Finanzen

Komm, wir streiten über Geld

von Marcus Schwarze

Männer können nicht mit Geld umgehen, und Frauen wollen immer darüber diskutieren. Klischee-Klassiker oder Geschlechterkampf?

Geld. Man redet nicht darüber, man hat es. Das jedenfalls sagt das Einmaleins der Geldweisheiten. Ich bin in Hamburg aufgewachsen, dem man landläufig ein solches Understatement durchaus nachsagt. Die Beschreibung müssen allerdings Leute in Umlauf gebracht haben, die nie in Hamburger In-Clubs auf Parties waren. Da geht man hin, solange sie eben „in“ sind, sitzt an der Bar, trinkt Diet Coke für 9,50 Euro aus einem blumentopfgroßen Glas (hübsch) und lässt sich von einem halbwüchsigen Typen in zu engen Balenciaga-Hemden anlabern (nicht so hübsch), der dauernd seine Platin AmEx in seiner Hand streichelt, als wäre sie ein verletztes Küken, das er gerade vom Straßenrand gerettet hat.

Man spricht nicht über Geld, man zeigt es

Aber natürlich rettet er keine Tiere am Straßenrand, denn sein AMG-Mercedes fährt sehr schnell und er hat nicht die Zeit, sich mit den Zurückgelassenen des Lebens auseinander zu setzen. Küken am Straßenrand interessieren ihn nicht, Küken an der Bar aber schon. Denen erzählt er dann seine Erfolgsgeschichte (ungefragt). Wo er studiert hat und dass er in das Unternehmen seines Vaters einsteigt oder nach New York geht. Man möchte ihm sagen, dass man seine Platin AmEx mittlerweile an jedem Provinz-Flughafen hinterhergeworfen bekommt und man es schön fände, wenn er Hemden in seiner Größe kaufen würde.

Über nichts streitet man so oft wie über Geld

Aber zurück zum Thema. Geld. Man redet nicht darüber, man hat es. Zumindest für meine Generation stimmt das allerdings nicht. Ich kenne niemanden, der nicht über Geld redet. Die einen haben zu wenig und regen sich darüber auf, wie schlecht sie bezahlt werden. Die anderen haben genug und regen sich darüber auf, dass alles immer teurer wird. Und dann gibt es sie, die zu viel haben, und sich sich darüber aufregen, dass die Steuern immer höher werden und jeder sie nur abziehen will. Das Reden über Geld wird uns vom Bekanntenkreis aufgezwungen und mit der Muttermilch eingeflößt.

Als ich ein Kind war, haben meine Eltern nicht oft gestritten. Wenn sie mal laut wurden, ging es immer um Geld. Mein Vater gab es gerne aus, meine Mutter mahnte zum sorgsamen Umgang. Damals hatte ich noch kein wirkliches Verhältnis zu Geld und konnte nicht einschätzen, ob die Warnungen meiner Mutter echte Existenzängste wiederspiegelten oder nur den legeren Umgang mit Geld. Oder vielleicht Stellvertreter-Themen für andere Dinge waren. Eines habe ich aber damals schon gelernt: Frauen sprechen anders über Geld als Männer.

48 Stunden mit Taylor Swift

Ich war am Wochenende in London. Ich hatte eine Einladung zum Taylor-Swift-Konzert. Als ich sie bekam, war ich begeistert. Ich gestehe: Ich bin ein großer Taylor-Swift-Fan. Ich finde, Taylor Swift ist der größte Popstar unserer Generation. Also dachte ich, das wäre das Top-Event für eine Zusammenkunft alter Freunde. Ich schrieb eine Mail an ein paar meiner alten Freunde aus Hamburg, die mittlerweile über ganz Europa verstreut sind, und schlug ein Taylor-Swift-Klassentreffen vor. Die Taylor-Tickets würde ich besorgen, wir träfen uns alle am Freitag Vormittag in Heathrow und würden ein Wochenende aus der Kategorie „Bleibende Momente“ erleben. Alle fanden den Vorschlag gut, am Ende hatte ich acht von acht Absagen.

