerpflanzen bemalten Samtscheuklappen den Stil, den uns eine selbsternannte Geschmackselite auf Instagram anpreist. Und bei Preisen sind wir auch schon auf dem richtigen Pfad. 

Dennoch erschöpft sich unser Gestaltungsdrang nicht nur an unserem Sofa. Wir selbst kleiden, bemalen, piercen uns: „sustainable“. Denn Nachhaltigkeit ist uns wichtig und das ist gut so. Leider schlägt dieser fortschrittliche Ansatz jedoch häufig fehl, da viele annehmen, dass der Kauf eines „nachhaltigen Pieces“ ihr sonstiges Fast-Fashion-Kaufverhalten legitimieren würde.   

Wo sich Unternehmen für Werbezwecke früher Plakatwände oder ähnliches mieten mussten, ersetzen wir diese als wandernde Litfaßsäulen, heute für viel Geld selbst. Aber Achtung hier zahlen nicht die Unternehmen, sondern wir, und das mit allergrößtem Vergnügen und unsagbarer Dankbarkeit, denn die Produkte wurden uns schließlich von unseren „Influencer-Freunden“ auf Instagram empfohlen. Ganz nach dem Motto: Mehr ist mehr, triumphieren wir Zler in übergroßen Hoodies und sogenannten „Ugly Sneakern“ mit groß aufgedruckten Logos Beifall heischend durch Deutschlands Innenstädte. Jeder soll sehen, wie teuer das neue It-piece war, beziehungsweise wie viele Nächte wir dafür vor dem Ladeneingang campiert habe. Das teuer nicht gleich schön bedeutet, wird uns an dieser Stelle ungefragt vor Augen geführt. 

Damit uns die It-Pieces auch wie angegossen passen, strampeln wir uns 1-22 mal am Tag beim Spinning auf dem Fahrrad ab oder machen ein „Homeworkout“ mit Pamela und Caro. 

Doch das perfekte Outfit reicht nicht aus, um unseren „perfekten Look“ zu komplementieren, denn auch wir selbst sollen glänzen. Die ganzen Filter auf den Sozialen Medien, suggerieren uns eine Perfektion, die so selbstverständlich in der realen Welt nicht existiert. Es hat nun mal fast niemand eine aalglatte porenfreie Haut und Wimpern mit einer Dichte, auf die die deutschen Wälder neidisch werden würden. Aber selbstverständlich liegen auch hier schnelle Lösungen parat, und zwar von Schneckenschleim für die Nacht, bis hin zu Botox-to-go in der Mittagspause. 

Nun zur großen Frage: Wie finanzieren wir den ganzen Spaß? Feststeht, das Rundumpaket können sich nur die wenigsten leisten. Was wir unseren Eltern und Großeltern jedoch voraus haben ist der frühe Berufseinstieg. Ein 10-jähriges Studium gibt es bei uns in der Regel nicht mehr und deswegen fängt die Tilgung unserer Perfektionsschulden auch nicht erst mit 35 an. 

Will heißen: Entweder erwirtschaften wir die Aufwendungen innerhalb der nächsten zehn Jahre einfach mit unserem „Top-Job“ bei der Topberatung, oder wir werden Influencer und haben die Investitionen mit zwei Posts wieder eingefahren. 

Feststeht jedoch auch, dass sich diese ganzen Einzahlungen und das Engagement unsererseits auch gesamtgesellschaftlich auszahlt. Denn die vielen jungen Gründer mit den besagten Masterabschlüssen von den besagten „Top“-Unis sehen sich zu höherem als monetärem Wohlstand berufen und das ist: soziales Engagement und die Gründung nachhaltiger Unternehmen. Wir dürfen uns also auch auf eine Welt freuen, in der zukünftig noch mehr auf unsere Natur geachtet wird, die wir nicht nur wie unsere Großeltern, mit Wanderstiefelabdrücken versehen, sondern um die wir uns nachhaltig kümmern wollen. 

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.