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Der Blick aus Zürich

Versorger-Aktien stehen hoch im Kurs: Die Rallye ist im vollen Gange  

von Mikey Fritz

Versorger stehen in Europa wieder hoch im Kurs. Die Anleger haben in diesem Jahr wieder begonnen, die Aktien zu akkumulieren. Das Kapital wandert insbesondere innerhalb des Aktienmarktes von den Risk-On-Assets rüber zu den Risk-Off-Assets. Und dafür gibt es auch gute Gründe.

Die Börse geht mit einer unterschwelligen Sorge in die Berichtssaison. Ab Mitte Juli beginnen die Unternehmen, ihre Zahlen für das Juni-Quartal vorzulegen, und das Risiko ist erhöht, dass die Berichte nicht den hohen Erwartungen der Anleger entsprechen. Diese hatten im April sehr nervös auf die neue amerikanische Außenhandelspolitik reagiert, aber im Anschluss an den Sell-off auch schnell wieder zurückgekauft. Dadurch haben die Kurse der meisten Benchmarks und vieler wichtiger Unternehmen keine nennenswerten Risikoprämien eingepreist. Oder anders gesagt: Die Preise setzen voraus, dass die Unternehmen im 2. Quartal keine nennenswerte Schwäche erlebt haben. Dagegen sprechen jedoch zwei Argumente:

Die Euro-Stärke belastet die europäischen Export-Unternehmen deutlich. Durch die aggressive Außenhandelspolitik der Amerikaner ist der US-Dollar stark unter Druck geraten, was den Euro – trotz eines großen Zinsnachteils – in den letzten Monaten stark gemacht hat. In der Spitze bisher eine Aufwertung des Euro um ganze 15 % im Vergleich zum US-Dollar. Das ist eine ausgesprochen starke Bewegung am Devisenmarkt für eine der großen Währungen, insbesondere in diesem kurzen Zeitraum.

Die Auftragseingänge haben sich bei vielen europäischen Unternehmen schwächer als erwartet entwickelt. Bisher hatten wir diesbezüglich nur anekdotenhafte Andeutungen, aber Ende Juni bekommen wir die ersten Warnungen bezüglich des Auftragseingangs heran. Conti und Traton sind hier zwei prominente Beispiele. Beide Konzerne verweisen auf die US-Zölle, die das Geschäft belasten. 

Die Flucht in defensive Branchen ist daher ein logischer Schritt. Insbesondere, wenn die Aktien auch noch moderat bewertet sind, was man über die Risk-On-Aktien, die 2024 und 2025 so stark gelaufen sind, nicht gerade sagen kann. Eine deutliche Akkumulation sehen wir derzeit bei den Versorgern, die im Jahr 2024 überwiegend noch zu den Verlierern an der Börse zählten, aber 2025 immer stärker an Attraktivität gewonnen haben.

Das Kapital sucht nach attraktiven defensiven Investments

Das hat im Kern drei Ursachen: 1) Die Unternehmen bieten auch in schwierigen wirtschaftlichen Lagen ein solides und stetiges Geschäft. 2) Die Bewertungen sind moderat. 3) Die Dividendenrenditen sind immer noch hoch und gewinnen insbesondere im relativen Vergleich zu den Renditen der deutschen Staatsanleihen an Attraktivität, da die Zinsstrukturkurve wieder zu sinken beginnt. 

E.ON ist hier ein klassisches Beispiel. Man konnte den Umsatz zuletzt im März-Quartal um 11 % auf 25,2 Mrd. Euro steigern. Die Profitabilität sank zwar leicht, aber der Rückgang hielt sich mit -9 % auf 529 Mio. Euro nach Steuern und Anteilen Dritter in Grenzen. Auf „bereinigter“ Basis gibt der Konzern sogar einen Gewinn von 1,27 Mrd. Euro (+22 %) an. Man operiert aktuell mit einer Bruttodividendenrendite von 3,5 % bei Kursen um 15,6 Euro. Der Vorstand verspricht ein Dividendenwachstum von 5 %, womit die Rendite für 2025 auf aktueller Basis sogar bei 3,7 % liegen würde. 

RWE hat eine lange Baisse hinter sich. Die Aktien rutschten ab Januar 2024 nach einem langen Seitwärtstrend auf hohem Niveau bis März 2025 ab. In der Spitze verlor der Konzern ein Drittel seiner Marktkapitalisierung, was nicht nur an den schwachen operativen Daten lag, sondern auch an dem aggressiven Investitionsprogramm, das bis 2025 einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag vor allem in erneuerbare Energieproduktion stecken wird.

Die Börse lehnt diese Investments ab, da sie eine unterdurchschnittliche Rendite abwerfen, teilweise defizitär sind. Nachdem RWE dann das Investitionsprogramm um -10 Mrd. Euro kürzte, kam neuer Schwung in die Aktien. Aktuell spekuliert Frankfurt darauf, dass das Investitionsprogramm über die Zeit in reguläre Produktionskapazitäten verschoben wird, und hofft gleichzeitig darauf, dass das Ende der Wirtschaftspolitik der Ampel die Nachfrage nach Strom wieder erhöhen wird. 

Auch andere Länder haben schöne Versorger-Aktien

Die österreichische Verbund war lange sehr gefragt an der Börse Wien. Von 2016 bis 2022 gehörten die Aktien zu den Lieblingen der Anleger und stiegen von 10 Euro auf mehr als 110 Euro. Seitdem erleben die Papiere eine ausgeprägte Baisse, da der Umsatz zwar wächst – zuletzt um 14 % auf 2,3 Mrd. Euro – aber die Profitabilität deutlich niedriger als in der Vergangenheit ausfällt. Aktuell hat sich der Kurs bis auf 66 Euro abgeschwächt, aber schon bei 56 bis 57 Euro stoßen die Aktien auf ihren langfristigen Aufwärtstrend. Die Dividendenrendite liegt aktuell trotz einer deutlich abgespeckten Auszahlung immer noch über 4,1 %. Das lässt sich sehen. 

Solche Probleme kennt die spanische Iberdrola nicht. Der Versorger schüttete für 2024 im Januar 2025 eine Interims-Dividende von 0,231 Euro je Aktie (+14,4 %) aus. Anlässlich der Hauptversammlung wurde die finale Dividende in Höhe von 0,404 Euro je Aktie ausgeschüttet. Für alle Aktionäre, die der Hauptversammlung beiwohnten, gab es zudem 0,005 Euro je Aktie extra. Obendrein performt der Kurs stark. Ein Plus von rund 40 % in den letzten 12 Monaten. Die Anleger schauen hier vor allem auf die zukünftige Entwicklung der neuen Akquisitionen in den USA (Avangrid) und Großbritannien (Electricity North West). 

Fakt ist: Das Kapital hat begonnen zu wandern. Von den chancenreichen Titeln zu den sicheren und defensiven Titeln. Es handelt sich wohlgemerkt um eine Kapitalwanderung innerhalb des Aktienmarktes. Wird die Unsicherheit sehr hoch, können wir auch deutliche Kapitalwanderungen in den Anleihemarkt sehen, was aktuell jedoch nur marginal stattfindet. Wie an den Charts zu erkennen ist, heißen defensiv und sicher, nicht zwangsläufig, dass die Performance schwach ist. Solange das Kapital in die Versorger-Aktien hineinrotiert, können sich die Bewertungen noch deutlich erhöhen. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.