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STEUERWISSEN

Steuerprüfung: Wie gerechtfertigt ist die Angst vor einer Prüfung?

von Christian Dobner

Beginnen wir zunächst mit einer Statistik: Von ca. 8,5 Millionen Betrieben in Deutschland wurden zuletzt rund 150.000 Betriebe von den Finanzämtern geprüft. Das entspricht einer Quote von aufgerundet lediglich 1,8 %.

Die Zahl gibt zunächst wenig Grund zur Besorgnis. Dies wäre jedoch zu einfach, denn je größer der Betrieb, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit geprüft zu werden. Laut der von dem Bundesfinanzministerium zuletzt veröffentlichten Statistik über die Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung beträgt die Prüfungsquote von Großbetrieben 17,1 %. Insgesamt waren zuletzt gut 13.000 Prüfer im Einsatz. Diese stellten Steuermehreinnahmen von 13,1 Milliarden Euro fest. Hinzu kommt, dass die von dem Bundesfinanzministerium veröffentlichte Statistik nur sog. „echte“ Betriebsprüfungen erfasst. Neben diesen „echten“ Betriebsprüfungen gibt es jedoch noch zahlreiche andere Prüfungen, die in isolierten Statistiken erfasst sind. Diese Daten und Fakten sind dann doch Grund zu Besorgnis, oder? Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für eine echte Betriebsprüfung als gar nicht so hoch erscheint, sollte man auf eine Prüfung vorbereitet sein. Meine Erfahrung als Steuerberater, mit Arbeitsschwerpunkt Unternehmenssteuern kommt die nächste Prüfung ganz bestimmt.

Auf welche Prüfungen sollte man vorbereitet sein?

Neben der echten Betriebsprüfung, die grundsätzlich einmal alle betrieblichen Steuern, wie die Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer und bei Einzelunternehmen auch Einkommensteuer betrifft und einen Mehrjahreszeitraum umfasst gibt es zahlreiche Prüfungen die z.B. nur kürzere Zeiträume oder nur bestimmte Steuerarten betreffen. Eine hohe Praxisrelevanz haben die Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die Lohnsteuer-Außenprüfung, die Umsatzsteuer-Nachschau oder die Kassen-Nachschau. Eine hohe Praxisrelevanz haben auch die Rentenversicherungsprüfungen, Zollprüfungen, Außenwirtschaftsprüfungen und Prüfungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die jedoch nicht von den Finanzämtern, sondern z.B. von der Deutsche Rentenversicherung Bund oder den Zollbehörden durchgeführt werden.

Warum werde ich geprüft?

Die Frage, warum mein Betrieb überhaupt geprüft wird, ist in der Regel die allererste Frage, die mir Mandanten stellen, die mit Steuerprüfungen bislang keine Berührungspunkte hatten. Die Gründe für eine Überprüfung sind vielfältig und nicht immer offensichtlich. Die Gründe für die Prüfung stellen sich häufig während der Prüfung oder in einem sich an eine Prüfung anschließenden Verfahren, wie z.B. einem Steuerstrafverfahren heraus. Für eine Steuerprüfung gibt es grundsätzlich die folgenden drei Gründe: 

Grund 1: Für Zwecke der Außenprüfungen werden alle Betriebe von G für Großbetrieb, über M für Mittelbetrieb bis K für Klein- und Kst für Kleinstbetrieb in unterschiedliche Größenklassen eingeteilt. Außerdem erfolgt eine Einteilung in Betriebsarten. Hierbei wird zwischen Handelsbetrieben, Fertigungsbetrieben, Freien Berufen, Andere Leistungsbetriebe, Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Land- und Forstwirtschaft und Sonstige unterschieden. Nach diesen Abgrenzungskriterien steht das Unternehmen aufgrund seiner Größe und Branche auf dem regulären Prüfungsplan des Finanzamts und wird turnusmäßig (z.B. alle 10 Jahre) überprüft.

Grund 2: Auch die Finanzverwaltung arbeitet mit KI in Form von sog. Risikofiltern. Die sich ständig ändernden Risikofilter werden naturgemäß nicht bekannt gegeben. An Hand dieser Risikofilter steuert die KI eingereichte Steuererklärungen zur Prüfung aus. Unternehmen, deren Angaben in den Steuererklärungen nach den Risikokriterien der Finanzverwaltung als „auffällig“ gelten werden als Prüfungsfälle ausgesteuert und landen auf dem nächsten Prüfungsplan (Prüffall).

