Nicht die Subkultur auf Reddit, sondern ausgerechnet die amerikanische Börsenaufsicht prägte den Begriff „Meme Stock Phenomenon“. Der erste große Meme-Stock war GameStop im Jahr 2020. Ein Unternehmen aus der Welt von gestern, das in Ladengeschäften physische Videospiele und Zubehör verkaufte. Ein sterbendes Geschäftsmodell, da die Kunden die Spiele seit mehr als einer Dekade direkt von den Konsolenanbietern und über große Plattformen wie Steam als Download kaufen. Eine solche Plattform zu etablieren, hatte GameStop jedoch verpasst und befand sich daher im Jahr 2020 in einem tiefen operativen Abwärtstrend. Ein Trend, den auch die Meme Stock Spekulanten nicht aufhalten, aber sie schafften es, temporär den Aktien zu einem spektakulären Run zu verhelfen. Von einstelligen Kursniveaus auf über 120 US-Dollar innerhalb kürzester Zeit.
Welche Mechanik steckt hinter dem Meme Stock Phänomen? Bei GameStop prallten zwei Welten aufeinander. Die institutionellen Investoren ignorierten die GameStop-Aktien entweder oder gingen, wie im Falle einiger Hedge Funds, short mit Leerverkäufen. Der aggressivste Leerverkäufer war seinerzeit Melvin Capital. Ein Hedge Fund, der sich auf Short-Positionen bei überbewerteten Unternehmen fokussierte. Der Gegenspieler von Melvin Capital war eine informelle Herde von privaten Spekulanten, die Infos aus Reddit-Foren wie r/WallStreetBets holten und vor allem mit Leverage arbeiteten, um bei einem Treffer den Gewinn zu maximieren. Die Gesichter der Herde waren Ryan Cohen und Keith Gill, besser bekannt als Roaring Kitty. Aus Sicht der Hedge Funds kein ernst zu nehmender Gegenspieler.
Meme Stock Phänomen – Herdentrieb gegen gesunden Menschenverstand
Doch der Herdeneffekt obsiegte. Die Krux liegt hier in der Mathematik. Short-Positionen sind in der Regel professionellen Investoren vorbehalten, da ihr ungünstiges Investmentprofil ein harsches Risikomanagement benötigt. Da Leerverkäufer sich Aktien leihen, diese verkaufen und darauf spekulieren, die Aktien später zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen zu können, ist der Gewinn begrenzt. Der Aktienkurs kann maximal auf einen Wert von 0 fallen, was der Best-Case für einen Shortseller wäre.
Die Verluste einer Short-Position sind hingegen nach oben hin unbegrenzt. Daher reagieren Leerverkäufer in der Regel sehr diszipliniert mit Käufen, um ihre Positionen einzudecken, wenn das Investment in die falsche Richtung läuft. Nicht so Melvin Capital. Der Hedge Fund baute die Short-Position anfänglich noch aus. Anfang Januar 2021 erreichte der Short-Interest bei den GameStop-Aktien rund 140 %.
Am Ende war die Herde, die sich nicht für rationale Argumente interessierte, siegreich, indem man einfach immer weiter kaufte. Melvin Capital musste eindecken und verlor dabei rund 53 % seines gesamten verwalteten Vermögens, was einem Verlust von etwa -6,8 Mrd. US-Dollar entsprach. An einem einzigen Handelstag sollen die Verluste mehr als -1 Mrd. US-Dollar erreicht haben. Ein Schock, von dem man sich nicht wieder erholt. Trotz einer Rettungsmaßnahme musste Melvin Capital 2022 den Hedge Fund schließen.
Meme Stock Revival – Version 2025
Aktuell haben wir wieder ein Meme Stock Phänomen, das zu beeindruckenden Kursentwicklungen bei Aktien führt, von denen man das nie erwartet hätte. Nehmen Sie die Aktien von Avis Budget, deren Kurs in diesem Jahr in der Spitze mehr als 230 % gestiegen ist, oder Carvana, die seit April um mehr als 140 % gestiegen sind.
Dem Fass den Boden schlägt jedoch Aeva Technologies aus. Das LiDAR-Start-up, das gerade in die Kommerzialisierungsphase geht, hat seine Aktien in diesem Jahr von 2,52 US-Dollar auf bisher 38,80 US-Dollar gehen sehen. Eine Steigerung um mehr als 1.400 % in weniger als vier Monaten. Der etablierte Konkurrent Ouster kommt hingegen „nur“ auf 300 % Performance in der Spitze.
Regelrecht zurückhaltend sind die Kursgewinne bei „Fliegenden Taxi“ Aktien. Die amerikanischen Entwickler von sogenannten eVTOLs (electric vertical take-off and landing) schafften es im 1. Halbjahr auf Performancesprünge von 120 bis 150 %. Der Hintergrund ist, dass die Branche nach sehr langen Entwicklungs- und Testphasen nun in der zweiten Hälfte der Dekade in die Kommerzialisierungsphase kommt, wo es dann mit den Bewertungen interessant wird. Zu dem kleinen Kreis zählen Namen wie Archer Aviation, Joby Aviation und Vertical Aerospace.
Auf Dauer sind die Kursgewinne jedoch nicht angelegt. Da die Herde der Privatanleger die Aktien nur kauft, um schnelles Geld zu machen, ist die Investmentzeit etwas länger als ein TikTok Video. Das Kapital der Privatanleger kommt wie eine Flut, jagt die Kurse in den Himmel und ebbt dann wieder ab. Zudem ist die gesamte Phase vergleichsweise kurz. Denn:
Das Meme Stock Phänomen braucht ein Umfeld, das relativ selten auftaucht. Der Aktienmarkt muss so stark sein, dass er alle nur erdenklichen negativen Nachrichten und Schocks wegsteckt und nach einem kurzen Dip wieder zurückkommt. Wiederholen sich solche Dips nur oft genug, entsteht der Eindruck der Unbesiegbarkeit aufseiten der Bullen. Und das ist dann die Grundlage für das Meme Stock Phänomen, wo Aktien zu Kursen gehandelt werden, die sich jeder Rationalität entziehen und damit einige Spekulanten sehr reich machen. Es ist in der Regel aber auch die Endphase einer vorangegangenen langen Hausse. Von daher sollte man das Meme Stock Phänomen als Anleger ausführlich genießen.
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