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Resilienz: Die beste Schutzweste in belastenden Zeiten

von Frank Behrendt

Nachdem vor noch nicht allzu langer Zeit die NewWork-Expert:innen durch die Netzwerke tingelten und ihre Weisheiten zum Besten gaben, geistert nun ein neues Buzzword durch Social Media: Resilienz.

Ein Coach erklärte mir Resilienz treffend als den „Rocky-Balboa-Spirit“. Der von Hollywoodstar Sylvester Stallone gespielte Faustkämpfer boxt sich seit 1976 im Kino durch, in mittlerweile acht Filmen hat er viel einstecken müssen, stand aber immer wieder auf.

Die Wissenschaft ist schon lange davon fasziniert, warum manche Menschen besser durch problematische Zeiten kommen als andere. Inzwischen gibt es mit dem Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) sogar eine Einrichtung, in der Neurobiolog:innen, Physiker:innen, Mediziner:innen und Psycholog:innen interdisziplinär das Phänomen der Resilienz erforschen. Die Wissenschaftler:innen möchten Mechanismen verstehen und Strategien zur Förderung von Resilienz entwickeln. Damit widmet sich das LIR einer aktuell besonders drängenden gesellschaftlichen Frage, die im Zuge von Corona, zunehmenden Naturkatastrophen oder dem aktuellen Krieg in der Ukraine weiter an Bedeutung gewonnen hat.

Forscher haben bereits herausgefunden, das resiliente Menschen über eine ganz bestimmte Kombination an Eigenschaften verfügen, die ihre seelische Widerstandskraft ausmachen. In der Fachsprache werden sie als „Resilienzfaktoren“ bezeichnet: Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Netzwerkorientierung und Lösungsorientierung lauten sie. Resiliente Menschen sehen Krisen als einen Teil des Lebens und begegnen ihnen mit positiver Denke.

In Köln, wo ich lebe, hatten die Bewohner:innen schon immer eine optimistische Grundhaltung. Ihr Mantra: „Et hätt noch immer jot jejange“. Diese positive Power in jeder Lebenslage made in Kölle ist übrigens einer der Gründe, warum ich so gerne in dieser Stadt lebe. Resiliente Menschen haben zudem einen unerschütterlichen Glauben in ihre eigenen Fähigkeiten, mit denen sie Herausforderungen begegnen. Natürlich können auch sie nicht die Welt retten, aber in ihrem eigenen Kosmos gehen sie niemals unter.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass ein Grundstein für dieses Zutrauen bereits in der Kindheit gelegt wird. Wer immer nur „das kannst du nicht“ zu hören bekommt, verinnerlicht das. Kinder, denen dagegen schon früh viel zugetraut wird, nehmen das mit fürs Leben. Meine Eltern haben mir immer gesagt: „Du schaffst das, weil Du es willst und weil Du Du bist.“ Damals habe ich darüber nicht groß nachgedacht, heute bin ich über dieses motivierende Urvertrauen unendlich dankbar und gebe es in gleicher Form an meine Kinder weiter.

Spannend finde ich auch den Punkt, dass resiliente Menschen stabile soziale Beziehungen aufbauen und deren Hilfe in schweren Zeiten offen annehmen. Wer kennt nicht die Aussage: „Erst in der Not habe ich gemerkt, auf wen ich mich wirklich verlassen kann.“ Meist stammt sie von Leuten, die aufgrund ihrer Position und ihrer Erfolge von zahlreichen Menschen umschwirrt werden, so wie es Motten bei einer Glühbirne tun. Geht die Lampe aus, verschwinden die Flattertiere – ebenso die realen Follower:innen, die sich gerne im Glanz des Erfolges anderer sonnen.

Im Netz sind digitale „Freunde“ ohnehin mit Vorsicht zu genießen, als verlässliche Anker in schwerer See taugen sie selten. Die sechste Eigenschaft der resilienten Menschen ist der Darling der Personalberater:innen: Die Lösungsorientierung. Ich muss dabei immer an meine erste Chefin beim Waschmittelhersteller Henkel denken. Wenn jemand aus dem Team mit einem „Problem“ um die Ecke kam, sagte sie: „Es gibt keine Probleme, nur Lösungen auf unterschiedlich schwierige Aufgabenstellungen.“ Meine älteren Kollegen verdrehten dann die Augen, ich fand es großartig und habe es später als Chef ebenfalls gepredigt.

In Seminaren wird oft gefragt, so berichtete mir eine erfolgreiche HR-Beraterin, ob man Resilienz trainieren kann. Ihrer Meinung nach ja, denn für sie ist Resilienz wie ein Muskel. Aber auch die brauchen zwischendurch Erholung, um zu wachsen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mir in einer Fortbildung, auf die mich mein erster Agentur-Geschäftsführer schickte vermittelt wurde, dass Widerstandsfähigkeit durch Abhärtung wächst. „Nicht jammern, mehr arbeiten, durchhalten, Gras fressen“, habe ich den damaligen Coach, einen früheren Leistungssportler, noch im Ohr.

Darüber schütteln Resilienz-Expert:innen heute nur noch den Kopf. Denn die einst favorisierte harte Vorgehensweise macht uns nicht widerstandsfähiger, sondern führt eher zur Überforderung, Endstation Burnout. „Der wichtigste Baustein für Resilienz ist Erholung“, erklärte mir mein Psychologen-Freund Bertold. „Eine stabile Seelenverfassung ist der beste Schutz gegen negative Energien“. Ich mache deshalb genauso weiter, wie seit vielen Jahren: Ich genieße das Leben jeden Tag im Kleinen, pflege mein Netzwerk der mir nahen Menschen und sammle dadurch Resilienz-Puzzleteile für das große Schutzschild gegen alles, was jetzt und in Zukunft Unerfreuliches auf mich einprasselt. 

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.