© Jehyun Sung / Unsplash
Wie glücklich macht Geld?

Oh captain, my captain: Gutes Leadership wirkt nachhaltig

von Frank Behrendt

Als ich kürzlich bei einem Vortrag über Leadership ein Bild aus dem Film „Der Club der toten Dichter“ an die Wand im Konferenzsaal projizierte, stand ein Mann im Publikum auf und schmetterte begeistert: „Oh captain, my captain“.

Es gab spontanen Applaus. Die meisten Anwesenden waren sofort wieder drin in dem Film von Regisseur Peter Weir, der auch 32 Jahre nach seinem Kinostart in Deutschland nichts von seiner Faszination verloren hat. Dazu trug auch der leider schon verstorbene Ausnahme-Schauspieler Robin Williams bei. In der Rolle des Lehrers Keating wurde er zum Anführer der Klasse, zum Inspirator, zur Leadership-Ikone. Keating vermittelt im Film seinen Schülern die Welt der Literatur und der schönen Dinge des Lebens; sie sollten Poesie nachvollziehen und in sich selbst entdecken, anstatt nur auswendig Gelerntes zu wiederholen. Keating bezieht sich dabei auf diverse Dichter. Von einem, Walt Whitman, stammt der berühmte Ausspruch „Oh captain, my captain“, der beim Finale des Films den dramaturgischen Höhepunkt einleitet. Als der von der Schulleitung abgesägte unbequeme Leader noch einige persönliche Dinge aus dem Klassenzimmer holt, steigt einer der Schüler auf seinen Tisch und erweist dem scheidenden Lehrer, dem er so viel verdankt, seinen Respekt indem er ihm zum Abschied „Oh captain, my captain“ nachruft. Als Keating sich daraufhin noch einmal umwendet, schließen sich nach und nach weitere Mitschüler an, bis fast die ganze Klasse auf den Arbeitstischen steht, während der Schulleiter wütend aber vergebens versucht, die Schüler zum Hinsetzen zu bewegen.

Gerührt dankt Keating den Jungen und geht. Immer wenn ich diese Szene im Film wieder sehe, bekomme ich eine Gänsehaut. Dieser Keating hat das erreicht, was alle guten Leader:innen anstreben: Dass man ihnen und ihren Ideen folgt. Nicht durch Druck, Zwang oder durch irgendeine Form der Incentivierung, sondern aus leidenschaftlicher Überzeugung. Bei besagtem Vortrag, wo ich den guten alten Keating als Impuls präsentierte, sprachen wir im Anschluß darüber, was eine gute Leaderin oder einen guten Leader ausmacht. Das Ergebnis: Vorbildliche Leader:innen leben Werte vor, machen Visionen greifbar und involvieren ihre Crews. Durch die Art, wie sie agieren, schaffen sie es, andere zu motivieren. Die Vorzeige Leader:innen übernehmen dabei immer Verantwortung, übertragen aber auch anderen welche, während sie weiterhin mit Rat und Tat unterstützen. Es geht ihnen nicht ums delegieren, sondern viel mehr ums mobilisieren. Wer Leadership ernstnimmt, vertraut den Mitarbeitenden und hilft ihnen, ihr maximales Potenzial auszuschöpfen. Einer meiner früheren Agentur-Chefs, den ich für seine Leadership-Skills immer bewundert habe, sagte gerne: „Der Leader dient dem Team und nicht das Team dem Leader.“

Das hatte für mich immer Größe und ich sehe meinen Ex-Chef immer noch, wie er in heißen Pitch-Phasen am Kopierer stand und mit anpackte. Als weiterer Punkt spielt für mich Empathie eine elementare Rolle, wenn es darum geht, die besten Ergebnisse mit einem Team zu realisieren. Nicht ohne Grund fällt heute oft der Begriff „Emotional Leadership“, wenn es um die Bewertung von Top-Führungskräften geht. Dabei geht es um die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und auf ihre individuellen Wünsche und Bedürfnisse einzugehen. Wer das im Zusammenspiel mit den anstehenden To-Do`s perfekt ausbalanciert, hat ein Team hinter sich, das begeistert außergewöhnliches leistet. Als ich kürzlich in den Sozialen Netzwerken einen Post von meinem ehemaligen Mitarbeiter Daniel sah, in dem er sich mit seinen persönlichen Leadership-Learnings beschäftigte, dankte er auch früheren Führungskräften, die ihn weitergebracht haben. Auch ich gehörte dazu. In seinem Beitrag nannte er so viele gute Punkte, an denen man gute Leader:innen erkennt, dass ich beim Lesen minutenlang nickte.

Zum Beispiel schrieb er: „Wahre Führung bedeutet, Fehler einzugestehen. Jeder weiß, dass man im Grunde jeden Tag Fehler macht. Man kann sie verheimlichen, oder man kann sie im richtigen Moment ansprechen und kommunizieren und sie als einen Schritt auf dem Weg des Lernens betrachten. Eine Führungskraft, die Fehler macht und zugibt, ist eine Führungskraft, der man vertrauen kann.“ Dem am Anfang erwähnten Lehrer Keating haben die Schüler vertraut. Weil er ehrlich, authentisch, aufrecht war – und immer blieb. Gute Leader:innen wirken nachhaltig, davon bin ich überzeugt. Daher habe ich mich auch sehr über die Wertschätzung meines früheren Kollegen gefreut. Denkt doch auch in einem Moment der Reflektion an die, die Euch in Eurem Leben wirklich vorangebracht haben und sagt es ihnen – auch nach vielen Jahren. Es macht beide glücklich. Ganz bestimmt.

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.