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Geldforscher im Interview

„Nur unsere Beziehung zu Geld bestimmt, ob wir glücklich sind, nicht der Betrag.“

von Jonas Rüffer

Mit Geld verbinden wir ein teures Auto oder eine Villa mit Pool, vielleicht einen Urlaub, aber vor allem bedeutet Geld für die meisten Glück und Zufriedenheit. Wir stellen uns vor, wie es wäre, nicht mehr arbeiten zu müssen, wenn wir genügend Geld haben.Dann hätten wir weniger Sorgen und viel mehr Lebensfreude! Stimmt’s? Wir haben mit dem Geldforscher Peter Koenig darüber gesprochen.
Der Betriebswirt und Autor lebt als Exil-Brite in Zürich, wo er sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Geld beschäftigt. Er teilt seine Erkenntnisse in Seminaren und schrieb das Buch: „30 dreiste Lügen über Geld“. Koenig forscht also über die komplizierte Beziehung, die wir Menschen zum Finanziellen haben. Ein Gespräch über Glück, Unglück – und das richtige Bewusstsein…

Warum interessiert Geld Sie eigentlich so sehr?

Peter Koenig: „Für mich ist es das stärkste Mittel für eine Bewusstseinsentwicklung der Menschen. Es funktioniert individuell sowie kollektiv als Beschleuniger derselben – das habe ich durch Zufall entdeckt.“

Und welcher war das?

Koenig: „Ich habe lange Zeit als Berater gearbeitet, hatte immer mit Top-Playern, also Machtmenschen zu tun. In dieser Zeit habe ich festgestellt, dass diese Menschen gar nicht so mächtig sind, wie sie eigentlich scheinen. Nur selten haben sie ihre Träume und Visionen verwirklicht. Ich fragte mich, ob das vielleicht in einer Beziehung zu dem Geld steht, das sie verdienen. Daraufhin habe ich meine ,Geldarbeit‘, wie ich sie nenne, entwickelt und festgestellt, dass die Beziehung zu Geld immer mit dem eigenen Bewusstsein zu tun hat.“

Wissenschaftlichen Studien zufolge gibt es einen Betrag X, ab dem das persönliche Glückmit zunehmendem Vermögen nicht weiter steigt. Gibt es diesen Grenzwert wirklich und falls ja, wie hoch ist er?

Koenig: „Ganz klare Antwort: Nein, den gibt es nicht. Die Professoren, die das herausgefunden haben, haben wohl nie an sich selbst geforscht. Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit dem Thema und kenne unendliche viele Menschen, die in Saus und Braus leben, aber unglücklich sind. Und ich kenne Menschen, die auf der Straße leben, aber glücklich sind. Nur unsere Beziehung zu Geld bestimmt, ob wir glücklich sind, nicht der Betrag.“

Der römische Rhetoriker Marcus Fabius Quintilianus sagte: Nichts ist gefährlicher für einen Menschen als eine plötzliche Änderung seines Vermögens. Stimmen Sie ihm zu?

Koenig: „Nein, überhaupt nicht! Geld kann sowohl einen guten als auch schlechten Einfluss für uns haben. Oder sogar überhaupt gar keinen.“

Geld wäre demnach etwas eher Neutrales. Wenn ich mir aber vorstelle, zehn Millionen Euro zu haben, wäre mein erster Gedanke: Wie kann ich verhindern, das Geld wieder zu verlieren?

Koenig: „Die Angst, Geld wieder zu verlieren, ist sehr groß und weit verbreitet. Menschen meinen, sie könnten ihre Existenz mit Geld sichern. Das heißt sie brauchen Geld und sie häufen es an. Aber natürlich erreichen sie ihr Ziel niemals. Denn: die Existenz lässt sich nicht sichern. Auch ein Superreicher wie Warren Buffet stirbt irgendwann.“

Woher kommt dann der Irrglaube?

Koenig: „Das Konzept der Existenzsicherung kommt aus der Aufklärung, ist mehr als 300 Jahre alt. Damals, im Zuge der industriellen Revolution, arbeiteten die Menschen nicht mehr auf Feldern sondern in Fabriken. Sie produzierten also nicht mehr die Lebensmittel, die sie zum Überleben brauchten, sondern Industrieprodukte in Fabriken. Dafür wurden sie bezahlt. Es entstand also der neue Gedanke, dass man sich das Leben verdienen müsse. Seither leben wir unter einem Geldregime. Unser Umgang mit Geld wurde uns über die Jahrhunderte anerzogen.“

Wer war da ausschlaggebend?

