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Der Blick aus Zürich

Freier Wettbewerb oder staatlicher Dirigismus?

von Mikey Fritz

Wie viel Protektionismus ist gut für eine Wirtschaft und wo beginnt die Abschirmung mehr Schaden als Nutzen anzurichten? Protektionismus in Form von einfachen Zöllen ist ein altes und bewährtes Mittel, um Unwuchten im globalen Handel auszugleichen. Wird Protektionismus jedoch eingesetzt, um Handelspartnern vorsätzlich zu schaden, drohen die Maßnahmen in der Regel nach hinten loszugehen. Das Instrument muss daher mit Augenmaß eingesetzt werden.

Der Markt für elektrische Fahrzeuge wird klar und eindeutig von China dominiert. Die Prognose für das laufende Jahr lautet, dass allein in diesem Markt 10,1 Millionen elektrische Fahrzeuge verkauft werden. Und das bei einem globalen Absatz von voraussichtlich 16,6 Millionen elektrischen Fahrzeugen. Das entspricht einem Anteil von 61 % des Gesamtabsatzes. 

Doch nicht nur der Absatz, auch die Produktion der elektrischen Fahrzeuge wird von China dominiert. Während in Europa sich nahezu ausschließlich die alteingesessenen Automobilhersteller für die Produktion dieser Antriebsart in der Verantwortung sehen, kommen in den USA neben Namen wie Ford Motor, General Motors und Tesla noch einige kleinere Start-ups wie Lucid Air und Rivian hinzu. 

China ist da eine ganz andere Nummer. Neben Tesla, die dort auch mit einer Fabrik in Schanghai vertreten sind, dominieren im Wesentlichen Namen wie BYD, Li Auto, Nio und Xpeng, aber auch europäische Vertreter wie BMW und Volkswagen das Produktionsbild. Die Produktionskapazitäten sind dadurch so groß geworden, dass China in dieser Kategorie sogar zum größten Exporteur der Welt geworden ist. Wohlgemerkt nur bei elektrischen Fahrzeugen, nicht bei Verbrennermodellen. Warum ist das so?

China dominiert bei Produktion und Absatz

Elektrische Fahrzeuge sind weniger komplex in der Produktion als Verbrennermodelle. Die Ingenieurskunst bei einem Elektromotor ist nichts im Vergleich zu der hinter einem hochgezüchteten V8 Biturbo Motor. Letzteres können nur wenige in herausragender Qualität, ersteres kann inzwischen fast jeder. Bleibt noch die Batterie als technische Herausforderung, wo jedoch weder die Europäer noch die Amerikaner brillieren. 

Und da die Hardware sich bei elektrischen Fahrzeugen kaum noch unterscheidet, liegt der Fokus der prospektiven Käufer auf der Software. Und da begannen die Probleme der Europäer und Amerikaner erst richtig. Denn abgesehen von Tesla kann niemand Software außer die Chinesen. Was insbesondere von deutschen Autoherstellern angeboten wird, ist altbacken, so innovativ wie Windows 95 und auch so fehlerfrei. Die Schwäche auf der Softwareseite wird versucht, mit immer größeren Displays und viel Glamour zu übertünchen, aber wer die Benutzeroberflächen deutscher Hersteller nutzt, fragt sich, warum das nicht besser gemacht wird. 

Statt Motoren wird nun Software verkauft

Wirtschaftspolitisch betrachtet war daher insbesondere das Drängen der Europäischen Union auf elektrische Fahrzeuge ein großer Fehler. Denn die heimischen Hersteller verlieren damit ihren wichtigsten Vorteil im Wettbewerb: hochkomplexe und begehrte Verbrenner zu bauen. Software können sie nicht, was nun aber das wichtigste Verkaufsmerkmal geworden ist. Und die Käufer stimmen gnadenlos mit den Füßen ab, was die Marktanteile der europäischen Anbieter perspektivisch in Bedrängnis bringt. 

Die Lösung ist nur auf dem Papier einfach: Man muss einen Innovationssprung hinbekommen, um bessere und noch perfektere Fahrzeuge anzubieten als die Konkurrenz aus China. Doch dieser Prozess kann Jahre in Anspruch nehmen und es gibt keine Garantie für einen Erfolg. 

Die Chinesen haben ihre Chance schon lange gewittert und gehen gnadenlos in die Angebotslücke hinein. Man exportiert so viele Fahrzeuge wie Frachtkapazitäten vorhanden sind. In der Erwartung, dass man sich über Jahrzehnte hinweg wichtige Marktanteile sichern kann, wenn man jetzt am Beginn der Marktentwicklung dominiert. 

Hilft Protektionismus?

Die Antwort aus Brüssel und Washington ist Protektionismus. Man kündigte an, die Grenzen für Importe von elektrischen Fahrzeugen aus China dichtzumachen. Oder zumindest durch Strafzölle so unattraktiv zu machen, dass es wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht, die Fahrzeuge zu kaufen. Konkret plant die Biden-Administration die Einfuhrzölle von bisher 25 % auf 100 % anzuheben – eine Vervierfachung.

Die Europäer wandeln den gleichen Pfad. Auch in Brüssel wird derzeit heiß über eine Anhebung der Strafzölle diskutiert, um den heimischen Markt vor den Angeboten aus China zu schützen. Unter dem sperrigen Titel Handelsschutzmaßnahme 689 versucht man zu begründen, warum die bisherigen Zölle in Höhe von 10 % so stark angehoben werden sollen, dass Exporte aus China nicht mehr attraktiv sind. 

Wirtschaftspolitik überlagert Equity-Storys

In einer Welt, die auf globalem Handel und globaler Produktion beruht, funktioniert Protektionismus jedoch kaum noch. So ist beispielsweise das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen sehr hoch. Die Chinesen können den europäischen Autoherstellern, die in China produzieren, mit Leichtigkeit das Leben schwer machen. Was diese auch bereits ganz offen sagen und Brüssel davor warnen, leichtfertig einen Handelskrieg anzufangen. Das Beispiel Russland zeigt zudem, dass es heutzutage kaum möglich ist, ein großes Land wirtschaftlich zu isolieren und der Versuch schon im Ansatz dazu verurteilt ist zu scheitern. Und im schlimmsten Fall am Ende die „guten Absichten“ den größten Schaden anrichten. 

Der angezettelte Wirtschaftskrieg ist bedauerlich, denn der Aktienmarkt bietet in diesem Bereich einige spannende Equity-Storys. Zuletzt ließ sich am vergangenen Freitag Zeekr  in New York listen. Und legte ein beeindruckendes IPO hin. Es war zudem das größte Listing eines chinesischen Unternehmens an der Wall Street seit 2021. Die Premium-Marke von Geely stößt auf großes Interesse der Anleger, aber mit den angedrohten Strafzöllen schwebt nun ein Damoklesschwert über den jungen Aktien. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.