Grund 3: Bei der Bearbeitung der eingereichten Steuererklärung durch den Veranlagungsbeamten fallen diesem Besonderheiten oder Unstimmigkeiten auf, dies dieser von seinem Schreibtisch mit der ihm für den Fall zur Verfügung stehenden Zeit nicht überprüfen kann. Er veranlagt die Erklärung sodann im Regelfall unter Vorbehalt der Nachprüfung und meldet den Fall aktiv an die Betriebsprüfung (Meldefall).

Kann das Risiko einer Prüfung reduziert werden?

Die Antwort hierauf lautet eindeutig ja. Abgesehen davon, dass Betriebe auch turnusmäßig und nicht anlassbezogen geprüft werden (s. oben Grund 1) und man hierauf eher weniger Einfluss hat (außer man versucht bewusst immer unterhalb der bekanntgegebenen Größenkritieren zu bleiben) kann man das Risiko eine Prüfung aktiv reduzieren. 

Die vorstehenden Gründe 2 und 3 für eine Prüfung lassen sich doch grundsätzlich vermeiden. Zunächst erregen stets rechtzeitig und richtig eingereichte Steueranmeldungen und Steuererklärungen weniger Aufsehen als dauerhaft verspätet und mehrfach korrigierte Erklärungen. Dies alleine kann bereits zu einem Prüf- oder Meldefall führen. Professionelle Unterstützung bei der Einreichung von Anmeldungen und Erklärungen durch gute Beratung und den Einsatz professioneller Steuersoftware minimieren das Prüfungsrisiko ebenfalls. Beispielsweise erhöhen Eintragungen in eine falsche Kennziffer des Steuerformulars das Prüfungsrisiko ganz erheblich, da die Eintragungen zu Rückfragen oder zu einer Aussteuerung des Falls als Prüfungsfall führen können.

Steuerexperten unterlaufen solche Fehler in der Regel nicht. Professionelle Steuersoftware, die bei Steuerberatern in der Regel zum Einsatz kommt, funktioniert ähnlich wie die Software der Finanzverwaltung. Auch professionelle Software, wie Sie in Kanzleien eingesetzt wird, arbeitet mit Prüffeldern und steuert prüfungsrelevante Eingaben zunächst noch einmal aus, bevor Anmeldungen oder Erklärungen an das Finanzamt übermittelt werden.

Wie läuft eine Außenprüfung ab? 

Das Verfahren für eine Außenprüfung ist gesetzlich in der Abgabenordnung geregelt. Bei speziellen Prüfungsarten finden sich weitere Vorschriften in den Einzelsteuergesetzen wie zum Beispiel dem Umsatzsteuergesetz. Darüber hinaus gibt es die sog. Betriebsprüfungsordnung (BpO). Bei der BpO handelt es sich um eine Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums in der die Durchführung der Außenprüfung geregelt und die für die Betriebsprüfer verbindlich ist.

Bei einer regulären Betriebsprüfung ist es üblich, dass sich der Prüfer zunächst telefonisch meldet, die Prüfung ankündigt und Zeit und Ort der Prüfung vereinbaren möchte. Zu beachten ist, dass die Prüfung grundsätzlich in den Räumlichkeiten des Unternehmens stattfinden soll. Es ist jedoch nicht unüblich, dass Prüfungen auch in den Räumen des Steuerberaters oder an Amtsstelle mit einer vereinbarten Betriebsbesichtigung stattfinden.

Ist Zeit und Ort vereinbart, erlässt das Finanzamt eine Prüfungsanordnung, in der Umfang der Außenprüfung bestimmt ist. Die Prüfungsordnung ist ein Verwaltungsakt gegen den Einspruch eingelegt werden kann. Prüfungsanordnungen sind selten fehlerbehaftet, können im Einzelfall jedoch auch Fehler enthalten und sollten deshalb fachkundig geprüft werden. Schwerwiegende Fehler in der Prüfungsanordnung können sogar dazu führen, dass Prüfungsergebnisse nicht gültig bzw. nicht verwertbar sind.

