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Was hältst du von...?

Was hältst Du von…Biontech?

von Martin Barwitzki

Die märchenhafte Erfolgsstory aus Mainz liefert täglich neue Kapitel. Doch wie steht es um die Aktie? Worauf ist zu achten, wo liegen die Chancen? ZASTER sagt es Dir.

Glückwunsch: Gestern (17.11.2021) wurden die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin mit dem bedeutenden Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. Neben dem Bundesverdienstkreuz, dem Paul-Ehrlich-Preis und etlichen weiteren, heimsen die beiden Wissenschaftler schon länger verdientermaßen eine Ehrung nach der anderen ein. Auch sonst weiß die Presse Spektakuläres zu berichten: Dank Gewerbesteuerzahlungen von Biontech dürfte sich die hochverschuldete Stadt Mainz in diesem Jahr wohl über einen Haushaltsüberschuss von über 1 Milliarde Euro freuen. Da wundert es nicht, dass die Stadt das Gründer-Ehepaar zu Ehrenbürgern machen will. 

Auch das Unternehmen selbst konnte vergangene Woche mit seinen Zahlen für das dritte Quartal 2021 überzeugen. Bei einem Umsatz von knapp 6,1 Milliarden Euro, lag der Nettogewinn bei 3,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig hob das Unternehmen seine Jahresprognose an: Statt 15,9 Milliarden soll der Covid-Impfstoff Comirnaty nun für Erlöse zwischen 16 und 17 Milliarden Euro sorgen. Mit Blick auf das Gesamtjahr könnte der Nettogewinn mehr als neun Milliarden Euro (!) betragen.

Die Aktie legte in den letzten fünf Tagen um knapp 16 Prozent zu und steht aktuell bei 239,20 Euro. Biontech-Anleger können sich auf Jahressicht über ein Plus von 224 Prozent freuen. Und dennoch dürften einige enttäuscht sein, dass sie sich nicht bereits im August von ihren Anteilen getrennt haben. Denn da erreichten die Papiere ihr bisheriges Allzeithoch von 379,40 Euro. 

Der Abverkauf hatte mehrere Gründe: Einmal natürlich der unglaubliche Kursanstieg selbst, welcher laut nach Überhitzung und Gewinnmitnahmen schrie. Dann sorgte sicherlich auch Kooperationspartner Pfizer mit seiner Ankündigung eines Covid-19-Medikaments für einen Dämpfer. Auch die Expertenmeinung fällt derzeit gemischt aus: Laut Trade Republic-App liegt das durchschnittliche Kursziel für die Aktie bei 275,75 Euro. Die Mehrheit der beobachtenden 16 Analysten (56 Prozent) rät dazu die Aktien zu halten, 38 Prozent sagen „Kaufen“, während 6 Prozent den Daumen für die Titel gesenkt haben. Dementsprechend verwundert es nicht, dass die Papiere bei flatex sehr oft zu den meist gekauften, als auch meist verkauften Aktien gehören.

Schaut man sich die derzeitige Bewertung an, erscheint die Aktie sehr günstig: So wird Biontech an der US-Technologiebörse Nasdaq mit umgerechnet knapp 55,1 Milliarden Euro bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), welches die Relation zwischen dem aktuellen Kurs der Aktie und dem Jahresgewinn pro Aktie bezeichnet, liegt bei knapp 8. Zum Vergleich: Das KGV von Elektroautopionier Tesla liegt beispielsweise aktuell bei 342.

Skeptiker bemängeln, dass Biontech derzeit nur ein Produkt im Angebot hat. Allerdings wird dieses noch in absehbarer Zeit gut laufen. Trotz steigender Konkurrenz und Medikamentenangebot, wird weiter geimpft werden. Während noch immer Milliarden Menschen keine Erstimpfung erhalten haben, stehen in den Industrieländern bereits Booster-Impfungen an. Zudem dürfte der Impfstoff sehr bald für Kinder ab fünf Jahren zugelassen werden. Auch gilt der Impfstoff von Biontech bei vielen Menschen mittlerweile als erste Wahl. Laut Pfizer sollen für das kommende Jahr bereits Bestellungen für 1,7 Milliarden Dosen vorliegen. Berechnet man die moderat gestiegenen Verkaufspreise mit ein, dürfte Biontech 2022 nicht wirklich weniger als dieses Jahr verdienen.

Auf lange Sicht sollte auch daran erinnert werden, dass Biontech nicht gegründet worden ist, um einen Impfstoff für Covid-19 zu finden. Das Ehepaar Türeci/Sahin und die mittlerweile rund 1500 Mitarbeiter wollen nicht weniger als verschiedene Krebserkrankungen heilen. Auch gegen Grippe, Tuberkulose, HIV und Malaria möchte man Impfstoffe entwickeln. Die nötige Finanzkraft besitzt man in Mainz jetzt zumindest, um längere Durststrecken zu überstehen. Bleibt abzuwarten, ob die Anleger auch in puncto Geduld mithalten können.

ein Artikel von
Martin Barwitzki

Martin Barwitzki ist Kolumnist bei Zaster. Der Wirtschaftsjournalist startete seine Karriere mit einem Volontariat bei der Nachrichtenagentur dpa-AFX. Danach war er lange Jahre für das Handelsblatt tätig. Zuletzt war er Redakteur beim FINANCE-Magazin.