Koenig: „Die meisten von uns sind da durch ihre Familie geprägt. Die Beziehung zu Geld erfahren Kinder übrigens schon im Mutterleib.

Was bekommen wir denn vor der Geburt mit?

Koenig: „Betroffen sind zum Beispiel ungeplante Kinder, die für junge Eltern eine finanzielle Belastung darstellen. Sie spüren das Unwohlsein, wenn sich die Eltern viele Sorgen über Geld machen.

Können Sie das präzisieren?

Koenig: „Jeder wird nackt und ohne Geld geboren, entwickelt aber sofort erste Impulse des Nehmens. Babys nehmen sich Luft zum Atmen und die Brust der Mutter. Wenn Babys etwas nicht bekommen, schreien sie. Das ist ihr Überlebensprinzip. Diese Fähigkeit verlernen wir später.“

Wie wirkt sich das denn nun auf unsere Beziehung zu Geld aus?

Koenig: „Stellen Sie sich eine Situation im Supermarkt vor, zwei Jahre später. Das Kind greift ganz unschuldig alles, was es will, aus den Regalen. Plötzlich heißt es aber: ,Du darfst nicht mehr alles nehmen!‘ Dem Kind wird bewusst, dass es Geld benötigt – ein Stück Papier mit
einer Zahl drauf, eine Münze – um zu bekommen, was es möchte. Ganz natürlich fragt sich das Kind, wo das Geld denn ist. Das Geld ist zu Hause. Also nimmt es sich dort einfach das Geld. Ich habe herausgefunden, dass 30 bis 50 Prozent der Personen ohne böse Absicht als Kleinkind Geld gestohlen haben. Die nächste Lektion ist aber, dass man Geld nicht stehlen darf, sondern hart arbeiten muss, um es zu verdienen und sich seine Wünsche zu erfüllen. Das ist unser Geldregime.“

Was ist denn daran schlecht, für sein Geld arbeiten zu müssen?

Koenig: „Diese Frage ist höchst interessant, weil sie unsere Werte betrifft. Die heutige Zeit funktioniert anders als früher. Das Geldregime hat für unsere Großväter noch perfekt funktioniert. Sie arbeiteten für reale Industrieprodukte, die ihren Wohlstand förderten, wie zum Beispiel ein Auto, ein Fernseher oder eine Mikrowelle. Darauf war aber nicht nur die Produktion ausgelegt, sondern auch die Konditionierung der Menschen zu perfekten Konsumenten als Teil des Systems: Jede Familie wollte einen Fernseher haben. In den 60er, 70er Jahren haben wir als Konsumgesellschaft eine neue Stufe erreicht. Wir konnten alles in unendlicher Menge produzieren. Theoretisch kann man seitdem locker vier oder fünf Fernseher kaufen können. Die alten Werte sind damit verloren gegangen.“

Und nun?

Koenig: „Die unendliche Menge an Dingen, die wir kaufen können hat neue Werte geschaffen. Die neuen Generationen wollen Sicherheit, Freiheit, Glück, Unabhängigkeit oder Liebe. Sie leben aufgrund ihrer Erziehung aber noch im alten Geldregime. Sie lernen also: Je mehr
Geld, desto mehr Sicherheit, desto mehr Freiheit, desto mehr Glück, Liebe und Unabhängigkeit. Diese Illusion ist Ursache einer schlechter Beziehung zu Geld.“

Und woher weiß ich, ob ich mit meinem Geld eine schlechte Beziehung führe?

Koenig: „Lassen Sie mich das umgekehrt beantworten: Wer ohne emotionale Reaktion große Mengen von Geld einsetzen, verlieren, verleihen oder gewinnen kann, ist frei und souverän in seiner Beziehung zu Geld. Das gelingt aber nur ganz wenigen Menschen.“

Sie würde es also nicht stören, einen Großteil ihres Geldes zu verlieren?

