JAHRHUNDERTBETRÜGER 4/5

Ponzi – der Schurke, auf dessen Masche die Weltnation reinfiel

von Anton Kleihues

Die größten Finanzbetrüger aller Zeiten haben Milliarden und Abermilliarden veruntreut. In unserer Serie beleuchten wir ihre Geschichten, ihre Masche und ihre Opfer.

Die Grundzüge der meisten Betrugsfälle in der Finanzwelt heute gehen zu großen Teilen auf einen Mann zurück, der seinen Kunden nach heutigem Geldwert um mehr als 150 Millionen Dollar geprellt hatte. Dafür setzte er die nach ihm benannte Masche ein, die auch zum Beispiel Bernard Madoff nutzte . Zwischenzeitlich hatten sich in Ponzis Büro die Geldbündel nur so gestapelt. Er lebte in Saus und Braus und niemandem fiel seine Vergangenheit, in der er bereits betrogen hatte, auf. Seine Kunden sahen nur das Geld, das sie mit dem kleinen italienischen Einwanderer würden machen können. Viele Amerikaner verpfändeten ihr Haus und ihre Habseligkeiten, um nach der Ponzi-Methode reich zu werden. Dies nutzte der freche Italiener aus und bereicherte sich selber. Wie so häufig flog das Ganze am Ende auf und sein Absturz war schrecklich. Doch lasst uns die Zeit zurückdrehen und die Geschichte von Anfang erzählen.

Charles „Carlo“ Ponzi wanderte im November 1903 im Alter von zarten 21 Jahren mit, so ist es überliefert, 2,50 Dollar in den Taschen in die USA ein. Anfangs arbeitete er in einem Restaurant. Tagsüber lernte er fleißig englisch und arbeitete, nachts schlief zunächst auf dem Boden des Restaurants. Sein Englisch verbesserte sich schnell und er stieg zum Kellner auf. Nach kleinen Betrügereien wurde er entlassen. 1907 zog es ihn nach Montréal in Kanada. Als Bankangestellter wurde er dort Zeuge davon, wie sein Chef, der Bankier Luigi Zarossi, italienische Neuankömmlinge mit sechs Prozent Jahreszins lockte. Das war das Doppelte des damals üblichen Zinssatzes. Schnell geriet Zarossi in Schwierigkeiten und beglich die fälligen Zinsen durch Plünderung der Konten von Neuanlegern. Mit dem „Restgeld“ setzte er sich nach Mexiko ab.

Ponzi, der ein enges Verhältnis zu Zarossi und seiner Familie gepflegt hatte, zog in dessen Abwesenheit zu der Familie und plante die Rückkehr Zarossis in die Vereinigten Staaten. Um dies zu finanzieren, stellt er sich im Büro eines ehemaligen Zarossi-Kunden unbeobachtet einen Scheck in der Höhe von 423 Dollar aus. Als der Betrug aufflog, wurde Ponzi zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Seiner Familie in Italien log er in einem Brief vor, er habe eine Stelle als Assistent des Gefängniswärters gefunden.

Nach seiner Entlassung begann er zunächst damit, Branchenbücher zu verkaufen, die Firma ging jedoch schnell bankrott. Während die Firma aber noch lief, bekam Ponzi einmal Post aus Spanien. Eine Firma dort interessierte sich für einen Katalog und legte im Brief einen Internationalen Antwortschein hinzu. Ende des 19. Jahrhunderts war der Geldwert eines solchen Antwortscheins noch an die Währung gekoppelt. Als die europäischen Währungen jedoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts dramatisch an Wert zu verlieren begannen, konnte man in Europa einen Schein für den Bruchteil des in den USA üblichen Preises erwerben. Ponzi erkannte das unglaubliche Potenzial, das darin steckte sofort und warb Mitarbeiter an, die in Europa ebendiese Scheine in rauen Mengen kauften, um sie dann in den USA wieder zu veräußern. 1920 konnte man in Spanien für umgerechnet einen US-Cent einen Antwortschein kaufen, der in den USA selbst 6 Cent wert war.

Die damals langen Postlaufzeiten und die Bürokratie im internationalen Postverkehr verhinderten aber ein profitables Geschäft. Ponzi begann, Kunden anzuwerben, die Geld in diese Antwortscheine investierten. Dafür gründete er sogar eine eigene Firma, die „Securities Exchange Company“. Um so schnell wie möglich viele Kunden anzuwerben, versprach Ponzi seinen Kunden 50 % Rendite in 45 Tagen oder die Verdoppelung des angelegten Geldes in 90 Tagen. Weil das Geschäft so blendend lief – er zahlte, wenn jemand seinen Gewinn sehen wollte – forderten die vertrauensseligen Kunden ihre Einkünfte nicht ein und ließen Ponzi ihre „Gewinne“ immer wieder „reinvestieren“. Die Menschen hatten bereits die Dollarzeichen in den Augen und verpfändeten sogar Haus und Habseligkeiten, um mit Ponzi und seiner Geschäftsidee reich zu werden.

In wenigen Monaten des Jahres 1920 vergrößerte Ponzi sein Vermögen von wenigen Tausend Dollar auf mehrere Millionen. Das Geld stapelte sich in Ponzis Büro. Als aber ein Möbelhändler bei Ponzi erfolglos Geld einforderte, wurden die Medien auf seinen Reichtum aufmerksam. Als das Finanzamt schließlich sein Vermögen und das Geschäft genauer unter die Lupe nahm, fanden sie kaum Antwortscheine. Sie errechneten, dass Ponzi für das eingenommene Geld 160 Millionen derartiger Scheine hätte kaufen müssen. Doch im Umlauf waren zu dieser Zeit gerade einmal 27.000 (0,02 Prozent). Als dann auch noch seine Vorstrafen offengelegt wurden, erkannten die Anleger den Betrug. Doch es war zu spät. Rund 40.000 Kunden hatten Ponzi rund 15 Millionen Dollar anvertraut. Bei der Durchsuchung seiner Büros wurden aber „nur“ 1,5 Millionen Dollar sichergestellt. Ponzi wanderte wieder für Jahre in den Knast.

Nach seiner Entlassung versuchte er sich in den verschiedensten Jobs: Von Übersetzer, Hotelmanager, windiger Immobilienmakler bis hin zum eigens von Benito Mussolini eingesetzten Airline-Manger. Nachdem er mit allem gescheitert war, lebte er von Arbeitslosenunterstützung und einem kleinen Zuverdienst durch Englischunterricht. 1949 starb er in der Armenabteilung eines Spitals in Rio de Janeiro nach einem Hirnschlag – er war fast blind und seine linke Körperhälfte war gelähmt. Ein Mann übernahm Ponzis Bestattung; die 75 Dollar aus der staatlichen Alterspension deckten gerade die Begräbniskosten.

ein Artikel von
Anton Kleihues
Anton studiert Politik in Berlin und liebt es, zu schreiben. Als ZASTER-Redakteur versucht er dabei immer neue, aktuelle und relevante Themen zu behandeln. Am liebsten berichtet er über Politik und Sport.