Den typischen Banker stellt man sich irgendwie anders vor. Kann man dich trotzdem so bezeichnen?
Kann man, ja. Denn: Was heißt Banker? Es gibt Commercial Banker, die wie gewohnt bei der Kreissparkasse stehen und typisches Privatkunden-Geschäft abwickeln. Dann gibt es das Corporate Banking, darunter fällt auch Investment Banking. Prinzipiell hat das nichts mit dem eigentlichen Bankgeschäft zu tun, trotzdem ist das natürlich Teil einer Bank – somit bin auch ich in gewisser Weise ein Banker.
Dann nochmal für Dummies: Was machst du den ganzen Tag?
Gute Frage. Also: Es gibt Unternehmen, die wollen kaufen oder verkaufen oder fusionieren oder an die Börse gehen. Dafür benötigt es Berater, die das Management und die Gesellschafter in dem Prozess unterstützen. Das dauert je nach Abwicklung in der Regel sechs bis neun Monate. Die To-Dos variieren also.
Hört sich nach ziemlich viel Arbeit an. Wie kommt man denn dazu, Banker zu werden?
Das klingt jetzt zwar komisch, aber ich hatte immer schon einen großen Bezug zu Geld, das Thema hat mich einfach immer schon interessiert. Nach der Schule habe ich BWL studiert wie der klassische Abiturient, der nicht weiß, was er tun soll. Im Studium hatte ich dann echt Glück mit einem super Dozenten in Finance und Accounting. So läuft das ja in den meisten Studiengängen: Du schaust dir verschiedene Bereiche an und entwickelst dann im besten Fall für einen etwas mehr Interesse.
Wie ging’s weiter?
Auch das kennen die meisten Studenten: Praktika. Ich selbst habe fünf Praktika gemacht, die Regel sind ca. drei bis sechs, je nach Name der Bank und Position. Normalerweise bewirbt man sich dafür bei Banken im Corporate/Investment Banking oder bei einer Strategieberatung à la McKinsey, Boston Consulting Group etc. Alle Praktika sind bezahlt, teilweise auch sehr gut.
Was heißt sehr gut?
Das variiert sehr, aber in der Regel kann man seine Kosten gut decken. In der Wirtschaft wirst du nie einen ordentlichen Job bekommen, wenn du zuvor nicht entsprechende Praktika gemacht hast. Nach dem ersten Praktikum geht es dann Schritt für Schritt weiter. Aber diese Schritte sind ganz genau durchdacht und streng getaktet. Wer wirklich den Weg zum Investmentbanker einschlägt, muss das auch wirklich wollen. Das ist nicht irgend so ein Job. Das ist eigentlich gar kein Job, sondern ein Lifestyle, ein Leben. Und es ist auch keine Karriere, in die man einfach so reinfällt.
Hast du also auch jeden Schritt genau geplant?
Ja. Ab dem zweiten Semester habe ich jede Entscheidung an der Frage orientiert: Wie komme ich hierher? Du musst einen sehr strukturierten Lebenslauf haben, um dich überhaupt in der Branche bewerben zu können.
Und bist du jetzt da, wo du sein willst?
Bisher schon. Momentan bin ich auf der Sell Side. Wir versuchen, etwas für andere zu verkaufen. Viele von uns wechseln irgendwann auf die Kundenseite, um direkt für den Mandanten zu arbeiten. Das nennt sich dann Private Equity oder Corporate M&A. Hier versucht man dann, Investments/Zukäufe zu tätigen oder ihr eigenes Geschäft vertraglich weiterzuentwickeln.
Du bist also auf der berühmten Karriereleiter?
Wenn du es so formulieren willst, ja. Und auf dieser Leiter sollte und kann man keine Sprossen überspringen. Das ist die klassische Pyramide.
Die was?
Die Pyramide. Der Musterverlauf ist, dass du im ersten bis zum dritten Jahr Analyst bist, im vierten und fünften Jahr Associate, sechstes bis achtes Jahr Vice President, neuntes und zehntes Jahr Director und elftes Jahr bis Open End dann Managing Director.
Auf dem unteren Karrierelevel, auf der auch ich zurzeit bin, gibt es die meisten Angestellten. Wir bearbeiten das operative, machen also Research, erstellen Verkaufsmaterialien und Bewertungen. Je weiter man auf der Karriereleiter nach oben rückt, desto weniger Angestellte gibt es in der Regel. Daher die Pyramide. Wenn man ganz oben ist, dann hat man es geschafft.
… dann hat man es geschafft, wie Leonardo Di Caprio bei „The Wolf of Wallstreet“ fette Champagner-Parties zu schmeißen und einen Big Deal nach dem anderen zu feiern?
Das, was man bei „The Wolf of Wallstreet“ sieht, ist klassisches (Sales-)Trading – also Leute, die mit Aktien handeln. Solche Kollegen gibt es bei uns auch und ja, da sieht die Arbeit ähnlich aus. Auch die Räume sehen bei uns auch so aus, der einzige Unterschied: Wir hängen nicht die ganze Zeit am Telefon. Alles andere – der Druck, das Schnelllebige, Hektische,– ist identisch.
Wie viele Arbeitsstunden hat deine Woche?
Das variiert sehr stark und hängt von der Projektphase und dem Projekt selbst ab. Man hat aber nicht den klassischen 9-to-5-Job.
Und wie sieht das Gehalt bei so einem Job aus?
Das kommt auf das Unternehmen und das Level an. Die Sprünge bei Beförderungen sind in der Regel recht hoch. Dazu kommt noch ein Bonus, der vom Geschäftsverlauf und der persönlichen Leistung abhängt.
Gibt es etwas oder jemanden, der dir hilft, einen Ausgleich zu finden?
Meine Familie und meine Freundin sind sicherlich ein wichtiger, emotionaler Anker. Allerdings schätze ich die eigene Persönlichkeit als größeren Faktor ein – du brauchst Selbstsicherheit, Leidenschaft und geerdeten Antrieb, um das langfristig und voller Überzeugung zu machen.
Vielen Dank, Julian, für diesen ersten spannenden Einblick!
Im nächsten Teil erklärt uns Julian, was diese ganzen Fintechs eigentlich können, warum wir teilweise trotzdem immer auf ganz traditionelle Bankengeschäfte angewiesen sein werden und wieso N26 jetzt plötzlich unter den Einhörnern weidet.