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Der Blick aus Zürich

Keine Angst vor Strafzöllen: Deutschland kann im neuen Umfeld aufblühen

von Mikey Fritz

Die Trump-Administration macht der deutschen Wirtschaft Angst. Es ist vor allem die Unsicherheit darüber, wie die US-Regierung konkret agieren wird und was man tun muss, um auch in Zukunft weiterhin erfolgreich am amerikanischen Markt zu sein. Ohne Zweifel ändern sich die Spielregeln mit Trump, aber das muss nicht zum Nachteil der deutschen Wirtschaft sein. Ganz im Gegenteil: Deutschland ist ausgezeichnet positioniert, um vom neuen Umgang miteinander zu profitieren.

Die US-Wahlen zwingen die deutschen Unternehmen ohne Zweifel zum Umdenken. Da Donald Trump sich nicht an die über Jahrzehnte fein ausbalancierten Nuancen und Gepflogenheiten halten wird, muss jeder, der mit den USA im Geschäft bleiben will, sich von den bisher erfolgreichen Strategien verabschieden und sich auf das einstellen, was kommen wird.  

Was die bilaterale Politik Trumps normalisieren wird, sind Rang und Hierarchien. Beides ist im bisher herrschenden Multilateralismus verpönt, wo eine Schein-Gleichheit gepflegt wird. Die multilaterale Welt kennt zudem keine direkten Verhandlungen mehr, sondern nur noch Gruppenentscheidungen. Eine formelle (oder informelle) Gruppe trifft sich, um eine Entscheidung zu treffen, an die sich alle im Anschluss halten. Diese Form der Entscheidungsfindung hat aber im Kern zwei ganz wesentliche Nachteile: 

Zum einen ist eine Gruppenentscheidung immer nur der größte gemeinsame Nenner. Es ist nicht die klügste Entscheidung oder die Entscheidung des Stärksten oder des Reichsten, sondern das, worauf sich alle Gruppenmitglieder einigen können. Vom Optimum ist somit nahezu jede multilaterale Entscheidung weit entfernt, denn in der Regel müssen alle auf einen Teil ihrer Ziele verzichten, um noch einen gemeinsamen Nenner zu finden. Selbst diejenigen, die unter normalen Umständen keine Eingeständnisse machen müssten. 

Zum anderen neigen multilaterale Gruppenentscheidung dazu, die Bedeutung der Mitglieder zu nivellieren. Es spielt häufig keine Rolle, welche Stärken und Schwächen die Mitglieder haben, sondern es wird so getan, als wenn alle gleich wären. Mit dem Ziel, dass alle Mitglieder die gleiche Gewichtung bei der Abstimmung haben. Dieses System bevorteilt insbesondere die Schwachen und diejenigen, die wenig Einfluss haben und beraubt die wichtigsten und einflussreichsten Mitglieder ihrer Vorteile. Da in der Regel bei multilateralen Gruppen die schwachen und unbedeutenden Mitglieder in der Mehrzahl sind, während die starken und einflussreichen Mitglieder im Hinblick auf die Anzahl in der Minderheit sind, wird dieses System von der Mehrheit favorisiert, da es ihnen Vorteile beschert, die ihnen nicht zustehen. 

Das heutige Europa steht für den multilateralen Geist. Die USA waren lange Teil dieses Systems, hatten aber immer darauf geachtet, dass sie nicht zu viele Eingeständnisse machten, sondern nur so viel gegeben haben, um mit dabei zu sein und Einfluss auf die multilateralen Entscheidungen zu nehmen. Denken Sie bitte exemplarisch an multilaterale Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds (IWF), die NATO, die Weltbank oder die Vereinten Nationen. Diese Institutionen dienen dazu supranationale Interessen zu lenken und bieten im Gegenzug Schutz und Unterstützung. 

Diese Form der Verhandlungen lehnt Donald Trump grundlegend ab. Und darauf müssen alle anderen sich nun einstellen, denn an den Amerikanern kommt keiner vorbei. Wer glaubt mit den USA in Zukunft nach den multilateralen Spielregeln verhandeln zu können, wird schnell merken, dass sich die Welt weiterentwickelt hat und wird mit seinen Bemühungen ins Leere laufen. 

Trump verhandelt bilateral und bringt Rang und Hierarchie zurück. Führung und Ordnung bekommen in diesem System eine Bedeutung, wie wir sie seit dem Ende des 2. Weltkrieges auf Ebene der globalen Politik nicht mehr gesehen haben. Da der kommende 47. Präsident den multilateralen Verhandlungsstil ablehnt, wird er nicht mit den entsprechenden Gremien verhandeln, sondern direkt mit den Verantwortlichen und Vertretern. Wie verhandelt wird, zu welchen Zugeständnissen das Weiße Haus bereit sein wird und was die Amerikaner vom Verhandlungspartner erwarten, wird stark mit dem Rang des Gegenübers korrelieren. 

