Klug geglotzt

Diesen Dokumentarfilm über Putin solltest du gesehen haben

von Moritz Weinstock

Der Dokumentarfilmer Vitali Manski hat Putin ein Mal gefilmt und zwei Filme produziert. Als Bewunderer 2001 und als Kritiker im Jahr 2019. Schonungslos ehrlich ist jedoch nur die neue Version.

Politik und Wirtschaft gehören untrennbar zusammen, auch wenn liberale Menschen das am liebsten ganz anders hätten. Und weil Firmen Manager brauchen und Staaten Präsidenten, ist es nicht allzu weit hergeholt, auch mal ein Staatsoberhaupt in den Fokus zu rücken, um mehr Verständnis für das komplexe Weltgefüge zu schaffen. Diesmal: Wladimir Wladimirowitsch Putin.

Vom Bewunderer zum Kritiker

Einer der einst eintönig berichtete, ja gar die Position des Bewunderers einnahm, ist Vitali Manski. Um die Jahrtausendwende war der Regisseur als privater Dokumentarfilmer für Putin tätig. Er begleitete den damals vergleichsweise unbekannten Politiker und Ex-Geheimdienstchef auf seinem Weg nach oben und zeichnete mit seinem ersten Film „Putin. Das Schaltjahr“ das Bild eines „jovialen, umgänglichen Manager(s)“ nach, „der aber im Grossen wie im Kleinen akribische Ordnung hält“, wie die NZZ schreibt. Das war 2001, nur zwei Jahre nachdem Präsident Boris Jelzin seinen Rücktritt bekannt gab und Putin zum Nachfolger ernannte.



17 Jahre später ist aus dem einstigen Bewunderer Manski ein schonungslos selbstkritischer Mann geworden, der altes Filmmaterial gesichtet und völlig neu interpretiert hat.

Ehrlich, schonungslos und spannend

Wenn Filmmaterial Gold wert sein könnte, dann jenes von Manski. Denn neben offiziellen Dreharbeiten, lies er damals auch immer seine privat Videokamera mitlaufen. Schließlich sollte sein erster Film als Werbung für den unbekannten Sprössling Jelzins dienen und ihn mit ungewöhnlich persönlichen Aufnahmen als volksnah und ehrlich in der Gesellschaft vermarkten.

Genau diese Aufnahmen aber, bei Familie Jelzin zuhause, als die Wahlergebnisse bekanntgegeben wurden, oder als Putin seine ehemalige Volksschullehrerin besucht, liefern in „Putin’s Wittnesses“ (Putins Zeugen) ein völlig anderes Bild. Selbstkritisch setzt sich der Regisseur mit seinen Aufnahmen auseinander, schätzt ein und seziert aus dem Off jedes noch so kleine Detail mit dem Skalpell seines heutigen Wissens. Klar, dass so jemand nicht mehr in Russland leben kann, wobei der heutige Wahl-Lette über die Konsequenzen nur spekulieren kann.

ein Artikel von
Moritz Weinstock
Moritz hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und seine Leidenschaft fürs Schreiben mit nach Berlin gebracht. Nach lehrreichen Jahren als Redakteur bei einem Motorradmagazin, ist er nun als Channel-Editor für ZASTER tätig. Sein Zugang zur Wirtschaftswelt: er lebt auf zehn Quadratmetern und spart, was das Zeug hält.