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WAS HÄLTST DU VON...?

Was hältst Du von… Amazon?

von Martin Barwitzki

Längst ist der US-Konzern viel mehr als bloß ein Online-Versandhändler. Dennoch konnte die Aktie im Vergleich zu anderen Tech-Aktien zuletzt nicht wirklich auftrumpfen. Lohnt sich dennoch ein Einstieg?

Der Internetriese Amazon gehörte im vergangenen Jahr zu den klaren Corona-Gewinnern. Zwischen März und Juli 2020 konnten sich Amazon-Aktionäre über einen Kurssprung von 1.583 auf 2.821 Euro (!) freuen. Danach ebbte die Euphorie ab und die Aktie verlief eher seitwärts. Neues Feuer konnte auch mit den Zahlen für das dritte Quartal nicht entfacht werden – im Gegenteil: Während der Umsatz von 96 auf knapp 111 Milliarden Euro anstieg, ging der Gewinn von 6,3 auf 3,2 Milliarden US-Dollar zurück. Gleichzeitig musste der neue Amazon-CEO Andy Jassy Ende Oktober den Anlegern verkünden, dass er für das Endkundengeschäft im vierten Quartal mit zusätzlichen Kosten in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar rechne. Als Grund gab er Arbeitskräftemangel, gestiegene Lohn-, Fracht- und Versandkosten, sowie globale Lieferkettenprobleme an. Für das laufende Quartal gehe er daher von einem Betriebsgewinn zwischen 0 und 3 Milliarden US-Dollar aus.

Mit Blick auf das anstehende Shopping-Event Black Friday und dem Beginn des Weihnachtsgeschäfts sprangen die Anleger nun scheinbar dennoch wieder auf den Amazon-Zug auf. Auf Monatssicht (Stand 23.11.21) steht derzeit ein Plus von knapp 10 Prozent, auf Jahressicht etwas über 21 Prozent. Vergleicht man letzteren Wert jedoch mit anderen Tech-Titeln wie Microsoft (+70 Prozent), Apple (+48 Prozent) oder Google-Mutter Alphabet (+78 Prozent) wird der Abstand jedoch sehr deutlich.

Derzeit bestimmen negative Unternehmensmeldungen das Bild. So steht beispielsweise die interne Datensicherheit in der Kritik. Laut Medienberichten sollen Mitarbeiter die Einkaufshistorie verschiedener Kunden eingesehen haben, darunter Promis wie Kanye West. Zudem will die EU mit einem Gesetz über digitale Märkte großen Online-Firmen wie Amazon mit besonderen Auflagen und Pflichten versehen.

Dennoch sollten sich Anleger nicht völlig abwenden. Der langjährige Trend zeigt nämlich weiterhin gesund nach oben. Aus einem 10.000 Euro-Einsatz vor 10 Jahren wären heute über 200.000 Euro (!) geworden. Auch jetzt ist die Marktstimmung unter den Profis sehr optimistisch. Laut der Trade Republic-App liegt die durchschnittliche Kursprognose der 53 beobachtenden Analysten bei 3582 Euro. Das wäre ein Aufwärtspotential von rund 12 Prozent zum aktuellen Kurs von 3211 Euro. Stolze 96 Prozent der Experten rät zum Kauf der Aktie, der Rest sagt „Halten“. Besonders bullish gibt sich die US-Investmentbank Goldman Sachs mit einem Kursziel von 4100 US-Dollar (3.659 Euro).

Experten von Bloomberg Intelligence gehen davon aus, dass Amazon seinen Anteil am weltweiten E-Commerce weiter steigern wird. Waren es im Jahr 2020 rund 13 Prozent, sollen es 2024 bereits 16 Prozent sein. Das Bruttowarenvolumen dürfte dabei über einer Billion Dollar liegen. Noch optimistischer blicken die Experten auf die gewinnträchtige Cloud-Tochter AWS. Deren Umsatz soll sich bis 2024 auf mehr als 100 Milliarden Dollar verdoppeln (2020: 46 Milliarden Dollar), während der operative Gewinn bei rund 33 Milliarden Dollar geschätzt wird. Ebenfalls im Blick behalten sollten Anleger das wachsende Geschäft mit Drittanbietern und Werbung. Bereits in diesem Jahr könnte Amazon mit Werbung 20 Milliarden Dollar umsetzen. Optimistische Beobachter trauen dem US-Riesen in zwei Jahren sogar 30 Milliarden Dollar in diesem Bereich zu.

Noch spekulativer sind die Fantasien rund um eine Abspaltung der Cloud-Sparte AWS mit anschließendem Börsengang. Auch immer wieder sehnlichst erwartet: Ein Aktiensplit. Ein solcher Schritt könnte neue Käufergruppen ansprechen, die sich die Papiere derzeit schlicht nicht leisten können. Zudem könnte die Amazon-Aktie dadurch Einzug in den Dow Jones Industrial halten, was wiederum ETF-Anbieter, die den US-Traditionsindex abbilden, zwingen würden sich mit dem Titel einzudecken.

ein Artikel von
Martin Barwitzki
Martin Barwitzki ist Kolumnist bei Zaster. Der Wirtschaftsjournalist startete seine Karriere mit einem Volontariat bei der Nachrichtenagentur dpa-AFX. Danach war er lange Jahre für das Handelsblatt tätig. Zuletzt war er Redakteur beim FINANCE-Magazin.