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SHOPPINGSUCHT

Shopping: Eine gefährliche Droge

von Pauline Brinkmann

Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland inzwischen etwa 600.000 bis 800.000 Menschen krankhaft kaufsüchtig sind.

Zusätzlich soll ungefähr die gleiche Zahl akut gefährdet sein, einer solchen Kaufsucht zum Opfer zu fallen.

Doch woher kommt dieser seit den 1990ern stetig zunehmende Konsumrausch? Feststeht: Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich auf Grund der Digitalisierung immer mehr Menschen im Internet zusammenfinden. Wir kaufen im Internet ein, wir treffen unsere Freunde im Internet und besuchen seit Corona auch dort die Uni, beziehungsweise finden dort unseren Arbeitsplatz. Dieser digitale Parallelraum lässt wenig Platz für Emotionen, Gesten und Gespräche. Hier läuft ein Großteil der Kommunikation über oberflächliche Eindrücke. In Teilen vermögen gerade jüngere Menschen das Gefühl gewinnen, dass unser Besitz zumindest in diesem Mikrokosmos unseren Status definiere, und zwar gleich welcher Art. Sei es beruflicher oder sozialer Natur. Dies ist ein gefährlicher Trugschluss, der durch die sozialen Medien befeuert wird und seine Auswirkungen nicht nur in Form einer immer oberflächlicher werdenden Gesellschaft zeigt, sondern auch in einem krankhaft zunehmenden Konsumverhalten.

So frage ich mich: Kann man unserer Gesellschaft tatsächlich eine pathologische Shoppingsucht attestieren?

Zunächst gilt es zu klären, was überhaupt unter eine Shoppingsucht verstanden wird?

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Sucht als: “ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge”

Zusätzlich werden folgende Kriterien bestimmt, die einen entscheidenden Einfluss haben:

unüberwindbares Verlangen zur Einnahme oder Beschaffung des Stoffes

Tendenz zur Dosissteigerung aufgrund einer Toleranzerhöhung

schädliche Einflüsse für den Einzelnen und oder die Gesellschaft

psychische und meist physische Abhängigkeit 

Kontrollverlust über das eigene Verhalten

Zusammenfassend lässt dich hier sagen: Sucht ist das Verlangen nach einem bestimmten Gefühlszustand. 

Das Verlangen nach dem „Suchtstoff“, in unserem Falle der Konsum, steht ganz oben auf der Liste und verdrängt jegliche rationalen Gegenargumente. Sowohl die Persönlichkeitsentfaltung als auch soziale Beziehungen werden hierdurch erheblich gestört.

Die Annahme, dass eine Sucht nur bei Rauschmitteln wie Alkohol oder Drogen möglich sei, ist ein fataler Irrglaube. Wichtig ist: Die einzelne Handlung, der einzelne Erfolg…nach dem man süchtig ist muss seiner Natur nach nicht verwerflich sein. Wie schon Paracelsus erkannte: Die Dosis macht das Gift.

Die Kaufsucht ist in Deutschland leider keine anerkannte Krankheit, sondern wird in der Wissenschaft lediglich als Störung der Impulskontrolle abgetan. Dies wirkt sich in zweierlei Fällen problematisch aus, und zwar zum einen bei der Prävention und zum anderen im Rahmen der Kuration. Das Totschweigen dieses gesamtgesellschaftlichen Problems konterkariert jegliche Möglichkeiten diesem sinnhaft entgegenzuwirken.  

Aufgrund dessen sehen die dafür aufgewandten Mittel im Bereich der Forschung eher bescheiden aus.

Wer an dieser Stelle denkt, dass der Konsumrausch lediglich ein Problem von gelangweilten Zahnarztgattinen sei, liegt grundlegend falsch.

Betroffene finden sich in jeglichen Alters- und Einkommensschichten wieder, gleichwohl sind beide Geschlechter zu gleichen Teilen betroffen.

Die Auswirkungen treten auf unterschiedliche Weise zu Tage: So sind manche Süchtige 365 Tage im Jahr auf der Jagd nach einem Schnäppchen, während andere in ihrem Rausch individuelle Designerstücken präferieren. Wie bei einem Alkoholiker gibt es auch hier verschiedene Suchttypen: So können beispielsweise auch mal drei Monate ohne einen einzigen Kauf ins Lande ziehen, was dann wiederum von einer exzessiven Suchtattacke abgelöst wird.

Doch die Sucht tritt in der Regel erst zu Tage, wenn die Erkrankten:

einen Kontrollverlust beim Einkaufen erleiden

ihre sozialen Beziehungen vernachlässigen, beziehungsweise hinter der Sucht anordnen

finanzielle Probleme erleben 

Schulden aufnehmen, um ihren Konsumrausch zu bedienen

Freunde und Familie vernachlässigen

viel mehr kaufen als sie eigentlich brauchen

Gekauftes verstecken, verstauen, vergessen und verschenken

Doch wie kannst du feststellen ob du ab und an einfach gerne einen Einkaufsbummel unternimmst oder schon süchtig bist. Hier sind unsere Top 8 Fragen, die du dir selbst stellen kannst, um dir diese Frage zu beantworten.

Kaufe ich häufiger ein als früher?

Fühle ich mich unwohl oder angespannt, wenn ich nicht einkaufen kann?

Macht mich mein Kaufverhalten wütend oder traurig?

Beobachten mir nahestehende Personen mein Kaufverhalten mit Sorge, beziehungsweise sprechen mich darauf an?

Verliere ich beim Einkaufen die Kontrolle über mich selbst?

Verstecke ich meine Einkäufe oder fühle mich schlecht dabei sie zu zeigen?

Kaufe ich in Situationen ein, in denen ich eigentlich andere Aufgaben zu erledigen hätte?

Sage ich manchmal Verabredungen ab, um stattdessen einkaufen zu gehen?

Auch wenn du zum aktuellen Zeitpunkt keine dieser Fragen mit „JA“ beantworten kannst, jedoch ein zunehmendes Verlangen nach Konsum in deinem Leben verspürst, ist das ein Zeichen für dich in Zukunft achtsamer zu sein.  

Wenn du das Gefühl hast akut suchtgefährdet zu sein, findest du auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Verzeichnis mit Suchtberatungsstellen. Auch Suchthilfegruppe in der Umgebung könnten dienlich sein. Diesbezüglich könntest du in der Datenbank für Nationale Kontakt-und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) fündig.

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.