Koenig: „Ich würde nicht behaupten, dass ich komplett frei bin. Ich habe zwar schon als junger Mann viel mehr Geld gehabt als Andere aus meinem Umfeld, es gab aber auch Zeiten, in denen ich nur noch sieben Franken (Anm. d. Red.: rund fünf Euro) hatte. Natürlich hab ich mich gefragt, wie ich damit überleben sollte. Aber ich habe gelernt mit Geld umzugehen, es nicht mit Unsicherheit oder Existenzangst zu verbinden.“

Und wie lernen wir einen bewussteren Umgang mit Geld, der uns unsere Souveränität zurückgibt?

Koenig: Man muss sich zuerst die Frage stellen, was Geld überhaupt ist. Geld funktioniert nur durch Projektion. Geld ist jedes Medium: Zuerst natürlich Papier und Metall in Form von Scheinen und Münzen. Aber vor allem ist Geld in unserem Kopf. Wir verbinden mit ihm Qualitäten, die den Anschein erwecken, man könne sie zählen.“

Wie meinen Sie das?

Koenig: „Nehmen sie beispielsweise eine ganz normale Kette. Überzeugen sie eine zweite Person davon, dass diese Kette glücklich macht. Die Kette ist dann das Medium, die Qualität ist Glück. Wenn man dann zwei dieser Ketten hat, ist man glücklicher, wenn man drei hat noch glücklicher und so weiter. Sobald man also andere Leute von der Qualität des Mediums überzeugen kann, dann hat man das, was man Geld nennt. Diese Projektion hat aber eine Konsequenz auf mein Handeln. Wenn ich mir der Beziehung bewusst bin, herrsche ich über mein Geld und ich setze es zur Verwirklichung meiner Ziele ein.

Wie funktioniert das?

Koenig: „Fragen Sie sich einmal, was Geld ihnen bedeutet. Die meisten Menschen haben Geld nicht gern, sie kommen in mein Seminare, weil sie das Gefühl haben, Geld bestimme ihr Leben. Ich versuche dann zum Beispiel, ihnen 50 Euro zu schenken. Sie drücken sich förmlich gegen die Wand und wollen es nicht annehmen. Sie haben sofort das Gefühl, korrumpiert worden zu sein, in meiner Schuld zu stehen. Die Teilnehmer merken schnell, was Geld wirklich ist: Ein mit Bedeutungen aufgeladenes Medium.“

Und wenn ich daran scheitere?

Koenig: „Wenn ich mir dessen nicht bewusst bin, herrscht das Geld weiter über mich und ich laufe ihm mein Leben lang nach. Viele Menschen haben Träume, die sie auf Eis legen, was sie mit ihrer Geldsituation entschuldigen: Erst noch das Haus abbezahlen, warten bis die Kinder studiert haben etc.“

Würde sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen eigentlich etwas an dieser Beziehung ändern?

Koenig: „Diese Idee habe ich schon 1997 vorgeschlagen. So könnten Menschen aus dem zuvor beschriebenen Kreislauf ausbrechen und sich das Leben nicht mehr verdienen. Dann kann das Geld zum Erreichen des Glücks verwendet werden, statt es lediglich darzustellen. Zum Beispiel, indem man sich eine lange Auszeit nimmt, um seine Spiritualität zu entdecken.

Ist vielleicht der am glücklichsten, der am wenigsten über Geld nachdenkt?

Koenig: „Ja und Nein. Denn wenn man einen Menschen fragt, warum er im Leben nicht macht, was er wirklich möchte, landet man schnell beim Thema Geld. Die eigentliche Priorität im Leben ist aber das Leben selbst. Jeder von uns ist einzigartig und am glücklichsten wenn er den eigenen Lebensweg erkennt und ihm folgt. Dazu möchte ich die Menschen in meinen Seminaren befähigen. Wenn Sie ihre Beziehung zu Geld neutralisiert haben, dann können sie ihren Weg gehen und das Geld hilft ihnen sogar dabei. Insofern müssen Sie erst besonders viel über das Geld und seine Bedeutung für sie nachdenken. Ist das erreicht, dann sind sie befreit.“

Peter Koenig gibt auch heute noch Geldseminare. Mehr Infos finden Sie hier.

ein Artikel von
Jonas Rüffer
Jonas Rüffer (Jahrgang 1991), ist seit Februar Teammitglied der Zasterredaktion. Vorher hat er seinen Master in Politik abgeschlossen. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Servicethemen wie Kryptowährungen oder Geld- und Finanzpolitik.