Patagonia zählt seit seiner Entstehung zu den profiliertesten Marken im Outdoor-Bereich. Von Anbeginn hat das Unternehmen aus Ventura/Kalifornien es sich zur Aufgabe gemacht, eine „gute“ Firma zu sein. Faire Arbeitsbedingungen, eine transparente Lieferkette und Nachhaltigkeit stehen an oberster Stelle ihrer Prioritätenliste. Heute schwören nicht nur Sportler auf die Produkte der kalifornischen Marke. Selbst Banker, Hipster und modisch versierte Menschen brüsten sich mit den farbenfrohen Kleidungsstücken.
Warum? Weil das Markenimage perfekt zum modernen, bewusst lebenden Großstädter passt und man sich nicht schlecht fühlen muss, wenn man sich für eine ihrer Daunenwesten entscheidet – im Gegenteil! Patagonia unterstützt weltweit Initiativen, Petitionen und Projekte, die sich dem Schutz der Natur widmen. Zudem wirbt die Firma für die Wiederverwendung gebrauchter Kleidung, bietet kostenlose Reparaturen an (Worn Wear) und schlüsselt penibel genau auf, wie ihre Produkte entstehen (The Footprint Chronicles). All das sorgt nicht nur für bestes Käufergewissen, sondern auch für Umsätze in Millionenhöhe, von denen Patagonia als Mitbegründer der „One Percent for the Planet“-Allianz jährlich ein Prozent an Umweltorganisationen spendet.
Eine schlechte Firme kann keine guten Produkte herstellen
Das war und ist der Leitsatz von Gründer Yvon Chouinard, der sich bereits Ende der 1950er-Jahre der Herstellung hochwertiger Ausrüstung für den Outdoor-Einsatz widmete. Sein Beweggrund damals: bessere und wiederverwendbare Kletterhaken aus härterem Stahl zu produzieren.
„Do it yourself“ war das Erfolgsrezept für den leidenschaftlichen Kletterer und Surfer. 1957 kauft er sich einen gebrauchten Schmiedeofen, einen Amboss, einige Zangen und Hammer und bringt sich selbst das Schmieden bei. Schnell sprechen sich die neuen Kletterhaken in der heimischen Szene rund um den Yosemite Nationalpark und darüber hinaus herum. Zu diesem Zeitpunkt stellte Chouinard jeden Haken noch in Handarbeit einzeln her. Es gelingt ihm, pro Stunde zwei Haken zu schmieden, die er für je 1,50 US-Dollar unter dem Label Chouinard Equipment an den Mann bringt.
Kaum im Geschäft Fuß gefasst, übersteigt die Nachfrage schnell sein Angebot. 1965 steigt Tom Frost mit ein und liefert wichtige, neue Inputs. Ihr gemeinsames Steckenpferd wird Ausrüstung für den Klettersport – und sie verbessern (nun schon maschinell) so gut wie alles, was es bisher gibt.
1970 ist Chouinard Equipment bereits der größte Hersteller von Kletterhaken und entsprechender Ausrüstung in den USA. Doch obwohl das Geschäft mit den Kletterhaken brummt, entscheiden sich Chouinard und Frost dafür, es zum Wohle der Umwelt aufzugeben. Denn: Haken zerstören die Felsen und all die rohe Ursprünglichkeit des Kletterns geht ihrer Meinung nach durch zerlöcherte Felswände verloren.
Umwelt vor Profit
Die Entscheidung zahlt sich aus, denn statt weiterhin auf Haken beim Klettern zu setzen, entwickeln sie spezielle Klemmkeile, die sich in Felsspalten und Schlitze stecken lassen, ohne das Gestein dabei zu beschädigen. Ein neuer Katalog mit einer 14-seitigen Erklärung der technischen Neuerung führt zu einem Umdenken in der Szene und so hohen Verkaufszahlen, dass die Produktion kaum hinterherkommt. Doch damit nicht genug.
Ende der 1960er-Jahre sind Kletterer im Yosemite Nationalpark kleidungstechnisch noch unterwegs wie wandelnde Vogelscheuchen. Abgeschnittene Baumwollhosen und Hemden aus Second-Hand-Läden stellen ihre Funktionskleidung dar. Es ist ein Klettertrip nach Schottland im Winter 1970 der Chouinard erleuchtet und bald schon zu neuen Geschäftsideen führt. Denn hier kauft er sich ein blau-rot-gelbes Rugby-Shirt und trägt es mit größter Freude beim Klettern. Das robuste Material und die knalligen Farben finden auch bei seinen Freunden in den USA großen Anklang, woraufhin Chouinard prompt einen Schwung Shirts bei Umbro in England bestellt und unter der eigenen Marke als neues Kletter-Equipment vertreibt.
