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Wie glücklich macht Geld?

Tägliche Routinen als positive Eckpfeiler unseres Lebens

von Frank Behrendt

Irgendwann vor Jahren habe ich aufgehört, mich am Montagmorgen zu ärgern. Montag blieb Montag, Staus blieben nervig, schlecht gelaunte Zeitgenoss:innen blieben missmutig. Der Schlüssel lag in mir und der Veränderung meiner eigenen Abläufe. Also begann ich am ersten Tag der Woche antizyklisch mit der Arbeit. Während sich die Karawane früh am Morgen in die Innenstadt quälte, ging ich mit unserem Hund in den nahegelegenen Forstbotanischen Garten.

Nachdem sich das Verkehrschaos gelegt hatte, fuhr ich auf leeren Straßen ins Büro. Seit verstärkt Homeoffice möglich ist, habe ich die Routine der frühen Montags-Hunderunde in freier Natur beibehalten. Weil sie mir gut tut. Im „Fobo“, wie die Anwohner:innen den malerischen Park liebevoll nennen, gibt es einen Hügel. Jeden Morgen kann man dort ein Ritual beobachten: Eine Schar Kinder des nahegelegenen Waldkindergartens marschiert im Gänsemarsch gemeinsam mit ihren Betreuer:innen hinauf, sie bilden einen Kreis und singen ein Lied. Anschließend schultern sie ihre kleinen Rucksäcke und wandern hinter dem großen Bollerwagen in den Wald, neuen Abenteuern entgegen.

Routinen sorgen nicht nur bei den Waldzwergen für Orientierung in ihrem Tagesablauf, auch bei uns Erwachsenen haben sie ihren Sinn. „Routinen sind wichtig, damit wir das schaffen, was wir uns vorgenommen haben“, gab mir mein früherer Coach Bertold mit auf den weiteren Lebens- und Berufsweg. Ich habe auf ihn gehört und es war definitiv kein Fehler.

Viele erfolgreiche Menschen schwören schließlich auf Routinen im Alltag. Amazon-Gründer Jeff Bezos setzt sehr stark auf immer gleiche Abläufe, die ihm Struktur und Sicherheit geben. Er achtet zum Beispiel darauf, mindestens acht Stunden zu schlafen, räumt morgens gerne auf. Zudem hat er für sich festgestellt, dass er herausfordernde Aufgabenstellungen am allerbesten morgens um 10 Uhr erledigen kann. Diese „Decision-Making-Hour“ ist ihm heilig und wenn man sich seinen Weg anschaut, hat er vieles in dieser Stunde richtig entschieden.

Die berühmte Morgen-Routine hat auf Instagram einen eigenen Hashtag, unter dem viele Menschen ihre Start-In-Den-Tag-Rituale teilen. Für mich ist es der allererste Espresso, den ich traditionell am frühen Morgen draußen genieße. Er sorgt bei mir für die positive Programmierung und das Gefühl, dass der Tag nicht schlecht werden kann, weil ich den besten Moment schon hatte. Der Rest wird gut, auch weil ich es will. Natürlich bin auch ich nicht gefeit von Nervensägen und unerfreulichen Vorkommnissen, aber die lassen sich besser verarbeiten, wenn die Routinen als Eckpfeiler eines guten Tages ein verlässliches Gerüst positiver Momente bilden.

Mittags ist es fast immer das gemeinsame Essen mit meiner Frau und den Kindern, übrigens einer der Gründe, warum mich kaum noch etwas ins Büro zieht und ich das Homeoffice bevorzuge. Diese gemeinsamen Rituale des familiären Zusammenseins hätte ich dann weniger, die Impulse dieser Gespräche würden mir auch für meinen Job fehlen. Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass viele Routinen, die wir über Jahre verinnerlicht hatten, plötzlich nicht mehr durchführbar waren. Das mag bei vielen erst einmal erschreckend gewesen sein, bietet aber auch eine Chance und die Möglichkeit, aus dem alten Trott auszutreten und neue Gewohnheiten einzuführen.

Positive Rituale sind zudem oft mit einer Belohnungsmethodik verbunden. Zum Beispiel der leckere Kaffee nach dem Aufstehen, oder das Yoga- oder Meditationsbreak nach erledigter Arbeit. Routinen stellen sich allerdings nicht über Nacht ein, in der Regel dauert es rund zwei Monate, in denen man immer wieder die gleichen Abläufe zelebriert, bis sie in Fleisch und Blut übergehen. Es gibt allerdings auch die Gegenseite, Routinen, die sich eingeschlichen haben im Laufe der Jahre. Partner, die aus zwei eigenen Haushalten in eine gemeinsame Wohnung zusammenziehen, wissen ein Lied davon zu singen.

Viele von uns haben berufsbedingt den Kopf so voll, dass sie auch nach Feierabend schlecht abschalten und vielfach nicht einschlafen können. Auch dafür empfehlen Psychologen Routinen, die einen bewussten Gegenpol setzen. Meine ist „ebenso trivial wie genial“, wie mein ehemaliger Coach Bertold immer sagt. Ich höre vor dem Einschlafen jeden Abend eine Folge meiner Lieblings-Hörspiel-Serie der drei Fragezeichen, an denen ich schon als Kind Freude hatte. Nach ein paar Minuten in Rocky Beach schlafe ich ein, das Ende der Folge erlebe ich an keinem Abend. Bei einem Fantreffen der riesigen drei???-Community stellte ich kürzlich erfreut fest, dass ich mit dieser Routine nicht alleine bin. Justus, Peter & Bob sind nach 216 gelösten Fällen nicht nur routinierte Detektive, sondern auch die perfekte Einschlafroutine.

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.