© Photo Anne Hufnagl / Christian Dobner
STEUERWISSEN

Steuern: Gerecht oder ungerecht?

von Christian Dobner

Steuern sind ungerecht. Steuern sind unfair! Aber stimmt das wirklich? Ich kenne beide Seiten. Aus meiner früheren Tätigkeit bei der Finanzverwaltung weiß ich, wie zentral die Erhebung von Steuern zur Erfüllung staatlicher Aufgaben ist. Als Steuerberater erfolgreicher Unternehmen und Unternehmer sehe ich in meiner täglichen Beratungspraxis hingegen wie ungerecht Steuergesetze sein und Steuern sich anfühlen können und wie emotional das Thema Steuergerechtigkeit für meine Mandanten ist.

Zudem bin auch ich Steuerzahler und empfinde Steuern selbst nicht immer als fair. Doch wie fair sind Steuergesetzte und Steuern wirklich? Das Thema Steuergerechtigkeit ist ein Dauerthema. In Krisenzeiten aktueller denn je, denn wer zahlt die mit Schulden finanzierten Leistungen des Staates?

Leistungsfähigkeit oder Sozialstaat?

In Deutschland regelt die Abgabenordung den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dieser ist Ausfluss des im Grundgesetz normierten Gleichheitssatzes. Steuergesetze sind damit gleichmäßig anzuwenden. Dies bedeutet, dass Steuerzahler bei einer gleichen Leistungsfähigkeit, gleich hoch zu besteuern sind. Die unterschiedliche Höhe der Besteuerung fußt unter dem Gesichtspunkt der Umverteilung auf dem Sozialstaatsprinzip. Steuern bewegen sich aus diesem Grund naturgemäß in einem Spannungsfeld von Leistungsfähigkeits- und Sozialstaatsprinzip. 

Es verwundert deshalb wenig, dass das Thema Steuergerechtigkeit insbesondere zwischen vermögenden Personen, Leistungsträgern und Unternehmern einerseits und sozial Schwächeren oder sozial Benachteiligten anderseits in Dauerdiskussion ist. Es stellt sich auch die Frage, wie weit darf eine Umverteilung über Steuern gehen?

Ein Beispiel hierfür war die Einführung des Solidaritätszuschlags im Jahr 1991, der aufgrund der finanziellen Belastung durch die Wiedervereinigung als auch zum Ausgleich der Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland erhoben wurde. Schließlich einigte man sich dreißig Jahre später mitunter aufgrund einer Initiative des Bundes der Steuerzahler auf eine teilweise Abschaffung und eine Beibehaltung für höhere Einkommen. Letzteres bleibt weiter umstritten.

Steuergesetze sind unfair – Wahrheit oder Mythos?

Alleine in Deutschland gibt es von der Einkommensteuer über die Gewerbesteuer bis hin zum Kaffeesteuergesetz derzeit 27 Steuergesetze mit hunderten Paragraphen, tausenden Verwaltungsvorschriften und unzähliger Rechtsprechung zur Anwendung und Auslegung der Steuervorschriften. 

Mit dem Einschieben ständig neuer Paragraphen, die sodann mit einem Buchstaben hinter dem eigentlichen Paragraphen versehen sind (z.B. § 50b – 50j des Einkommensteuergesetzes) oder der Einführung weiterer Absätze und Sätze in den einzelnen Vorschriften, versucht der Gesetzgeber im Sinne der Steuergerechtigkeit Gesetzeslücken zu schließen. Dies mag einerseits ein ehrenhaftes Motiv sein. Andererseits ignoriert der Gesetzgeber, das Gesetze für nicht ausgebildete Steuerexperten damit unlesbar und praktisch unanwendbar werden. Ein Interesse des Gesetzgebers, hieran etwas zu ändern, kann ich nicht erkennen.