Das ist völlig okay. Es war eine spontane Idee, und mir ist bewusst, dass Flüge nach London, zwei Nächte im Hotel und was eben sonst noch so anfällt, wenn man schon mal in London ist, eine finanziell größere Entscheidung ist, als sich abends noch schnell eine Pizza zu bestellen. Und dennoch waren die Reaktionen geschlechterspezifisch interessant. Ich habe fünf Mädchen gefragt und drei Jungs. Ein Mädchen konnte nicht, da am selben Tag ihre Mutter 50 Jahre alt wurde. Entschuldigt. Die anderen vier gaben ohne große Scham (warum auch?) zu, dass sie das aktuell vom Geld her nicht stemmen können, für letztendlich nur 48 Stunden mit Freunden und Taylor Swift.

Vernunft vs. Image

Die drei Jungs dagegen sagten ab, da sie leider im Urlaub wären. Auf den Tag des Konzertes fiel auch das WM-Spiel Deutschland gegen Schweden. Auf Instagram respektive Facebook war prominent zu sehen, dass keiner der drei im Urlaub war. Sie alle posteten Fan-Bilder aus ihren Wohnzimmern. Der Satz „ich habe keine Lust auf Dich und Taylor Swift“ oder „ich möchte dafür aktuell nicht so viel Kohle raushauen“ geht ihnen nicht über die Lippen. Das soll kein Urteil sein. Erst recht keins mit allgemeiner Gültigkeit. Aber es bestätigt meine Theorie: Männer sprechen anders über Geld als Frauen. Es gibt auch kaum Frauen in den großen Investment-Banken. Wir gelten als risikoscheuer und konservativer. Aber vielleicht sprechen wir nur aus, wie es ist, und versuchen es nicht mit einer beschönigenden Geschichte drumrum?

Für Männer sind Porsche und Ferrari unnötige Angeberkarren, bis sie sich selber einen leisten können. Dann sind es Legenden, Hobbies die man eben hat. Frauen sagen durchaus, ich würde diese Chanel-Handtasche echt gerne haben, aber 3.000 Euro? Geht nicht! Kein Paar meiner Generation, das eine ernsthafte Beziehung führt, streitet sich nie über Geld. Männer geben es gerne aus, Frauen halten es gerne zusammen. Viele meiner Freundinnen haben Sparkonten, legen Geld zurück. Einige haben schon angefangen, für Eigentumswohnungen oder „außergewöhnliche Belastungen“ zu sparen, als sie noch studiert haben und nebenbei gekellnert. Eine Lebensphase, in der man doch jeden Euro in gute Momente stecken sollte.

Ich Tarzan, viel Geld!

Männer reden gerne über Geld, als hätten sie es im Überfluss. Wenn es schlecht läuft, was oft so ist, ist das Blödsinn, aber sie handeln dennoch so, und manövrieren sich damit von einer finanziellen Katastrophe in die nächste. Frauen reden gerne über Geld, als hätten sie immer zu wenig. Vielleicht liegt das noch an der Historie der vergangenen Jahrhunderte. Männer sollten das starke Geschlecht sein, ihre Familien versorgen und beschützen. Schwäche zu zeigen gehörte dabei nicht zu den bevorzugten Verhaltensmustern. Dabei ist nichts Verwerfliches daran, kein Millionär zu sein. Wenn man Fahrrad fährt statt Porsche, ist man kein schlechterer Mensch. Vielleicht lebt man sogar einfach nur gesünder. Oder man möchte die 120.000 Euro lieber irgendwann in seine Kinder investieren oder in ein Haus. Und selbst wenn man nie 120.000 Euro für irgendwas ausgeben oder kein spontanes Taylor-Swift-Wochenende in London machen kann, sagt das exakt gar nichts darüber aus, welche Qualität man als Mensch hat, und ob man ein erfülltes Leben führt.

Glück und Geld haben keinen Kausalzusammenhang

Viel Geld zu haben ist auch heute oft immer noch mit so vielen Bedingungen verknüpft, die man nicht beeinflussen kann: Familie, Geburtsort, Bildungsmöglichkeiten, Beziehungen, Glück. Fleiß und harte Arbeit alleine reichen meistens nicht aus. Daher muss sich auch niemand grämen. Glück kann man sich ohnehin nicht kaufen. Es liegt im Lächeln deines Partners, in den Augen deiner Kinder. Es können Sonnenuntergänge sein oder Blumen. Es ist Freiheit, es sind Freunde, es kann das Zwitschern eines Vogels sein. Ein Porsche oder ein Hotelzimmer in London ist es eher selten. Und das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

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ein Artikel von
Marcus Schwarze