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Wie glücklich macht Geld?

Minimaler Einsatz, Maximaler Ertrag: Echte Wertschätzung

von Frank Behrendt

Als meine jüngste Tochter im Kindergarten war, beeindruckte mich eine Erzieherin ganz besonderes. Die Kinder liebten sie, sie war der wichtigste Grund morgens in die liebevoll gestaltete Einrichtung zu gehen.

Wenn Sandra lächelte, ging die Sonne auf, ihre Herzenswärme sorgte dafür, dass einem auch an frostigen Tagen direkt warm ums Herz wurde. Nicht vergessen werde ich, dass sie jedes Kind immer auf Augenhöhe begrüßte. Sie ging in die Knie, sah ihm in die kleinen Augen. „Ich mache das auch, damit die Kinder früh lernen, dass man nie jemanden von oben herab behandeln sollte“, hat sie mir mal erklärt, als wir uns länger unterhielten. Ich hatte über den Spruch „jemanden von oben herab behandeln“ noch nie so intensiv nachgedacht. Seitdem schon. Früher, als die Gesellschaft noch sehr stark in „Ober und Unterschicht“ eingeteilt war, war es gang und gäbe, dass Menschen aus „höheren“ Gesellschaftsschichten gar nicht oder kaum mit „niederen“ Gesellschaftsschichten kommunizierten. Und wenn, dann sprach man „von oben herab“ mit ihnen. Heute gilt nicht nur für vorbildliche LeaderInnen das Prinzip einer Kommunikation auf Augenhöhe. Ein Dialog, ein sinnstiftender Austausch, das Ergründen der wahren Gedanken anderer funktioniert viel besser, wenn man entsprechend zugewandt auf gleicher Ebene miteinander spricht. Genauso, wie die wunderbare Sandra ihren Kita-Kindern morgens begegnet. Sie war und ist übrigens auch eine Meisterin der Wertschätzung. Wann immer Kinder etwas geschafft hatten, sei es ein noch so kleiner Erfolg, zeigte sie Interesse, fand ein nettes Wort, lobte. Wie oft hat Holly davon berichtet, dass Sandra das Piratenfernrohr aus drei Klopapierrollen oder das aus Knete geformte kleine Elefantenbaby „sehr wunderschön“ fand.

Wertschätzung macht glücklich, vermittelt Selbstvertrauen, motiviert. Im Kindergarten oder der Schule genauso wie im Job. Mein erster Chef, Gerhard Patt, Vollblut-Bayer und Kommunikations-Urgestein in der Aviation-Branche, erklärte mir als Jungspund in der Kantine vom Flugzeugbauer Dornier in Oberpfaffenhofen mal die Grundlagen guter Führung. Eine seiner Botschaften, die ich auf meinem weiteren Berufsweg nie vergessen habe: „Echte Wertschätzung ist bedeutender als jede Gehaltserhöhung. Interessiere dich für die Menschen, schätze ihren Wertbeitrag und gib ihnen ein Feedback von Herzen.“ Ein „Feedback von Herzen“, genau so hat er es gesagt. Nachhaltig wunderbar. Als ich später seine wertvollen Impulse in der Praxis in die Tat umsetzte stellte ich fest, dass die ehrlich rübergebrachte Wertschätzung einem selbst extrem viel zurückgab. Angefangen beim Miterleben der Freude, die beim Gegenüber das Gesicht und den ganzen Körper auf eine besondere Weise strahlen lässt. Positiv gefeedbackte behalten das Gefühl über den ganzen Tag, sie verlassen den Raum mit anderen Bewegungen, als sie reingekommen sind, sie schweben regelrecht. Wertschätzung zu vermitteln ist keine Arbeit, es kostet nichts, es macht Spaß. Und doch machen es viele viel zu selten. Schade eigentlich. Nicht nur im unmittelbaren Arbeitsumfeld freuen sich Menschen über eine persönlich ausgesprochene Anerkennung ihrer Leistung, sondern auch im weiten Feld anderer Dienstleistungen. Klar, Trinkgeld ist immer eine gute Form „Dankeschön“ zu sagen und sollte auf keinen Fall eigespart werden. Aber die finanzielle Zuwendung lässt sich noch veredeln.

Als meine Familie und ich kürzlich auf der Nordseeinsel Sylt im urigen „Piratennest“ im Hafen von List speisten, kamen wir in den Genuß einer ganz ausgesprochen netten Servicekraft. Der junge Mann verstand es grandios, die Corona-Hygienemaßnahmen mit einem Lächeln zu verpacken, hatte eine zauberhafte Art mit den Kindern zu sprechen, spielte mit unserem Hund und zauberte direkt ein Wasserschälchen herbei. Er war aufmerksam und nie aufdringlich, versprühte einen zum Ambiente passenden lässigen Humor. Er trug dazu bei, dass uns die servierten gigantischen Burger nicht nur vorzüglich schmeckten, sondern wir auch seinen Einsatz als extrem gewinnbringend empfanden. Dafür lobten wir ihn beim Hinausgehen ausdrücklich, baten ihn so zu bleiben: Ein liebenswerter Mensch, der durch die außergewöhnliche Art, wie er seinen Job erledigte, andere besonders happy machte. Der junge Mann war regelrecht gerührt, fast ein wenig sprachlos. Es schien, dass er nicht oft in den Genuß einer solchen persönlichen Lobeshymne kam. „Mensch, seid ihr eine nette Familie, euch hätte ich am liebsten immer hier“, entfuhr es ihm und wir versprachen ihm die Freude zumindest öfter zu machen. Als wir ihn später, nachdem wir uns Eis geholt hatten, beim Abräumen der Tische noch einmal sahen, winkte er uns zu und formte mit seinen Daumen und Zeigefingern ein Herz. Wertschätzung macht glücklich. Immer und überall.  

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.