FINANZIELL FREI

Rente mit 40: Im Gespräch mit Frugalist Florian Wagner

von Michael André Ankermüller

Geld spielt in unserem Leben meistens eine große Rolle: Wenn wir zu wenig davon haben, machen wir uns oft Sorgen. Ist es jedoch ausreichend vorhanden, ermöglicht es Freiheiten. Aus diesem Grund ist Florian Wagner Frugalist, der mit 40 Jahren finanziell unabhängig sein möchte. Wir haben uns mit Florian zum Gespräch getroffen.

Was versteht man konkret unter der FIRE-Bewegung?

Die FIRE Bewegung steht für Financial Independence Retirement Early und meint eine Gruppe von Menschen, die vom Konzept des Frugalismus (Fokus auf Lebensfreude, effizienter Umgang mit Geld) angetan ist und sich durch Investitionen am Aktienmarkt oder Immobilien durch Kapitalertäge ein Einkommen aufbauen möchten, das sie immer unabhängiger von einem Arbeitseinkommen macht. Viele von ihnen haben im Alter von 30, 40 oder 50 ausgesorgt und die Option, nicht mehr für Geld arbeiten zu müssen, da die Kapitalerträge den Lebensunterhalt decken.

Rente mit 40. Wie realistisch ist das?

Finanzielle Unabhängigkeit mit 40 ist für Gutverdiener wie Ingenieure, Ärzte, Anwälte viel realistischer als sie denken. Es kommt dabei immer allein auf die monatliche Sparquote an: Wie viel Prozent meines Gehaltes kann ich monatlich sparen und investieren? Wenn ich sehr hohe Ausgaben habe, um ein glückliches Leben zu schaffen, benötige ich auch entsprechend mehr Vermögen, um allein aus Kapitalerträgen leben zu können. Faustregel: 25-fache meiner Jahresausgaben an investiertem Vermögen und ich kann davon leben. Für Geringverdiener ist eine Rente mit 40 nicht realistisch – hier kann das Finanzziel zum Beispiel darin liegen, dass ich mir mehr finanzielle Sorglosigkeit aufbaue, indem ich Konsumschulden tilge, einen Puffer aufbaue und so bei der anstehenden Autoreparatur keine Kopfschmerzen bekomme.

Ist Frugalismus mit spartanischem Verzicht gleichzusetzen? Oder um was geht es konkret?

Es geht eben nicht um Verzicht, sondern um die Schaffung eines glücklichen Lebens. Ich senke meine Ausgaben nur soweit, wie sie meine Lebensqualität nicht verschlechtern. Ich versuche Dinge effizient zu erreichen, d.h. mit einer guten Kosten-Freude-Quote. Lebensqualität steht an oberster Stelle – danach frage ich mich aber: Bin ich langfristig zufriedener, wenn ich häufiger selbst und gesund koche oder fünf mal pro Woche Fast Food esse? Bin ich bei der Arbeit produktiver, wenn ich zu Arbeit radle oder mich in ein Auto setze? Als Nebeneffekt dieser Überlegungen werde ich weniger Geld ausgeben.

Auf was verzichtest Du am meisten?

Ich verzichte auf nichts, was mir Lebensfreude bringt. Was ich laufend reduziere ist ungesundes Essen, unnötige Autofahrten und mit Geld Probleme zu lösen: Ein Handy konnte ich auch einmal selbst reparieren und habe Neues gelernt.

Wie wird man am besten selbst zum Frugalist? Welche Voraussetzungen braucht es dafür?

Am besten überlegt man sich, was einen im Leben wirklich glücklich macht: Möchte ich die Karriereleiter emporklettern, mehr Zeit auf der Arbeit verbringen und Verantwortung für 50 Mitarbeiter haben? Wenn ja, go for it. Wenn nein – was möchte ich dann? Vielleicht Freitags frei haben und Zeit mit der Familie verbringen? Mache ich einen Wochenendtrip nach Paris und Feierabendbier nur, weil die Arbeit so nervig war? Dann könnte ich überlegen, meinen Job zu wechseln, Stunden zu reduzieren oder eine Selbstständigkeit aufbauen für ein Thema, das mir nicht täglich all meine Energie aussaugt, sondern mir vielleicht sogar Freude macht. Dann muss ich auch weniger Fluchturlaube nach Paris oder den Feierabendbars machen.