In einem nächsten Schritt werden Daten und Unterlagen für den Prüfungszeitraum vorbereitet, die dem Prüfer zur Verfügung gestellt werden. Ob der Prüfer bereits vor Beginn der eigentlichen Prüfung die Vorlage von Daten und Unterlagen verlangen kann war lange Zeit gesetzlich nicht eindeutig geregelt. In vielen Fällen war es für einen effektiven Prüfungsablauf jedoch sinnvoll, diese bereits vor dem eigentlichen Prüfungsbeginn zur Verfügung zu stellen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass der Prüfer Daten und Unterlagen bereits vor dem eigentlichen Prüfungsbeginn anfordern darf.

An Hand der zur Verfügung gestellten Unterlagen führt der Prüfer seine Prüfungshandlungen durch. Er erstellt hierbei Auswertungen, Mehrjahresvergleiche und prüft Dokumente auf deren Ordnungsmäßigkeit. Im Laufe einer Prüfung stellt der Prüfer regelmäßig Fragen zum Sachverhalt oder fordert weitere Unterlagen an.

Nach Abschluss der Prüfungshandlungen teilt der Prüfer seine Prüfungsfeststellungen in der Regel zunächst formlos mit. Diesen Feststellungen ist man jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Der Unternehmer hat das Recht auf eine sog. Schlussbesprechung in der das Ergebnis der Außenprüfung besprochen wird. Ein Verzicht hierauf ist ebenso möglich. Grundsätzlich ist eine Schlussbesprechung zu empfehlen, da hierbei sowohl weitere Angaben zum Sachverhalt als auch eine abweichende rechtliche Würdigung vorgetragen werden kann. Dies bedeutet eine nochmalige Einflussnahme auf die Sichtweise des Prüfers. Die Schlussbesprechung sollte daher grundsätzlich als Chance verstanden werden. Nicht selten können sich hierdurch Prüfungsfeststellungen auch noch einmal zu Gunsten ändern.

Im Anschluss an die Schlussbesprechung fertigt der Prüfer einen Prüfungsbericht. In diesem sind die Prüfungsfeststellungen und auch die steuerlichen Auswirkungen zusammengefasst. Der Prüfungsbericht ist noch keine geänderte Steuerfestsetzung.

Eine geänderte Steuerfestsetzung erfolgt erst im Nachgang durch den Veranlagungsbeamten, der den Prüfungsbericht von der Betriebsprüfungsstelle erhält. Bis zu dem Ergehen geänderter Steuerbescheide vergehen Wochen oder sogar Monate. Sofern es aufgrund der Betriebsprüfung zu einer Steuernachzahlung kommt, gelten die üblichen Zahlungsfristen für mit Bescheid festgesetzte Steuern.

Wie bzw. kann man sich überhaupt optimal auf eine Steuerprüfung vorbereiten?

Die optimale Vorbereitung auf eine Prüfung sollte nicht erst mit dem Anruf des Prüfers beginnen. Auf Prüfungen ist man bereits optimal vorbereitet, wenn Buchführung, Jahresabschlüsse und Steuererklärungen laufend und ordnungsgemäß erstellt und Belege ordentlich archiviert werden. Bei einer rein digitalen Archivierung von Belegen ist darauf zu achten, dass eine sog. Verfahrensdokumentation erstellt ist. Mit der Erstellung einer Verfahrensdokumentation sollte auch nicht erst im Zeitpunkt des Beginns der Betriebsprüfung begonnen, sondern diese sollte bereits dann erstellt werden, wenn die Entscheidung für eine rein digitale Belegarchivierung getroffen wurde. Zudem sollte von Beginn an auf eine Software gesetzt werden, die über eine Schnittstelle zu der Finanzverwaltung verfügt. Daten sollten ohne zusätzlichen Aufwand in ein für die Finanzverwaltung lesbares Format exportierbar sein. Die Nutzung einer ordnungsgemäßen Software ist unbedingt zu empfehlen, da der Prüfer bei Mängeln grundsätzlich zur Hinzuschätzung befugt ist.

Wichtig zu wissen ist, dass es aus steuerstrafrechtlicher Sicht zu spät ist, bekannte Mängel erst im Laufe einer Prüfung anzusprechen, da sodann eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist. In derartigen Fällen ist der Prüfer dazu verpflichtet, den Sachverhalt der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts zu melden, die sodann zunächst ein Strafverfahren eröffnet. Der Fortgang des Strafverfahrens ist sodann von dem weiteren Verlauf und dem Ergebnis der Prüfung abhängig.

