Trüffel

von Nikolina Krstinic

Neulich klopfte es an der Tür. Davor stand meine Nachbarin, die in der Wohnung unter der unseren wohnt. Der dunkelbraune Labrador war ihr gefolgt und wartete in heller Erwartung schwanzwedelnd im Halbstock. Durch den Innenhof hallten schon seit einer guten Stunde sanfte Jazzklänge. Ist klar, dass meine frisch vermählten Nachbarn Besuch an einem Freitagabend im Herbst haben. Es wird irgendetwas mit Flügeln geben, dazu wird der Wein vom Weingut irgendwelcher Freunde fließen und zu später Stunde – nach dem Vogel, vor dem Käse – eines dieser typischen Kochbuch-Desserts geben, die uns allen schon bei den Ohren raushängen. Crème Brulée oder Mousse au Chocolat. „Wie kann ich dir helfen?“, frage ich. Und da fragt sie, so ganz entspannt und ohne zu blinzeln, als bräuchte sie nur mal eben einen Liter Milch für die Pfannkuchen: „Sag… leihst du mir mal eben deinen Trüffelhobel?“ Und verzieht dabei keine Miene, meint es vollkommen ernst.

Wenige Minuten später hobelt sie nichtsahnend auf meiner Käsereibe die weißen Trüffel aus dem Piemont.

Ja, das hat sie gefragt. Ob ich ihr meinen Trüffelhobel mal eben leihen kann. nicht finden und ich wollte fragen…“, da steige ich schon aus. Wo bin ich da nur hingezogen, denke ich bei mir. „Nee, habe meinen gerade verlegt, sorry“, sage ich ganz ernsthaft, und muss dabei beschämt zu Boden blicken, damit sie mein verstörtes Augenverdrehen nicht sieht. „Na ja, macht ja nichts“, sagt Jule, „dann bis zum nächsten Mal.“ Ich schließe die Tür, hole meinen Laptop und

ein Artikel von
Nikolina Krstinic
Nikolina Krstinic studierte in Wien und Berlin Kulturwissenschaften, Journalismus und Unternehmenskommunikation. Sie ist als freie Autorin und Journalistin tätig - seit Februar 2018 auch für Zaster.