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Wie glücklich macht Geld?

Springen, aber mit Netz: Die intelligente Fallback-Strategie

von Frank Behrendt

Mit meinem 14jährigen Teenie-Sohn spreche ich in letzter Zeit öfter über seine berufliche Zukunft. Nicht weil ich das will, sondern er. Der Junior spielt sehr passabel Basketball und wie alle, die das professionell in einem Top-Verein tun, träumt er von der NBA. Wer möchte nicht „The Next Nowitzki“ sein und die Massen begeistern. Oder LeBron James, der so viel Geld verdient, dass selbst die Gehälter der DAX-Vorstände dagegen ziemlich kümmerlich aussehen.

Seit ich vor Jahren das bewegende Buch „The last Lecture“ des an Krebs verstorbenen amerikanischen Professors Randy Pausch las, habe ich seine Kern-Mission nachhaltig verinnerlicht: Es geht darum, seine Kindheitsträume zu verwirklichen und anderen dabei zu helfen. Also fahre ich meinen Junior täglich zum Training, meine Frau bereitet perfekte Sportlernahrung zu und die kleine Schwester mimt unermüdlich die Defense unter dem Wurfkorb im Garten. Seine Freude im Kreis des Teams zu erleben, die fortwährende Verbesserung bei den Matches, mit ihm über seine Träume von einer großen Karriere zu sprechen, erfüllt mich. Allerdings beeindruckt mich an meinem Junior auch, dass er nicht alles auf eine Karte setzt.

Es gibt genug Geschichten von Top-Talenten, deren steiler Aufstieg von einer Verletzung gestoppt wurde. Also büffelt er auch weiter für die Schule, Mathematik liegt ihm und da es nicht nur im Profi-Sport um viel Geld geht, findet er die Wirtschaft spannend, löchert mich täglich mit Fragen. Als ich ihm die Funktion eines Finanzvorstandes erklärte, war er angetan. Das könnte eine Alternative zum ballwerfenden Top-Star sein, „die intelligente Fallback-Strategie“, wie es mir in jungen Jahren einer meiner ersten Chefs mit auf den Weg gegeben hat. Wenn ich zurückdenke, war das einer der besten Ratschläge, die mir jemand im Job gab: Sich nie nur auf ein Feld fokussieren, sich breiter aufstellen, immer neben der dominierenden Arbeit weitere Interessengebiete – auch ehrenamtliche – verfolgen. Stets vor dem Hintergrund, „dass im Beruf nix für immer ist“, wie mein früherer Mentor sagte, oder drastischer formuliert: „Heute wirst Du gefeiert, morgen gefeuert.“

Er sprach aus Erfahrung und ich habe es mir gemerkt. Vielleicht hatte ich durch ihn stets eine – für mich gesunde – Distanz zu Anstellungsverhältnissen. Ich habe immer gerne da gearbeitet wo ich war und tue es immer noch, aber ich verkläre es nicht. Am Ende ist es ein Deal: Arbeitskraft, Ideen, Kontakte gegen Geld. Durch diese Sichtweise fiel es mir auch nie schwer, einen Schlußstrich zu ziehen, wenn das Gefühl nicht mehr passte. Vermisst habe ich später nur die Menschen, aber die Kontakte zu den Lieblings-Kolleg:innen sind geblieben, auch wenn der Job ein anderer wurde.

In der Wochenzeitung DIE ZEIT las ich im letzten Jahr einen spannenden Beitrag. Die Redaktion hatte Leser:innen dazu aufgerufen, die Geschichte ihrer Kündigung zu erzählen. Über 400 machten mit. Es war alles dabei. Da gab es Tom, der seinem sicheren Job good bye sagte, auswanderte und sich anderswo selbstständig machte. Die Entscheidung zu gehen sei die Beste seines Lebens gewesen. Aber es gab auch die andere Seite, Menschen, die von Schuldgefühlen geplagt wurden, weil sie – in diesem Fall eine Ärztin – meinte, ihre Patient:innen im Stich gelassen zu haben. Andere hatten Angst vor der Zukunft, vor Arbeitslosigkeit, weil sie sich nie Gedanken gemacht hatten, was wäre, wenn der Ist-Job weg wäre. Ein gutes Argument für die erwähnte „Fallback-Strategie“.

Einen meiner ersten Jobs in einer Verkaufsförderungs-Agentur hatte ich auch deshalb bekommen, weil ich dem Chef im Vorstellungsgespräch vom Fahrradverleih an der Nordseeküste erzählte, mit dem mein jüngerer Bruder und ich einst zu den reichsten Teenagern im Ort aufstiegen. Die Cleverness, wie zwei Jungs mit reparierten Fahrrädern vom Sperrmüll viel Geld verdienten, beeindruckte den Unternehmer. Da die damals ausgeschriebene Position ein hohes Risiko beinhaltete, war es aus Sicht meines Gesprächspartners „wie ein Fallschirmsprung, ohne zu wissen, ob der Rettungsfallschirm aufgeht“. Der Agenturinhaber blickte mich herausfordernd an und suchte nach dem ängstlichen Zucken in meinen Augen.

Er bekam einen lässigen Konter: „Wissen Sie“, sagte ich und lehnte mich zurück, „ich habe keine Angst zu scheitern. Im Notfall verleihe ich eben wieder Fahrräder an der Nordseeküste.“ Ich wurde direkt nach dem Gespräch eingestellt. Angst vor einer neuen Herausforderung hatte ich später nie wieder, die Fahrradschuppen im Garten meines Elternhauses stehen schließlich immer noch, das Werkzeug liegt ordentlich in den Regalen und die Geldkassette für die Tageseinnahmen ist auch noch da. Ich könnte also jederzeit…

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Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.