Sollten Fehler oder Mängel in der Buchführung, in den Jahresabschlüssen und falsche Erklärungen bekannt sein, so empfiehlt es sich ausnahmslos diese proaktiv gegenüber dem Finanzamt zu erklären, bevor eine Außenprüfung angekündigt ist. In dem Fall kann eine Strafbefreiung in Betracht kommen. Für die Erstellung einer strafbefreienden Selbstanzeige sollte unbedingt Expertenrat von einem Steuerberater eingeholt werden, da auch dies – wie bekannte Fälle zeigen – schiefgehen kann.

Welche Strategien sind bei einer Steuerprüfung denkbar?

Jede Prüfung bedarf einer passenden Strategie. Es kann sinnvoll sein, die Informationen an den Prüfer auf das notwendige Maß zu beschränken, die Prüfungshandlungen im Betrieb zu minimieren oder auch pro aktiv mehr Informationen als angefragt zur Verfügung zu stellen. Auch auf eine Schlussbesprechung sollte man sich vorbereiten, in dem man sich mit den Prüfungsfeststellungen vorab im Detail auseinandersetzt und mögliche Szenarien vorher durchdenkt. Es kann auch Teil der Strategie sein, dass der Unternehmer selbst oder nur der steuerliche Vertreter an eine Schlussbesprechung teilnimmt.

Welche Folgen kann eine Außenprüfung haben?

Folgen einer Betriebsprüfung können Steuernachzahlungen aber auch Steuererstattungen sein, da der Prüfer dazu verpflichtet ist auch zu Gunsten des Unternehmers zu prüfen.

Die bedrohlichste Folge einer Außenprüfung kann die Einleitung eines Bußgeld- oder Steuerstrafverfahrens sein. Je nach Schwere der Tat können Bußgeld und Strafen bis hin zur Freiheitsstrafe drohen.

Eine häufig übersehene positive Folge einer Außenprüfung ist Rechtssicherheit. Steuerfestsetzungen nach einer Außenprüfung unterliegen der sog. erhöhten Bestandskraft und sind nicht mehr ohne Weiteres abänderbar. Daraus resultiert für den Unternehmer eine erhöhte Rechtssicherheit für die geprüften Jahre. Dies ist häufig wünschenswert, sodass es in der Praxis auch vorkommen kann, bewusst eine Prüfung zu provozieren um möglichst schnell Rechtssicherheit für entsprechende Jahre zu bekommen.

Auch eine erhöhte Rechtssicherheit für die Zukunft kann Ausfluss aus einer Prüfung sein, wenn sich mit dem Prüfer im Rahmen einer verbindlichen Zusage auf einen Sachverhalt geeinigt werden kann, der auch noch in den Folgejahren steuerlich relevant ist.

Fazit

Angst vor einer Prüfung ist nicht gerechtfertigt auch wenn sich aus einer Prüfung Steuernachzahlungen oder auch weitere Verfahren ergeben können. Sofern dem Unternehmer Mängel oder Fehler bekannt sind, sollten diese proaktiv und unmittelbar dem Finanzamt mit professioneller Hilfe durch einen Steuerberater offengelegt werden. Damit können schwerwiegende negative Folge aus einer Prüfung vermieden werden.

Positive Folge aus einer Prüfung ist die hierdurch gewonnene Rechtssicherheit für den Unternehmer für die geprüften Jahre und ggf. auch für die Zukunft.

Außenprüfungen kosten Unternehmern Geld in Form von eigener Arbeitszeit, Mitarbeiterkapazitäten, Beauftragung steuerlicher Beratung oder gar Steuernachzahlungen. Ich kann aus meiner Praxiserfahrung sagen, dass die Einholung steuerlicher Expertise nur für bzw. erst während einer laufenden Außenprüfung in den allermeisten Fällen immer teurerer ist als sich laufend mit professionellem steuerlichem Rat begleiten zu lassen mit der eine Prüfung ggf. sogar gänzlich vermieden werden kann.

ein Artikel von
Christian Dobner
Christian Dobner ist Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht. Er ist Gründer und CEO der auf Unternehmenssteuerrecht spezialisierten TLI Steuerberater. Auf seine steuerliche Expertise vertrauen nationale und internationale Unternehmen, erfolgreiche Start-Ups sowie Manager und Unternehmerpersönlichkeiten. Mit passgenauer, praxisnaher und individueller Betreuung legt er Wert auf langfristige Mandatsbeziehungen.