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Social media

Twitter kann gut sein: #IchBinArmutsbetroffen

von Isabella Müller-Reinhardt

Twitter kann auch Gutes: #IchBinArmutsbetroffen. Der vielleicht wichtigste Hashtag seitdem es das Internet gibt.

In Deutschland leben über 13 Millionen Menschen in Armut!

13 Millionen Gesichter, 13 Millionen Schicksale, 13 Millionen Geschichten, die wir nicht kennen. 13 Millionen ist eine erschreckend hohe Zahl. Und für viele von uns bleibt es eine Zahl. Ich bin ehrlich: In meinem privaten Umfeld geht es den Menschen gut. Dem einen vielleicht besser als dem anderen. Aber von Armut betroffen ist niemand. Meine Eltern und Schwiegereltern können von ihrer Rente ein sorgenfreies Leben führen. Meine alleinerziehenden Freundinnen kommen auch gut um die Runden. Alle Freunde und Bekannte haben einen Job und verdienen genug Geld, um zufrieden zu sein. Aber sind sie es tatsächlich? Ich denke, ganz egal, wie viel ein Mensch hat, die meisten hätten trotzdem „mehr“.

Mehr Wohnung, mehr Urlaub, mehr Luxus, mehr Eigentum, mehr Auto, mehr Geld.

Es liegt in der Natur der Menschheit, dass wie uns alle immer lieber mit den Klügeren, Schöneren und Reicheren vergleichen. Das mag den ein oder anderen motivieren und anspornen, aber es bleibt ein unendlicher Weg, der im schlimmsten Fall nie glücklich macht. Mein Tipp: Sucht mal bei Twitter nach dem Hashtag #IchbinArmutsbetroffen. Ich mag Twitter. Ich verbring dort jeden Tag viel Lebenszeit. Ich poste wenig, lese und lerne aber täglich viel Neues. Oft muss ich schmunzeln, oft rege ich mich tierisch auf, aber die letzten vergangenen Tage haben mich betroffen und traurig gemacht. 

Da sind sie plötzlich, die Gesichter und Geschichten von einigen der 13 Millionen Menschen, die in Deutschland von Armut betroffen sind. Rentner, Studierende, Hartz-4-Empfänger, chronisch kranke Menschen und Alleinerziehende. Diese Schicksale öffnen Augen, rütteln wach. #IchBinArmutsbetroffen ist das sinnvollste, was Twitter hervorgebracht hat. Und es ist beschämend, dass in einem so reichen Land wie Deutschland, mehr als 16% (!) der Menschen nicht genug zum Leben haben. 

Ich ziehe meinen Hut, vor jedem Einzelnen, der den Mut hat, seine Geschichte öffentlich zu teilen. Hier geht es nicht um Jammern. Es geht darum Aufmerksamkeit zu schaffen für 13 Millionen Menschen, die wir viel zu selten sehen. 

Auf vielen Twitter-Profilen von Betroffenen der #IchBinArmutsbetroffen Kampagne findet ihr Wunschlisten bei Amazon: Nudeln, Batterien, Orangensaft, Duschgel, Bücher, Pflaster, Spielsachen, Kaffee, Strümpfe und vieles mehr. Dinge die für uns selbstverständlich sind und für andere unerreichbar scheinen. Wenn Ihr die Möglichkeit habt, kauft etwas! Und erzählt es gerne weiter. 

ein Artikel von
Isabella Müller-Reinhardt
Isabella Müller-Reinhardt

Die in Madrid aufgewachsene Münchnerin arbeitet seit mittlerweile mehr als zwanzig Jahren als Sportmoderatorin für verschiedene deutsche und englische Fernsehsender. Zu den Stationen Müller-Reinhardts zählen unter anderem ARD, ITV, Sport1, Sky und Arena. Zudem plaudert sie in einem Podcast über „Weiberkram“, schreibt diverse Sportkolumnen und hat mit "Mensch Trainer" im Sommer 2020 ihr erstes Buch veröffentlicht.