Bei den angedrohten Strafzöllen geht es selbstverständlich immer um die wichtigsten Produkte. Die, bei denen es dem Gegenüber wehtut, wenn diese in Zukunft einen Absatzeinbruch in den USA erleiden würden. Im Falle Deutschlands geht es also um die drei wichtigsten Stützen der Volkswirtschaft: die Automobilindustrie, die Chemie und der Maschinenbau. 

Es ist absehbar, dass die Administration Trump zwei Formen von Strafzöllen erlassen wird, sobald die Amtszeit beginnt: 1) Eine generelle, aber kleine Erhöhung der Zölle für alle Importe in die USA. 2) Eine deutliche und empfindliche Erhöhung der Zölle für alle Produkte, bei denen die Administration eine (größere) Produktion im Inland erreichen möchte. Ersteres ist ein Weckruf an alle und zweiteres liefert die Verhandlungsmasse für Gespräche. 

Erhöht die Trump Administration beispielsweise die Zölle für importierte Porsche 911er, dann ist das eigentliche Ziel nicht, die Zolleinnahmen zu erhöhen, sondern Volkswagen dazu zu nötigen, dass man ein Porsche Werk in den USA eröffnet. Frei nach dem Motto: Willst du in den größten und wichtigsten Markt hineinverkaufen, dann musst du in Zukunft auch etwas für die USA tun: Vor Ort investieren, eine Fabrik mit einem Zulieferernetzwerk aufbauen und viele hoch bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Und das ist etwas, was man den Amerikanern nicht wirklich übel nehmen kann. Denn der Gewinn für die Porsche Verkäufe landet am Ende immer noch in Deutschland, aber die zahlreichen positiven Nebeneffekte für die Wirtschaft, die aus der Produktion entstehen, bleiben in den USA. 

Wen muss Volkswagen in diesem hypothetischen Szenario schicken, um zu verhandeln? Diese Frage beantwortet sich mit Trumps System aus Rang und Hierarchie. Selbstverständlich fliegt nicht der Bundeskanzler nach Washington, wenn die Trump Administration Strafzölle auf 911er erlässt, sondern Oliver Blume. Es würde die Aufgabe des Porsche (und Volkswagen) Vorstandsvorsitzenden sein, direkt mit Trump zu verhandeln. Die Kröte, die Blume zu schlucken hätte, wäre, dass Porsche ein Werk in den USA bauen müsste. Nichts anderes interessiert Trump. Er hat diese Erfolge seinen Wählern versprochen und ist nur daran interessiert, dass die ausländischen Profiteure einen Teil ihrer Gewinne in den USA in Form von Produktion, Arbeitsplätzen und Infrastruktur lassen. 

Die Einnahmen aus den Strafzöllen sind nur das „Gleitmittel“, um die Verhandlungen in Gang zu bringen. Wer das verstanden hat, braucht sich um die Auswirkungen von Strafzöllen auf die amerikanische Inflation oder das Wirtschaftswachstum keine Gedanken mehr zu machen. 

Das Ziel ist es, einen Teil der Wertschöpfungskette in die USA zu verlagern. Und dafür kann man den Amerikanern auch keinen Vorwurf machen. Die Art und Weise ist rabiat, aber sie stellt den Rang und die Hierarchie wieder her, denn alle wollen in den USA ihre Produkte (und Dienstleistungen) verkaufen, da es der größte und wichtigste Markt der Welt ist. Dass die USA diese Stärke nun unter der Administration Trump beginnen auszunutzen und den Zugang nicht mehr verschenken, mag für alle anderen ärgerlich sein, aber im Wesentlichen nur für diejenigen, die selbst nichts haben, wofür sie etwas von anderen verlangen können. 

Deutschland würde gut daran tun, sich von dieser Politik eine Scheibe abzuschneiden. Wer sich die Art und Qualität der Entscheidungen auf europäischer Ebene ansieht, kommt schnell zu der Frage, an welcher Stelle die deutschen Interessen berücksichtigt werden. Immerhin ist Deutschland die mit Abstand größte Volkswirtschaft in Europa und ein Nettozahler auf allen wichtigen Ebenen. Für diese Stärke und Hilfsbereitschaft erhält das Land aber keinen Bonus, geschweige denn den Rang, der Deutschland zusteht. Wofür es keine rationale Begründung gibt, außer die, dass die deutsche Politik zu Lasten der Deutschen bewusst darauf verzichtet, sich zu nehmen, was dem Land zusteht. 

Setzt die Trump Administration ihre America First Politik erfolgreich in den kommenden vier Jahren um, werden sich unweigerlich in der deutschen Wirtschaft die kritischen Stimmen mehren, warum das Land die eigenen Bedürfnisse immer hintenanstellt. Zu Recht, denn die Renaissance des bilateralen Umgangs hat vor mehr als 10 Jahren begonnen und wird in seiner Ausprägung in Zukunft nicht weniger, sondern stärker in den Vordergrund treten. Will die deutsche Wirtschaft weiterhin ganz vorne mitspielen, muss sie die neuen Spielregeln nicht nur verstehen, sondern auch beherrschen. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.