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FINANZWISSEN

Sell in May and go away

von Zoe Brunner

Jahrzehnte lang berufen sich einige Aktionäre auf die „Sell in May“-Strategie. Sie sind davon überzeugt, dass November bis einschließlich April ein deutlich stärkeres Aktienwachstum aufweisen als in den anderen Monaten. Ist das alles nur eine veraltete Tradition oder doch faktisch erwiesen.  

„Sell in May“ ist ein bekanntes Sprichwort in der Finanzwelt. Sie basiert auf der historisch schlechten Performance von Aktien während des sechsmonatigen Zeitraums von Mai bis Oktober. Das heißt so viel wie: Während der Sommermonate sollte man seine Aktien nicht halten. Ursprünglich lautete das Sprichwort noch: „Sell in May and go away, and come back on St. Leger’s Day“. Die Idee dahinter war es nicht nur die Aktien im Mai zu verkaufen, sondern im Oktober wieder zu kaufen.  

Die Investment-Strategie soll nach Angaben der „Kiplinger“ vor hunderten von Jahren in England entstanden sein, als Kaufleute und Banker im Londoner Finanzdistrikt feststellten, dass die Anlagerenditen im Sommer generell schlechter ausfielen. Seit 1990 hat der US-amerikanische Aktienindex S&P 500 im Durchschnitt zwischen Mai bis Oktober eine jährliche Rendite von etwa 2 % erzielt, gegenüber etwa 7% von November bis April. Diese Zahlen sprechen zunächst für das Phänomen. 

Zahlreiche Anleger und Anlegerinnen haben bislang versucht von diesem Muster zu profitieren, indem sie von Mai bis Oktober in weniger konjunktursensible Aktien umschichteten. Bei solchen Strategien werden Aktien Anfang Mai verkauft und mit dem Erlös um Halloween herum wieder gekauft. Eine Analyse von Bouman und Jacobsen (2002) zeigt, dass der Effekt in der Tat in 36 von 37 untersuchten Ländern aufgetreten ist. In Europa ist er am stärksten.  

Inflation 

Diese Muster hat sich im Jahr 2020 nicht bewahrheitet. Zu dem Zeitpunkt lag es noch an der Corona Pandemie, doch selbst 2022 geht die Rechnung nicht auf.  Die führende Wirtschaftsinstitute erwarten für 2022 nur noch 2,7 % Wachstum, wobei sie im Herbst noch 3,8% prognostizierte. Der Krieg in der Ukraine sowie die explodierenden Energiepreise führten zu einer aufflammenden Inflation. In Deutschland lag die Geldentwertung bei 7,5 % und in den USA zuletzt sogar bei 8,5 %. Die US-Notenbank hat bereits erste Maßnahmen herbeigeführt und die Zinsen erneut um 0,5 Prozentpunkte angehoben. Die EZB wird voraussichtlich noch dieses Jahr nachziehen.  

Die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen wirken sich auf die Aktienmärkte aus. Laut dem Fondsmanager Stefan Breitner achten AktionärInnen viel mehr auf eine starke Marktposition, Dividende und Preissetzungsmacht, anstatt auf das Umsatzwachstum des Unternehmens zu schauen. Nur die performancestarken Tech-Aktien wie Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google können sich vergleichsweise gut halten.  

Fazit 

Die Frage ist nun: Soll man sich der „Sell in May“-Strategie anschließen oder doch lieber die Aktien halten? Finanzexperten empfehlen, die Aktien als Investment fortzusetzen trotz trüben Aussichten. In der Vergangenheit hat es sich erwiesen, dass die Kosten bei einem regelmäßigen Ausstieg und Wiedereinstieg in den Markt erheblich sein können. Außerdem ist es heutzutage einfacher, den Markt zu beobachten und jederzeit während des Jahres Änderungen an ihren Anlagen vorzunehmen. Deshalb ist es grundsätzlich nicht ratsam sich an der „Sell in May“-Strategie zu orientieren. Zudem können auch Krisen im Mai auftreten, wodurch diese Strategie ebenso nicht aufgehen würde.  

ein Artikel von
Zoë ist in London aufgewachsen und besuchte dort die deutsche Schule. Aktuell arbeitet sie bei StoryMachine, studiert Journalismus und ist nebenbei als freie Journalistin tätig.