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INFLATIONSANGST?

Warum die Inflation für die Politik und die Lebensmittelindustrie ein Wake-Up Call ist

von Pauline Brinkmann

Es ist unstreitig, dass die Inflation, die wir derzeit erleben, genau die Menschen trifft, die in den vergangenen Jahren sowieso schon mit steigenden Mietpreisen und teuerer werdenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen hatten. Dies wurde uns in den vergangenen Wochen mittels Bildern von überfüllten Ausgabestation der Tafel und anderen Anlaufstellen für Bedürftige nahezu täglich bewiesen.

Problematisch ist hierbei, dass nun auch Menschen als „bedürftig“ gelten –  und demnach berechtigt sind solche Hilfsleistungen zu empfangen – die weder in Arbeitslosigkeit noch in Obdachlosigkeit leben. Es ist der Physikstudent aus dem dritten Semester oder der Editor aus der Werbeagentur, der da vergangene Woche in München an der Tafel in der Schlange stand und dem Fernsehteam des ZDFs von gestiegenen Lebensmittelpreisen und einer ungewissen Zukunft erzählte.

Man fragt sich, wie es in einem Land wie Deutschland möglich ist, dass jemand der einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, studiert oder eine Ausbildung macht, sein Essen von der Tafel statt aus dem Supermarkt beziehen muss? Die Erklärung ist, im Gegensatz zu der zugrundeliegenden Problematik recht simpel, sie nennt sich Inflation.

Angesichts solcher Bilder, scheint es, allerdings, als sei die Politik von der Situation selbst regelrecht überrascht worden. Die Energiekrise und der Ukrainekrieg waren in dieser Form tatsächlich nicht genau vorhersehbar, dennoch lag es auf der Hand, dass eine derartige Niedrigzinspolitik, wie sie die EZB in den vergangene Jahren betrieb, über kurz oder lang zu einer Preissteigerung führen wird. Entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen wurden auf politischer Ebene jedoch nicht getroffen. Angst und Schrecken verbreitet in den politischen Reihen derzeit vor allem die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale. Diese soll, so heißt es, mit aller Gewalt vermieden werden.

Dennoch ist klar: Es bedarf einer hinreichenden Kompensation der gestiegenen Lebenshaltungskosten und zwar vor allem für jene, die im Niedriglohnsektor tätig sind oder studieren, beziehungsweise eine Ausbildung machen. Denn hungern oder frieren sollte in Deutschland niemand. Lösungsansätze gibt es dahingehend allerdings bislang wenige. So scheint es, als würden Hilfspakete, wie der Energiekostenzuschuss oder der Tankrabatt ihre Wirkung maximal im Haushaltsplan der Regierung entfalten. Allerdings nicht im realen Leben.

Doch bei all der Tragik gilt es anzumerken: In den gestiegenen Lebensmittelkosten birgt sich in gewisser Weise eine Chance. Was absurd klingt, lässt sich recht simpel erklären. Feststeht: In Deutschland ist weder die Produktion, noch der Konsum von Lebensmitteln besonders nachhaltig. Die Preise für jegliche Lebensmittel, wie Gemüse oder Fleisch oder Milchprodukte, waren und sind nach wie vor zu niedrig. 

Die Lebensmittelpreise hierzulande spiegeln keineswegs die Kosten wieder, die sie für das Klima, unsere Gesundheit, die Umwelt oder auch die Menschen, die in der Branche arbeiten mit sich bringen. Ein besonders trauriges Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Konsum von Billigfleisch. Zuletzt wurde uns im Rahmen der Corona-Pandemie eindrücklich vor Augen geführt, was es heißt in einem großen Fleischbetrieb oder auf dem Spargelfeld zu arbeiten. Wir sahen unter welch widrigen Bedingungen die Menschen, die unsere Fleischtheken im Supermarkt befüllen, arbeiten und leben müssen.

Es ist bereits heute vorhersehbar, dass die Lebensmittelpreise im Zuge immer knapper werdender Ressourcen und einem entsprechenden politische Willen über kurz oder lang deutlich ansteigen werden. Zwangsläufig werden also immer mehr Menschen ihre Ernährungsweise umstellen müssen, sei es aus monetären Gründen oder fehlender Bezugsquellen.

Es ist definitiv der falsche Weg, wenn man darauf hofft, eine Veränderung des Lebensmittelkonsums über eine Lebensmittelarmut zu erreichen, wie wir es im Rahmen  der aktuellen Inflation beobachten können. Allerdings sollte ebenso nicht vergessen werden, dass uns beispielsweise der Fleischkonsum, laut BCG, alleine 100 Milliarden Euro (!!!) pro Jahr kostet. Diese sogenannten externen Kosten werden vor allem die nachfolgenden Generationen tragen müssen und mit einer schlechten Biodiversität und umnutzbarem Boden bezahlen müssen.

Würden diese bislang gemeinschaftlich getragenen Kosten auf den einzelnen Verbraucher, respektive das verantwortliche Unternehmen umgelegt werden, so würde sich vor allem das Fleisch extrem verteuern. Laut Experten wäre der Preis für Rindfleisch hierzulande etwa fünfmal so hoch, der Preis für Schweinefleisch zwei- bis dreimal so hoch.  

Bei all der Tragik sollte zudem nicht vergessen werden, dass die am stärksten Betroffenen gar nicht vor unserer Haustüre leben, sondern in Afrika und Asien. Sie leiden nicht nur unter den teuren Lebensmittelpreisen, sondern ebenso unter den oben genannten Folgen für das Klima und die Umwelt. Leider stehen diesen Menschen allerdings deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung, um diese Verschlechterungen zu kompensieren.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der politische Handlungsbedarf lässt sich nicht mehr umschiffen. Gleichwohl ist es gerade in der Lebensmittelindustrie wichtig die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen und in eine höhere Grundsicherung oder gezieltere Sozialleistungen zu investieren, statt weiterhin enorme Kosten für die Umwelt und das Klima in Kauf zu nehmen. Es bedarf dringend einer sozial-ökologischen Transformation.

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ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.