© Jenny Ueberberg / Unsplash
Wie glücklich macht Geld?

Remote Leadership: Herz ist Trumpf!

von Frank Behrendt

Dass die Arbeitswelt sich massiv verändert, ist nicht erst klar, seit der Begriff „NewWork“ zum Popstar der Semantik wurde. Nachdem die Welt von der Corona-Pandemie in die Zange genommen wurde, hat der Change-Prozess zusätzlich an Dynamik gewonnen. Auch den größten stationären Büroenthusiasten ist mittlerweile klar geworden, dass es ein „back to normal“ in Bezug auf die vor-Ort-Präsenz der Mitarbeitenden an den Norm-Schreibtischen nicht mehr geben wird.

Zu klar sind die messbaren positiven Effekte der Vorteile von Remote-Work. Und zwar nicht nur mit Blick auf die eingesparten Kosten oder die reduzierten CO2-Emissionen durch entfallende An- und Abfahrten zum Arbeitsplatz. Positive Ergebnise durch mehr Homeoffice sind nicht erst seit den Corona-bedingten Lockdowns bekannt: Bereits im Jahr 2013 fand eine Studie der renommierten Stanford University heraus, dass Remote-MitarbeiterInnen um 13 Prozent produktiver sind als ihre KollegInnen im Büro. Zudem schätzen sie die Homeoffice-Vorzüge, mit denen sich Arbeit und das individuelle Leben besser miteinander verbinden lassen so sehr, dass sie nur halb so oft kündigen wie diejenigen, die im Büro die überwiegende Mehrzahl ihrer Werktage verbringen.

Früher fremdelten viele Führungskräfte mit den möglichen Veränderungen, sie wurden als „Hype“ abgetan, der wie ein Gewitter bald wieder vorbeiziehen würde. Stattdessen gab es jede Menge strikte Anweisungen, die Präsenz in den angestammten Räumlichkeiten der Bürokomplexe vorsah und Remote-Fans flexiblere Freiheiten eher erschwerten. Heute hat sich die Einstellung gewandelt, nicht zuletzt durch den zunehmenden Fachkräftemangel. Gut ausgebildete und ambitionierte MitarbeiterInnen stellen immer höhere Anforderungen an ihre Arbeitgeber. Wer nicht ausreichend gewünschte Flexibilität in Bezug auf Arbeitsorte und Zeiten offeriert, hat schnell das Nachsehen um die besten Talente.

Eine Gallup-Umfrage fand heraus, dass 54 Prozent der Büroangestellten ihren aktuellen Arbeitsplatz aufgeben würden, wenn ihnen ein anderes Unternehmen mehr Flexibilität ermöglicht. Ein lauter Weckruf für LeaderInnen, die nach wie vor eher traditionell ticken. Aber auch ManagerInnen, die Remote-Work positiv gegenüberstehen, müssen ihr Führungsverhalten neu justieren. Neben vielen positiven Effekten lauern schließlich auch jede Menge neue Gefahren, die es in der bisherigen analogen Bürofamilie mit spontanen Treffen auf dem Gang oder in der Kaffeeküche so nicht gab.

Mangelnde Kommunikation kann für mehr Fehler im Prozess sorgen oder spontane Optimierungen, durch das bewährte Quick-Check Vier-Augen-Prinzip über den Schreibtisch hinweg, verhindern.  Auch die Vereinsamung von HomeworkerInnen durch fehlende direkte Sozialkontakte, ausfallende Live-Events oder auch mal Umarmungen, ist ein ernst zu nehmendes Thema. Das Bedürfnis nach Wohlbefinden ist schließlich eine angeborene Facette des menschlichen Wesens. Wir alle brauchen jede Menge Interaktionen mit anderen, der Arbeitsplatz, wie wir ihn über Jahrzehnte kannten, war dafür ein guter Ort.

Arbeits-PsychologInnen registrieren zudem ein gesteigertes Burnout-Risiko im individualisierten Remote-Arbeitskosmos, weil kein kollektiver Start und Schluß mehr zelebriert wird. Ein Schlüssel, um dem entgegen zu wirken: Ein klares Erwartungsmanagement und entsprechendes Verhalten der Führungskräfte. Die sollten ihren Teams vermitteln, dass es auch im Homeoffice darum geht, einen erfolgreichen Arbeitstag zu verbringen – dazu gehören Pausen und Inspirations-Breaks. Wer nur von früh bis spät vor dem Computer sitzt und von einem Video-Call in den nächsten hetzt, liefert am Tagesende keine Top-Ergebnisse mehr ab. Ebenso gilt es klar zu machen, dass auch zu Hause mal Schluß sein muss mit der Arbeit, so wie im Büro die Menschen nach erledigtem Tagwerk den Rechner runterfahren und nach Hause gehen. Nur weil sie da nun als Remote-WorkerInnen schon sind, sollte das nicht ein open end in Bezug auf den Arbeitstag bedeuten.

Das untermauern gute LeaderInnen, in dem sie auch die Homeoffice-Force nicht rund um die Uhr kontaktieren, sondern ausschließlich während der üblichen Arbeitszeiten. Ein befreundeter Psychologe, der viele Führungskräfte coacht, sagte mir, dass nun „Leadership in einer neuen Dimension“ gefragt ist. Gerade weil weniger persönliche Nähe da ist, „müssen die Vorgesetzten näher an ihre Teams heranrücken, sich interessieren, ein noch offeneres Ohr für die Menschen haben.“ Dabei muss es nicht immer ein Video-Call sein, vielleicht gerade nicht, denn davon gibt es ohnehin genug. Nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist mir in diesem Zusammenhang ein Tweet des von mir sehr geschätzten Agenturmannes Dennis Meding. Der twitterte kürzlich: „Ich habe heute jemanden angerufen. Einfach so. Mit dem Telefon. Ohne vorher einen Video-Call einzustellen oder Terminvorschläge zuzusenden.“ Ein herzliches Gespräch von Mensch zu Mensch ist ein ebenso einfaches wie funktionierendes Beispiel, wie direkte Nähe hergestellt werden kann – auch wenn man sich nicht von Angesicht zu Angesicht im Büro sieht.

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.