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Börsentalfahrt

Jetzt noch Aktien verkaufen?

von Nils Matthiesen

Der Blick ins eigene Depot kann einem derzeit Pipi in die Augen treiben. Solltest du doch besser verkaufen, um deine langfristigen Ziele zu erreichen?

Wenn du erst seit ein bis zwei Jahren in Aktien, ETFs oder Fonds investierst, kanntest du an der Börse vor allem eine Richtung: Nach oben. Es machte Spaß, ab und zu einmal ins Depot zu schauen und zu sehen, wie sich das eigene Depot kontinuierlich wuchs und die Pluszahlen immer größer wurden. Mit dieser Idylle ist seit einigen Monaten Schluss, dass Anlageparadies hat sich in eine Hölle verwandelt. Das tut weh und macht Angst. Du solltest aber nicht verzagen. 

Erster Einbruch nach 10 Jahren

Obwohl die Finanzmärkte in den letzten Tagen ein paar kleine Hüpfer nach oben machten, befinden wir uns größtenteils inmitten eines ausgedehnten Ausverkaufs. Selbst einige der größten Börsengiganten hat es empfindlich getroffen, speziell aus der Tech-Branche. Die siebenwöchige Talfahrt des US-Leitindex Dow Jones ist die längste seit 2001, während der S&P 500 mit einer sechswöchigen Verlustserie ebenfalls sich so lang wie seit Juni 2011 nicht mehr auf Talfahrt befindet. Sind dadurch deine langfristigen finanziellen Ziele in Gefahr? Und solltest du besser verkaufen, bevor die Kurse noch tiefer abrutschen?

Aktien verkaufen? Das sagt die Börsenlegende

Börsenlegende Warren Buffet vertritt zu diesem Thema eine spezielle Meinung: Man sollte versuchen, sich nicht zu viele Gedanken darüber zu machen und den Markt nicht zu sehr zu beobachten. „Das Geld wird beim Investieren durch den Besitz von guten Unternehmen über lange Zeiträume verdient. Das ist es, was die Leute mit Aktien tun sollten. Wenn sie dagegen versuchen, Aktien zu kaufen und zu verkaufen, werden sie keine sehr guten Ergebnisse erzielen“. 

Die Rede ist von der „Buy-and-Hold“-Strategie. Der Ansatz beinhaltet, dass du eine solide Aktie oder einen Fonds langfristig über viele Jahre hältst, ganz gleich, ob es auch mal nach unten geht. Die Idee dahinter: Mit ausgewogenen, langfristigen und kostengünstigen Investments erziele man demnach deutlich höhere Renditen als mit risikoreichem Stock Picking oder spekulativem Market Timing. Denn laut Warren Buffet sind vor allem zwei Eigenschaften für den Erfolg an der Börse wichtig: Geduld und langer Atem. Bis sich eine Anlage gut entwickelt, könne es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Kurschwankungen gelte es zu ignorieren und stattdessen das Große und Ganze im Auge zu behalten. Das erfordere bisweilen starke Nerven – vor allem dann, wenn die Börse mal wieder wie aktuell in die Tiefe rauscht. Der Kauf und das Halten von Aktien und breit aufgestellten Fonds sei der beste Weg sei, um zu investieren.  Denn nur dadurch könntest du deine Emotionen kontrollieren, wenn du mal wieder kurz davor bist, deine Bestände zu verkaufen, um Verluste zu vermeiden und anschließend wieder einzusteigen.

Nur wenige sind schlauer als der Markt

2020 hat wie kaum ein anderes Jahr gezeigt, wie volatil Aktien sind, sprich wie schnell sich ihr Wert ändern kann. Wer in Panik geriet und alle seine Aktien verkaufte, als der Markt im März einbrach, hätte die anschließende Rallye verpasst. 2020 hat auch eine weitere Regel untermauert: Immer zu schauen, ob die Märkte gerade steigen oder fallen und dann zum richtigen Zeitpunkt kaufen und verkaufen? Keine gute Idee, da schwierig bis unmöglich. Besser: Einen Sparplan einrichten. Wenn die Märkte unten sind, kaufst du mehr Anteile der Fonds oder ETFs, in die du investierst. Sind sie höher, kaufst du weniger. Das hält dich davon ab, kurzfristig emotionale Entscheidungen zu treffen.

Fahr die Kursachterbahn

Wenn du über ein breit aufgestelltes Portfolio mit einigen großen Fonds oder ETFs verfügst und dazu einen ausreichend langen Zeithorizont, solltest du die Kursachterbahn fahren und nicht vorzeitig aussteigen. Denn die Geschichte lehrt, dass die Kurse sich nicht allmählig beruhigen und dann wieder vorsichtig zu klettern anfangen: Sie steigen oft wieder abrupt. Wenn sich die Nachrichtenlage bessert, hat sich der Markt bereits wieder erholt. Und wenn du diese Erholung verpasst, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass du deine finanziellen Ziele nicht erreichst. 

Es gab immer wieder Massaker an der Börse. Seit 1928 hat der große amerikanische Leitindex S&P 500 beispielsweise gleich zwölf Rückgänge von 30 Prozent oder mehr verkraften müssen. Darüber hinaus gab es zwanzig Vorfälle, bei denen es um mindestens 20 Prozent abwärts ging. Sprich: Im Durchschnitt geht die Börse alle 5 bis 6 Jahre auf Talfahrt – trotzdem ging es langfristig bislang immer aufwärts. In Abwesenheit von funktionieren Kristallkugeln und seriösen Wahrsagern, bleiben dir daher nur wenige Möglichkeiten, als sich mit der Unvermeidlichkeit von Börsencrashs anzufreunden. Damit du durch Kursrückschläge nicht in Schwierigkeiten gerätst, helfen folgende Tipps: 

Vernünftig bleiben: Investiere wirklich nur Geld, was du nicht brauchst. Gehe nicht davon aus, dass du rechtzeitig aussteigen kannst, wenn es zu einem Crash kommt.

Mit dem Schlimmsten rechnen: Mache dir bewusst, dass du als Besitzer von Aktien oder entsprechenden Produkten wie Fonds oder ETFs schwere Zeiten durchmachen wirst. Als langfristig orientierter Anleger musst du das aushalten. Allerdings sind solche Phasen nur vorübergehend – auch wenn sie mehrere Jahre dauern können. Bisher ging es immer wieder nach oben – und noch viel weiter.

Dranbleiben: Wenn die Kurse purzeln, weißt du nicht, ob es noch weiter nach unten oder wieder steil nach oben geht.  Die Chance, dass du so clever bist, und zum richtigen Zeitpunkt verkaufst und wieder einsteigst, stehen schlecht. Kontinuierlich einen festen Betrag sparen, ist daher eine gute Strategie. 

Fazit

Weil es eben immer wieder nach unten geht, gelten Aktien als Risikoanlage. Es gibt eben keine hohen Renditen ohne die Eventualität, gelegentlich niedrige oder sogar Minusrenditen zu erzielen. Crashs gehören zur Börse nun einmal dazu. Wenn du dir darüber im Klaren bist, dass solche Phasen ganz normal sind und dass es irgendwann wieder nach oben geht, sieht die Welt direkt viel rosiger aus. 

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.