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Rundfunkgebühren

Rundfunkgebühren oder das Ende der Solidarität?

von Isabella Müller-Reinhardt

Es mag viele Gründe geben, die Rundfunkgebühren abzuschaffen. Doch ein Argument lasse ich nicht gelten: Die „Nichtnutzung“.

„Aber ich habe nicht mal einen Fernseher“ oder „aber ich schaue gar kein ARD oder ZDF“. Das meine Lieben nennt sich Solidarität. Denn auch Menschen ohne Führerschein finanzieren mit ihren Steuern den Bau von Autobahnen. Alle zahlen in einen Topf und aus diesem Topf wird unterschiedliches bezahlt. Die einen profitieren von manchen Ausgaben mehr als andere. Das ist übrigens bei gesetzlichen Krankenkassen nicht anders. Heinz rennt ständig zum Arzt, bekommt Behandlungen und Medikamente verschrieben, Klaus dagegen ist nie krank. Beide zahlen aber monatlich den gleichen Beitrag. Und so ist das mit den Rundfunkgebühren auch.

Meine Eltern schauen täglich Nachrichten, Magazinsendungen und Filme. Sie nutzen das ganze Angebot der ARD und des ZDF hoch und runter. Im Auto meiner Eltern läuft ausschließlich B5 aktuell. Ihr Enkel dagegen guckt nur Disney Chanel, Netflix und Amazon. Der kennt die Sender der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht einmal. Dafür gibt es aber eine Menge anderer erwachsener Menschen, die ihr Leben lang kinderlos sind und dennoch mit ihren Steuern Kindergärten subventionieren.

Und ich glaube genau hier liegt das große Problem. Das eine bekommen Heinz und Klaus und auch meine Eltern gar nicht so genau mit. Nämlich, was mit ihren Steuern teilweise alles so finanziert wird. Auf der anderen Seite ist der Rundfunkbeitrag ein sehr sichtbarer Geldbetrag, der gesondert vom Konto abgebucht wird. 

Ich bekomme alle drei Monate von ARD, ZDF und Deutschlandradio eine Rechnung per Post zugeschickt. Brav überweise ich dann den Betrag in Höhe von 55,08 Euro online. Ich könnte mich also vier Mal im Jahr aufregen. Besonders wenn das Konto in dem Moment ziemlich leer wäre und ich das Geld lieber für etwas anderes ausgeben würde. Das ist bei Steuern nicht der Fall. Da gibt es keine offizielle Auflistung. Wo mein Geld so genau hinfließt, weiß ich nicht. 

Wusstet Ihr, dass der Bund jedes Jahr die Tierindustrie mit 13 Milliarden Euro fördert?

Bei 83 Millionen Einwohnern macht das im Jahr 157 Euro pro Kopf. Im meinem Haushalt leben drei Personen. Müsste ich jetzt jedes Jahr eine Tierindustrie-Gebühr in Höhe von 471 Euro an den Staat überweisen, würde ich mich gerade als Vegetarierin auch aufregen. In Deutschland werden auch jedes Jahr gut 10 Milliarden Euro Steuergelder (!) ausgegeben, um Opern und Theater zu finanzieren.

Hört Ihr auch die Massen skandieren: „Aber ich gehe doch gar nicht ins Theater!“ oder „ich hasse die Oper!“

Nö. Und warum? Weil der Kulturbanause gar nicht weiß, dass er den Kulturbetrieb in Deutschland mit seinen Steuern am Leben hält. Es gibt viele und gute Gründe, die Rundfunkgebühren in Deutschland mehr als nur kritisch zu sehen. Aber vielleicht haben auch viele Menschen nur ein Problem mit dem Begriff. „GEBÜHREN“ klingt nämlich immer negativ.

In Frankreich wurde vergangene Woche (KW32 / 2022) die Rundfunkgebühr abgeschafft. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird es bei unseren Nachbarn aber auch weiterhin geben. Bis Ende 2024 wird er durch einen Teil der Mehrwertsteuer finanziert. Für die Zeit danach muss die Regierung noch einen Finanzierungsplan vorlegen. 

Am Ende werden die Gebühren über irgendwelche Steuern eingetrieben. Die Bevölkerung zahlt also weiterhin nur steht es nicht mehr schwarz auf weiß auf den Kontoauszügen.

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Isabella Müller-Reinhardt
Isabella Müller-Reinhardt

Die in Madrid aufgewachsene Münchnerin arbeitet seit mittlerweile mehr als zwanzig Jahren als Sportmoderatorin für verschiedene deutsche und englische Fernsehsender. Zu den Stationen Müller-Reinhardts zählen unter anderem ARD, ITV, Sport1, Sky und Arena. Zudem plaudert sie in einem Podcast über „Weiberkram“, schreibt diverse Sportkolumnen und hat mit "Mensch Trainer" im Sommer 2020 ihr erstes Buch veröffentlicht.