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TOP SECRET

Über Geld spricht man (nicht) 

von Theresa v. Rehlingen-Prinz

Über Geld spricht man nicht. Das hat jeder von uns schon mal gehört. Die meisten Menschen halten sich tatsächlich auch noch heute daran. Sie reden nicht über ihr Einkommen, das Geld, das gespart wurde, den Preis des neuen Autos oder gar des neuen Zuhauses. Dem Ergebnis einer Postbank-Umfrage zufolge ist für knapp 64 Prozent (!) der Deutschen Geld immer noch ein absolutes Tabuthema 

Dieses Tabuthema zieht sich durch alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Geschlecht oder Vermögen. Sie ist auch quer durch alle Bildungs- und Einkommensschichten zu finden. Dabei neigen Befragte mit einem Volks- oder Hauptschulabschluss offenbar eher dazu, finanzielle Dinge für sich zu behalten – hier sind es der Studie zufolge 65 Prozent der Befragten. Etwas offener zeigen sich diejenigen mit einem Abitur- oder Universitätsabschluss. Hier sind es rund 57 Prozent der Befragten, die sich über ihre Finanzangelegenheiten ausschweigen. 

Aber woher stammt dieses Tabuthema?  

Verbreitet ist die Auffassung, dass das Geldtabu von den Briten kommt, die es traditionell als unhöflich ansahen, über Finanzen zu sprechen, so Jodi R. R. Smith von Mannersmith Etiquette Consulting. „Wer wohlhabend war, brauchte nicht darüber zu sprechen, weil er wusste, wie viele Häuser er besaß, welche Autos er fuhr, wie viele Bedienstete er hatte, welche Yachten er besaß und wo er Urlaub machte. So konnte man herausfinden, wie hoch das Nettovermögen war.“

Es galt und gilt auch heute gerade in Familien mit „altem Geld“ als unangenehm, über Geld zu sprechen. Im Gegensatz dazu wäre es für Menschen mit „neuem Geld“ angenehmer, mit hohen Zahlen um sich zu werfen. Die Ablehnung, über Geld zu sprechen, kommt also von privilegierten Teilen der Gesellschaft, welche dann von der breiten Masse übernommen wurde. Hinzu kommt, dass Menschen, die wohlhabend sind, oft Angst davor haben, dass andere es ihnen neiden oder versuchen, davon zu profitieren.  

Das Thema Geld ist aber schon seit Jahrhunderten ein abgelehntes und sogar unreines Thema. Schon im Mittelalter galten Geldgeschäfte als negativ besetzt. “Da Juden vom üblichen Berufsfeld des Handwerkers und Gewerbetreibenden ausgeschlossen waren, waren sie darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt durch Geldgeschäfte, vor allem durch den Geldverleih gegen Faustpfänder und Zinsen zu bestreiten. Die hierdurch bewirkte Verschuldung breiter Bevölkerungskreise verschärfte die bereits bestehenden Aversionen, die sich dann von Zeit zu Zeit in Judenverfolgungen (Pogromen) und -vertreibungen niederschlugen. Dabei dürfte sicher sein, dass innerhalb der Motive, die zu diesen Untaten führten, die materiellen Beweggründe der Schuldner eine ganz zentrale Rolle gespielt haben.” Brockhaus 2004, “Juden – Stellung im Mittelalter”.  

Warum sollten wir dieses Tabuthema in 2022 auflösen?  

 Heute gibt es viele Gründe, warum man über die Wirtschaft und seine eigenen Finanzen sprechen sollte. Ungleiche Gehälter sind ein Kernaspekt. Indem man offen über sein Gehalt spricht, gibt man anderen die Möglichkeit, ein faires Gehalt einzufordern. Außerdem lässt es Arbeitgeber reflektiertere Entscheidungen treffen, da sie zu Transparenz gezwungen sind. 

Ein anderer Aspekt ist die Hilfe von anderen. Damit meine ich keine direkte finanzielle Hilfe im Sinne von Geld oder Assets, aber vielmehr hilfreiche Tipps von finanziell erfolgreicheren Menschen in seinem Umfeld. Da Finanzen so tabuisiert sind, möchte kein Mensch jemanden anderen ungefragt Tipps zu sensiblen Themen geben, auch wenn diese zu großen Veränderungen führen könnten.  

Ein weiterer Grund ist das heutige Finanzsystem. Die Dynamiken innerhalb unseres Finanzsystems sind so komplex, dass die meisten sie nicht durchdringen. Das führt dazu, dass sie ihr Erspartes oder Einkommen unüberlegt und mit wenig Hoffnung entweder direkt ausgeben oder so anlegen, dass sie nicht merken, wie ihre Kaufkraft und somit Mittel schwinden. Monetäre Inflation führt zum Wertverlust unseres Geldes und nur die wenigstens sprechen darüber.  

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es lohnenswert sein kann, mit anderen über Geld zu sprechen – sei es mit einem Bankberater, einem Bekannten, der im Finanzwesen tätig ist oder aber jemand, der die gleichen Probleme hat. Es kann einem dabei helfen, seine Finanzlage zu verstehen und gegebenenfalls zu verbessern. Wenn wir uns mehr mit unserem eigenen Konsumverhalten auseinandersetzen würden, könnten wir einen besseren Umgang mit unseren Ressourcen erlernen und uns vor zukünftigen finanziellen Problemen schützen. Deshalb lasst uns endlich damit anfangen, Finanzthemen zu enttabuisieren.  

ein Artikel von
Theresa v. Rehlingen-Prinz
Theresa ist Kommunikationstrategin und Texterin. Davor arbeitete sie national und international im Venture Capital Bereich. Nebenbei beschäftigt sie sich auch viel mit weniger prominenten Alternativanlagen wie z.B. Kryptowährungen.