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STEUERN

Steuermodelle im Ausland. Lohnt sich das wirklich?

von Christian Dobner

Steuermodelle, das heißt gezielte Steuerplanungs- oder Gestaltungsmodelle insbesondere unter Einbeziehung ausländischer Rechtsformen zur Reduzierung der Steuerlast waren lange Zeit nur sehr vermögenden Personen zugänglich. Der Grund hierfür lag vor allem in dem hohen Beratungsbedarf bei derartigen Gestaltungen, insbesondere dann, wenn rechtlicher und steuerlicher Rat im Ausland benötigt wurde.

Derartige Gestaltungen waren aus wirtschaftlicher Sicht deshalb erst ab einer signifikanten Steuerersparnis sinnvoll. Diese setzt hohe Einkünfte voraus. Hinzu kam ein hohes Maß an Intransparenz bei solchen Gestaltungen. Das Wissen hierzu war nur spezialisierten Beratern zugänglich.

Die zunehmende Vernetzung der Welt, neue Berufsbilder, New Work, soziale Medien und der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten sind nur einige, jedoch gewichtige Gründe dafür, weshalb das Thema Steuermodelle inzwischen massentauglich ist.

In den sozialen Medien bewerben vorwiegend ausländische Anbieter die Gründung ausländischer Gesellschaften zu Dumpingpreisen. In Gruppen und Foren wird hitzig über Auswanderung und Auslandsholding diskutiert. Auch in den klassischen Medien finden sich inzwischen Dokumentationen und Reportagen zu diesem Thema. Die Zeiten intransparenter Steuergestaltungen, die nur einigen wenigen zugänglich sind, scheint vorbei.

Doch lohnen sich Steuermodelle, insbesondere mit Einbindung des Auslands für jedermann inzwischen wirklich? Sind modellhafte Gestaltungen zur Vermeidung oder Minderung inländischer Steuern denn auch rechtlich zulässig? Wie passt dies zu meiner Einstellung und meinen persönlichen Wertvorstellungen?

Modell ist nicht gleich Modell

Der Begriff Steuermodell oder Steuersparmodell ist nirgends definiert. Dem deutschen Fiskus blieb das Thema dennoch nicht verborgen. Die Abgabenordnung als das zentrale deutsche Steuergesetz, spricht von „Gestaltungsmöglichkeiten“ und „Steuerumgehung“ sowie von „rechtlichen Gestaltungen“ und „angemessenen Gestaltungen“. Folglich scheint es einen Spielraum für zulässige und unzulässige Modelle zu geben?

Tatsächlich ist nicht jede Steuergestaltung gleich verboten. Jedem Steuerzahler steht es nämlich frei, seine Rechtsverhältnisse steuerlich günstig zu gestalten. Auch wenn es verbotene Gestaltungen gibt, ist dieser Grundsatz der freien, steuerlich günstigen Gestaltung nicht zu unterschätzen, denn es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten Rechtsverhältnisse steuerlich günstig zu gestalten.

Unzulässige Steuergestaltungen und damit Negativbeispiel sind zum Beispiel das sog. Dividendenstripping, auch Cum-Ex Geschäfte genannt. Hierbei handelt es sich nicht um eine zulässige Gestaltung, sondern nach Ansicht des Bundesgerichtshofs um Steuerhinterziehung. 

Lange Zeit umstritten war, wie die bekannten Goldfinger-Modelle, bei denen unter Einschaltung ausländischer Rechtsordnungen wie Großbritannien durch Ausnutzung des negativen Progressionsvorbehalts hohe Steuerersparnisse erzielt wurden. Selbst die Finanzgerichte waren sich nicht einig, ob es sich hierbei um ein unzulässiges Steuermodell handelt. Vieles spricht dafür, dass diese Modelle rechtlich betrachtet nicht zu beanstanden waren. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber jedoch mit einer Gesetzesänderung reagiert, sodass dieses Steuermodell inzwischen leerläuft. 

Bei derart umstrittenen Modellen spielen neben der rechtlichen Einordnung, ob das Modell zulässig ist oder nicht nach meiner Auffassung auch moralische Aspekte eine Rolle. Alleine das Goldfinger-Modell führte zu Steuermindereinnahmen von über EUR 300 Millionen. Vermutlich ist die Zahl noch deutlich höher, da nicht alle Fälle aufgedeckt bzw. dem deutschen Fiskus bekannt sind. 

Ob es moralisch verwerflich ist, die Steuerlast in Deutschland durch die Ausnutzung eines solchen Steuermodells unter Einbeziehung des Auslands signifikant zu senken, im Gegenzug die Vorzüge Deutschlands wie einen hohen Sicherheitsstandard, gute Infrastruktur, soziale Absicherung, Freizügigkeit, etc. zu genießen, ist jedem selbst überlassen. Natürlich kennt die Steuer selbst auch keine Moral, dennoch würde die Lebensqualität in Deutschland erheblich sinken, würden derartige Gestaltungen Überhand nehmen.