Aus Chouinard Equipment wird Patagonia
Die Rugby-Shirts gehen weg wie warme Semmeln, abermals haben die passionierten Outdoor-Sportler den richtigen Riecher bewiesen. Ein neuer Name muss her, um dem sich laufend steigernden Produktangebot gerecht zu werden. Die Wahl fällt auf Patagonia, weil der Name ähnlich wie das Land am untersten Zipfel Südamerikas genau die Assoziationen hervorruft, die die Leute so sehr am Draußensein lieben: „romantische Bilder von Gletschern, die in Fjorde stürzen, schroffe, windgepeitschte Gipfel, Gauchos und Kondors“, wie es auf der Website der Marke heißt.
Von nun an konzentriert sich Patagonia verstärkt auf die Entwicklung technischer, strapazierfähiger und langlebiger Bekleidung. Gleichzeitig versucht man, Outdoorbegeisterte für das neue Schichtprinzip zu sensibilisieren und die Vorteile neuer, synthetischer Stoffe aufzuzeigen. Die Entscheidung, mehr Farbe zu wagen, trifft genau den Zeitgeist Ende der 1980er-Jahre. Obwohl eigentlich dem Outdoor-Bereich entsprungen, gelingt es Patagonia nun, über die rein funktionalen Grenzen ihrer Produkte hinauszugehen und sogar modeaffine Kunden anzusprechen.
Wachstum mit Folgen
Rasanter hätte der Aufstieg von Patagonia kaum laufen können, doch 1991 hat die Glückssträhne ein Ende. In Amerika wüten die Nachwehen des Börsencrashs von 1987, die Leute sparen, geben kaum noch Geld aus und das Wirtschaftswachstum schrumpft von 3,3 auf lediglich 0,7 Prozent. Banken fordern ihre Darlehen ein und auch Patagonia wird zur Kasse gebeten. Um Schulden abzubauen, müssen die Kosten drastisch gesenkt werden. Weitaus schwerwiegender ist allerdings die Entlassung von gut 20 Prozent der Mitarbeiter.
Die frühen 1990er-Jahre stehen auch im Zeichen sozioökonomischer Veränderungen. Partnerunternehmen werden ab jetzt nicht nur in Hinblick auf die Einhaltung der Qualitätsstandards hin überprüft, auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter werden verstärkt unter die Lupe genommen. Es wird der Beschluss gefasst, mit keiner Firma zusammenzuarbeiten, die sich den Kontrollen entziehen will.
Aufgepasst und hingeschaut
Bis Anfang der Nullerjahre können die selbstgesteckten Ziele eingehalten werden. Doch auf die Fortschritte folgen herbe Rückschläge in der Nachhaltigkeit und sozialen Verträglichkeit der Produktionsketten. Gleichzeitig steigt die Nachfrage an den Produkten von Patagonia. Hastig und ohne große Nachforschungen zu betreiben, werden neue Verträge mit Firmen unterzeichnet, die ihrerseits Aufträge an Dritte weitergeben. Für kurze Zeit verliert das Stammunternehmen den Überblick und die Kontrolle über seine eigentliche Größe sowie die Arbeitsbedingungen ihrer Partner. Heute gibt es Social Responsability Manager und Direktoren, deren Aufgabe es ist, die gesamte Produktionskette zu durchleuchten und ein Maximalmaß an Transparenz herzustellen.
Zudem gibt es seit 2007 die sogenannten Footprint Chronicles, mit denen Patagonia den sozialen und ökologischen Fußabdruck seiner Produkte dokumentiert. Seit Mai 2014 wird auch Fair Trade zertifizierte Ware verkauft, für deren Herstellung die Marke Bonuszahlungen zugunsten der Mitarbeiter an die Produktionsstätten in Thailand zahlt. Und auch im Bereich der verwendeten Stoffe ist Patagonia mittlerweile federführend. Viele ihrer Produkte bestehen zu 100 Prozent aus recycelten Materialien, wie beispielsweise in den Ozeanen gefischte Plastikflaschen.
Im Geschäft, um unseren Heimatplaneten zu retten
All das macht Patagonia fast schon zu einer Vorzeigefirma, die allerdings – und das darf man nicht vergessen – ebenfalls auf Wachstum und Profit ausgelegt ist. Doch wer über sich selbst schreibt, im Geschäft zu sein, um unseren Heimatplaneten zu retten, oder ganzseitige Anzeigen in Zeitungen schaltet, auf denen eine Patagonia-Jacke samt „Don’t Buy this Jacket“-Titel zu sehen ist, der hat automatisch einen Sympathiebonus, oder?
Übrigens: Auch Vaude, Schöffel, Jack Wolfskin und Mammut sind Outdoor-Marken, die verstärkt für nachhaltige Produkte und umweltschonende Wertschöpfungsketten stehen. Auch sie gehören zu den Guten!
Patagonia’s „Don’t Buy This Jacket“ ad from 2011 is still my favorite Black Friday ad and always a good reminder of how wasteful it is to buy things you don’t really need pic.twitter.com/5t1vhjtPYz— Josh Billinson (@jbillinson) November 23, 2018