Lockdown

Kosten Schulschließungen die Zukunft unserer Kinder?

von Nils Matthiesen

Die Krise kostet. Auf der Hand liegen wirtschaftliche Schäden durch Ladenschließungen, eingeschränktes Reisen und abgesagte Veranstaltungen. Die endgültige Quittung erhalten wir aber wohl erst in einigen Jahren, warnen Ökonomen. Vor allem der Faktor Schulschließungen spiele dabei eine maßgebliche Rolle.

„Hurra, Hurra, die Schule brennt“ sangen Extrabreit in den 80er. Heute wäre „Hurra, Hurra, die Schule bleibt zu“ treffender. Wobei so echte Freude will bei dem Thema auch bei den Schülern nicht aufkommen. Statt Präsenzunterricht mit Freunden ist Büffeln zu Hause angesagt. Das ist aber nicht nur langweilig, sondern hat noch andere weitreichende Folgen, warnen Ökonomen. Denn Unterrichtsausfälle und suboptimale Lernbedingungen sollen nicht nur das Einkommen der Schulabgänger senken, sondern ihre Produktivität allgemein. Der Bildungsökonom Ludger Wößmann vom ifo-Institut geht beispielsweise davon aus, dass Schulschließungen von einem Drittel des Schuljahres Deutschland über einen Zeitraum von 80 Jahren insgesamt 2,56 Billionen Euro oder 1,3 Prozent des zukünftigen Bruttoinlandsprodukts kosten könnten.

Weniger Schule, weniger Gehalt?

Der Wissenschaftler begründet das dadurch, dass jeder Mensch mit jedem Jahr zusätzlicher Bildung zusätzliche Fähigkeiten erlange, die ihn später dabei helfen neue Ideen zu entwickeln und effizienter zu arbeiten. Das würde wiederum zur gemeinschaftlichen Produktivität beitragen und zu höheren Löhnen führen. Pro Jahr Bildung winken laut Wößmann durchschnittlich drei Prozent mehr Gehalt über das gesamte Erwerbsleben. Ist da etwas dran?

Fest steht wohl, dass Schüler bei geschlossenen Schulen weniger lernen als sonst. Tatsächlich sollen laut Umfragen Schüler zwischen März und Mai 2020 durchschnittlich nur rund halb so viel Zeit zum Lernen aufgewendet haben wie üblich. Konkret waren es statt 7,4 Stunden nur um die 3,5 Stunden pro Tag. Nicht geklärt ist die dagegen die Frage, ob sich dieses Defizit wieder aufholen lässt und welche Folgen es hat. Die Studienlage ist widersprüchlich.

Hamburg: Schüler ohne Lerndefizit

So führte das Bundesland Hamburg nach den Sommerferien mit dritten, vierten, fünften und siebten Klassen einen Leistungstest mit einem erstaunlichen Ergebnis durch: Die Schüler haben wohl nicht viel verpasst. „Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Ergebnisse der Lernstandserhebungen auf keinerlei Lernrückstände hindeuteten,“ so die Senatsvertreterinnen und -vertreter. Andere Erhebungen kamen zu anderen Ergebnissen:

  • Eine Analyse in der Schweiz zeigte ein gemischtes Bild. Bei den Grundschülern brachen die Leistung durch den Lockdown zum Teil signifikant ein. Ältere Schüler kamen mit der Situation besser zurecht und lernten sogar mehr als sonst.
  • Eine Studie aus Holland kam zu dem Schluss, dass der Lernfortschritt durch den Fernunterricht im Schnitt um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr niedriger lag. Der Online-Unterricht war während des Lockdowns größtenteils ineffektiv, so das Fazit.
  • Eine Untersuchung in belgischen Schulen kam zu einem ähnlichen Ergebnis und attestierte „bedeutsame Lernverluste“ für die geprüften Sechstklässler während des Lockdowns.

Fazit

Wie sehr Schüler an den Langzeitfolgen des Lockdowns leiden werden, lässt sich heute noch nicht abschließend bewerten. Dazu ist die Studienlage noch zu dünn. Zudem steht noch nicht fest, ob und wie lang die Schulen auch im Jahr 2021 dichtmachen. Mehr Licht ins Dunkel könnten die Ergebnisse aus den Vera-Tests bringen, die die Bundesländer jährlich mit 3. und 8. Klassen durchführen.

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.