Ungeachtet dessen wie man die Moralfrage für sich selbst entscheidet, gibt es jedoch auch Steuermodelle nach dem Grundsatz der zulässigen freien steuerlich günstigen Gestaltung. Diese gibt es sowohl mit als auch ohne Auslandsbezug. Aus meiner Beratungspraxis in der ich in den letzten Jahren eine Vielzahl internationaler Steuerfälle beraten habe lässt sich sagen, dass ein legales Steuermodell unter Einbezug des Auslands in den allermeisten Fällen nur dann sinnvoll ist, wenn damit eine Auswanderung verbunden ist. Eine Auslandsstruktur bei der das Geld am Ende nach Deutschland zurückfließt ist wirtschaftlich betrachtet selten sinnvoll. 

Länder wie zum Beispiel Estland bieten nicht nur die Gründung einer ausländischen Gesellschaft, sondern auch Anreize für einen Zuzug. Auch in Italien, Spanien und Großbritannien lassen sich derartige Anreize finden. Dies führt zu einem Steuerwettbewerb der Staaten, selbst innerhalb Europas.

Im Falle der Gründung einer Auslandsgesellschaft gibt es bei Beibehaltung des deutschen Wohnsitzes einige Fallstricke, wie zum Beispiel die sog. Hinzurechnungsbesteuerung zu beachten. Bei Verlegung des Wohnsitzes gibt es Weiteres, wie zum Beispiel die sog. Wegzugsbesteuerung zu beachten. Eine Gesellschaft im Ausland zu gründen oder alle Zelte im Inland abzubrechen und auszuwandern ohne vorher steuerlichen Rat eingeholt zu haben ist eine denkbar schlechte Idee.

Es gibt selbstverständlich Fälle, in denen die Gründung einer ausländischen Gesellschaft zum Beispiel für den Aufbau eines Vertriebs oder einer Produktion im Ausland sinnvoll ist. Auch gibt es Gründe die für einen Wegzug sprechen. Eine rein steuermotivierte Gestaltung halte ich jedoch im Grundsatz für bereits falsch. Rein steuermotivierte Gestaltungen verkennen wie wichtig es ist, den persönlichen Lebensplan des individuellen Falls zu berücksichtigen. Eine Gestaltung sollte zunächst an der persönlichen Lebensplanung ausgerichtet sein. Auf dieser Basis kann sodann rechtlich und steuerlich gestaltet werden.

In den allermeisten der mir bekannten Fälle, in denen ein Wegzug erfolgte oder ein ausländisches Firmenkonstrukt rein steuerlich motiviert initiiert wurde war nicht durchdacht und im Ergebnis wirtschaftlich betrachtet unsinnig. Ich rate hiervon ab, wenn es keine gewichtigen außersteuerlichen Gründe dafür gibt. Nicht zuletzt deshalb, weil es auch genügend alternative inländische Steuergestaltungen gibt die zu einer wettbewerbsfähigen Steuerlast führen und die dazu vielleicht sogar moralisch vertretbar sind. Ein Beispiel hierfür ist die sog. Inlandsholding.

Fazit

Steuermodelle im Ausland passen ganz sicher nicht für jedermann. Sofern diese nicht bereits an den eigenen moralischen Wertvorstellungen scheitern, muss gut überlegt sein, ob die Gestaltung in die eigene Lebensplanung passt. Ist dies der Fall ist es zwingend geboten genauer zu prüfen, welche Gestaltung wirtschaftlich betrachtet sinnvoll ist. 

In den seltensten Fällen machen rein steuergetriebene Gestaltungen Sinn. Faktoren wir der eigentliche Lebensmittelpunkt, Familie- und soziale Absicherung, Freizügigkeit und Freiheit sowie der eigene Lebensstandard sollten stets im Vordergrund stehen. 

Ein vorgefertigtes Steuermodell zum Pauschalpreis kann deshalb niemals für jede individuelle Lebenssituation passen. So vielfältig wie die einzelnen Lebenssituationen müssen auch die Rahmenbedingungen dafür gestaltet sein.

Zumeist reißerisch angebotene Gründungs- und Beratungsangebote für Steuermodelle im Ausland stellen sich regelmäßig als unseriös und für viele Lebenssituationen als unpassend heraus. Im Ergebnis entsteht damit sogar ein wirtschaftlicher Schaden, statt Nutzen, denn auch diese Anbieter verlangen für ihre Dienstleistung Geld.

Die Steuerbelastung in Deutschland scheint im europäische und internationalen Vergleich auf den ersten Blick hoch zu sein. Es lohnt sich jedoch unbedingt ein differenzierter Blick. Das deutsche Steuerrecht bietet durchaus attraktive Möglichkeiten die Steuerlast gezielt zu senken. Deutschland gehört zu den Top 10 der Länder mit der höchsten Lebensqualität. Ob sich nicht zuletzt auch deshalb zunächst ein genauerer Blick auf die Möglichkeiten, die Deutschland bietet, lohnt, ist jedem selbst überlassen. Ich denke jedenfalls, Deutschland hat allemal eine Chance verdient.

ein Artikel von
Christian Dobner
Christian Dobner ist Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht. Er ist Gründer und CEO der auf Unternehmenssteuerrecht spezialisierten TLI Steuerberater. Auf seine steuerliche Expertise vertrauen nationale und internationale Unternehmen, erfolgreiche Start-Ups sowie Manager und Unternehmerpersönlichkeiten. Mit passgenauer, praxisnaher und individueller Betreuung legt er Wert auf langfristige Mandatsbeziehungen.