Rente mit 40 hört sich gut an. Aber, wie soll das funktionieren, wenn man Kinder hat?

Das beste Argument ist immer ein konkretes Beispiel: Daher habe ich im Buch Rente mit 40 ebenfalls Familien mit Kindern portraitiert, die es „trotz“ Kindern zur finanziellen Unabhängigkeit mit 40 oder früher geschafft haben. Jeder gestaltet sein eigenes Leben – eine Rente mit 40 oder 50 ist etwas außergewöhnliches, daher haben diese Menschen auch nicht nach Feierabend die Beine hochgelegt sondern Immobilien renoviert, einen Hausmeisterjob gemacht etc. Wer etwas Außergewöhnliches möchte, muss auch außergewöhnlichen Einsatz zeigen.

Wo kann jeder im Alltag sparen?

Der größte Spartrick ist ganz einfach: Einen Überblick über Ein- und Ausgaben schaffen. Wenn wir einmal unsere Ausgaben konkret vor Augen haben, können wir auch unser Verhalten ändern. Sei es mit Bleistfift und Papier oder digital mit einer Finanzexcel. Habe ich meine Ausgaben schwarz auf weiß vor Augen, kann ich bewusst entscheiden, dass ich weniger rauche oder Alkohol trinke, häufiger selbst koche, weniger das Auto benutze. Auch ist finanzielle Bildung wichtig, dass ich lerne wie ich langfristig vernünftig investieren kann – sonst bringt mir all das Sparen nichts, wenn mein Geld durch die Inflation auf dem Sparbuch jedes Jahr weniger wird.

Welche Geld-Anlagen würdest Du als Frugalist empfehlen? Und in was investierst Du persönlich?

Zuerst sollte ein Notgroschen in Höhe von 3 – 6 Monatsausgaben auf dem Girokonto aufgebaut werden. Im Anschluss Schulden tilgen. Danach je nach Anlagehorizont und persönlicher Risikoneigung kann ich einen Teil meines Ersparten zum Beispiel in günstige ETFs am Aktienmarkt investieren und mich so an den größten Unternehmen weltweit beteiligen. Ich selbst investiere ebenfalls so, zusätzlich aber auch in mein Unternehmen oder in meinem speziellen Fall in Websites – da ich in der Selbstständigkeit mein Geld mit Suchmaschinenoptimierung verdiene und daher weiß, wie ich Websites bei Google nach vorne bringe. Auch investiere ich regelmäßig in mich selbst durch Weiterbildungen.

Ist Frugalismus politisch?

Politisch nicht wirklich, vielmehr aber gesellschaftlich und nachhaltig. Wer sich bewusst macht, wofür er sein Geld ausgibt, wird Abstand von Billigprodukten nehmen, mehr auf Qualität setzen, weniger häufig aber dafür in besserer Qualität konsumieren. Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit ist ein schöner Nebeneffekt der frugalistischen Verbesserungen, der viele motiviert.

Wirst Du dein Ziel erreichen und falls ja, wie soll es dann weitergehen?

Heute glaube ich nach zwei Jahren Selbstständigkeit im Alter von 33, dass ich das Ziel der finanziellen Freiheit mit 40 sogar schneller erreichen werde, als wäre ich im Angestelltenjob geblieben. Ich mache jedoch heute schon das, was mir Freude macht, daher fühle ich mich bereits so, als wäre ich bereits am Ziel, auch wenn ich noch etwas Geld verdienen muss. Mir ist es daher gar nicht mehr wichtig, ob ich das Ziel rechnerisch mit 40, früher oder später erreiche – ich möchte sowieso bis ich 90 bin, arbeiten – aber eben nach meinen Regeln, an meinen Projekten unabhängig vom Zwang Geld verdienen zu müssen.

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.