Auch wenn ein kompliziertes Steuersystem für den Beruf des Steuerberaters nicht unbedingt von Nachteil ist, empfinde ich die Komplexität unseres Steuerrechts für den einzelnen Steuerzahler als höchst ungerecht. Es ist kein Mythos, dass Steuerzahler, die sich einen Steuerberater leisten, am Ende weniger Steuern zahlen, da dieser die Steuergesetze kennt und versteht und vorteilhafte Regelungen für seinen Mandanten anwenden kann.

Ein gerechtes Steuersystem sollte dagegen jeder verstehen und anwenden können.

Es ist bereits überfällig, unser Steuersystem zu vereinfachen. Es ist bedauerlich, dass sämtliche Versuche hierzu bislang gescheitert sind. Dies zu reformieren wäre ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit.

Vermögenssteuer, Übergewinnsteuer, Mindestbesteuerung, etc.

Hoch aktuell sind die Diskussionen um die Einführung einer Mindestbesteuerung für Unternehmen, eine Übergewinnsteuer, Änderungen bei der Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der seit 1997 nicht mehr erhobenen Vermögenssteuer. 

Diese Steuerarten treffen profitable Unternehmen wie auch vermögende Privatpersonen ins Mark. Sind diese Steuern unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit und dem Sozialstaatsprinzip gerecht? Oder wäre es ungerecht, gerade vermögende Personen in diesen Zeiten nicht stärker zur Kasse zu bitten? 

Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass sich in kleineren Initiativen oder auch direkt vermögende Personen öffentlichkeitswirksam zur Wort melden und darum bitten, mehr Steuern bezahlen zu dürfen. Ob dies ernst gemeint oder eine Farce ist, möchte ich nicht abschließend beurteilen. Es ist jedoch kein Einzelfall.

Dem vor Kurzem von der internationalen Hilfsorganisation Oxfam veröffentlichten Index zur Verringerung der Ungleichheit in den Jahren 2020 bis 2022 ist zu entnehmen, dass 143 von 161 untersuchten Länder auf eine stärkere Besteuerung vermögender Personen und großer Unternehmen in der Krise verzichten. 11 Länder senkten sogar die Steuern für Reiche. Aber weshalb ist dies ungerecht? Das denke ich nicht, denn Steuern haben ihre Grenzen.

Grenzen von Steuern und von Umverteilung

Ich halte Steuern sowie die Umverteilung von Steuern per se nicht für ungerecht. Steuern sind ein wirkungsvolles Lenkungsinstrument. Diesem sind aus meiner Sicht jedoch folgende Schranken gesetzt: 

Es wäre schlicht falsch, originäre Aufgaben des Staates auf Unternehmen oder vermögende Personen abzuwälzen. Unternehmen und Wohlhabende dürfen nicht die öffentlichen Aufgaben finanzieren. Dies ist Aufgabe des Staates. 

Die Höhe von Steuern darf nur so weit gehen, wie sich Leistung noch lohnt. Die Einführung einer Vermögenssteuer führt zu einer großen Ungerechtigkeit gegenüber derer, die ihr Einkommen durch überdurchschnittliche Leistungen erwirtschaften. Wenn hierdurch Leistungsträger das Land verlassen, ist Deutschland sicher nicht geholfen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip darf nicht untergraben werden, sonst gefährdet dies unsere Demokratie und unseren Wohlstand. 

Auch wenn Steuern nicht immer fair sind oder sich die Verteilung nicht richtig anfühlt, so hat beides unter der Beachtung von Leistungsfähigkeits- und Sozialstaatsprinzip seine Berechtigung. Zu Fairness und Gerechtigkeit gehört jedoch auch, ein verständliches und transparentes Steuersystem zu schaffen. Unser Steuersystem ist dies derzeit nicht.

ein Artikel von
Christian Dobner
Christian Dobner ist Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht. Er ist Gründer und CEO der auf Unternehmenssteuerrecht spezialisierten TLI Steuerberater. Auf seine steuerliche Expertise vertrauen nationale und internationale Unternehmen, erfolgreiche Start-Ups sowie Manager und Unternehmerpersönlichkeiten. Mit passgenauer, praxisnaher und individueller Betreuung legt er Wert auf langfristige Mandatsbeziehungen.