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Der Blick aus Zürich

„Jerome, you are, as usual, too late.“: Wird Fed-Chair Powell vorzeitig entlassen?

von Mikey Fritz

Der US-Präsident will seinen Notenbank-Chef loswerden. Trump setzt Powell immer stärker unter Druck und versucht, die Zinspolitik der Federal Reserve von außen zu beeinflussen, um Zinssenkungen zu erzwingen. Doch was sind eigentlich die Optionen des Weißen Hauses und welche Strategie ist die wahrscheinlichste, die Trump umsetzen wird?  

Im Kern ist und bleibt Trump ein Immobilien-Mogul. Und was die Immobilienbranche treibt, sind tiefe Zinsen. Hohe Zinsen hingegen können Immobilienunternehmen in arge Bedrängnis bringen, insbesondere dann, wenn das Zinsniveau unerwartet und schnell steigt. Es überrascht daher nicht, dass Präsident Trump immer wieder auf das Zinsthema zurückkehrt.

Schon in der ersten Amtszeit drängte Trump den Fed-Chair öffentlich zu Zinssenkungen. Wobei man noch einmal in Erinnerung rufen muss, dass die Federal Reserve direkt nach der Wahl von Trump einen scharfen Zinserhöhungszyklus vorantrieb, der den Dollar-Leitzins von 0,5 % bis Ende 2018 auf 2,5 % hob. Ein Zinszyklus, den die Europäer übrigens nicht mitmachten, weil man seinerzeit immer noch mit deflationären Tendenzen kämpfte. Auch kam in Europa hinzu, dass die Amtszeit von Mario Draghi Ende Oktober 2019 auslief und er es vermied, seinem Nachfolger einen Zinserhöhungszyklus in den Schoß zu legen. 

Trump schimpfte, aber behielt Jerome Powell. Im November 2017 hatte Trump die Möglichkeit, den Fed-Chair auszuwechseln, den er noch von der Obama Administration geerbt hatte. Doch viele einflussreiche Republikaner sprachen sich für Jerome Powell aus, der eine Bilderbuchkarriere im Bereich Recht, Finanzen und Politik vorweisen kann. 

Die Kritik von Trump ist nicht ganz unberechtigt

Auf der anderen Seite liegt Trump mit seiner polemischen Kritik nicht ganz falsch: Die Federal Reserve unter der Führung von Jerome Powell fällt durch ihre Zögerlichkeit und verspäteten Reaktionen auf. Alan Greenspan war hingegen bekannt für sein vorausschauendes Handeln. Er agierte, um möglichst wenig reagieren zu müssen. Paul Volcker wiederum hat sich einen Namen für seine aggressive und offensive Geld- und Zinspolitik gemacht. 

Powell hingegen hatte das ganze Jahr 2021 argumentiert, dass der Inflationsanstieg in den USA „transitory“ ist, also nur temporär auftritt und wieder von selbst verschwinden wird. Eine gravierende Fehleinschätzung, die zudem auch noch von der unerfahrenen neuen EZB-Präsidentin Lagarde für den Euro-Raum übernommen wurde, was letztlich dazu führte, dass der Euro- und Dollar-Raum gleichzeitig Inflationswellen sahen, wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Ergo:

Ja, Powell war zu spät und das nicht nur einmal. In der aktuellen Phase drängt Trump darauf, dass das hohe Zinsniveau gesenkt wird, um zwei Ziele zu erreichen: 1) Die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt ankurbeln. 2) Das Marktzinsniveau senken, um die Refinanzierungskosten des Staats zu senken und damit den Haushalt zu entlasten. 

Powell bremst die Fed-Politik aus

Powell sperrt sich bisher gegen eine Zinssenkung. Erste Vorstöße seiner Kollegen, bereits im Juli eine Zinssenkung durchzuführen, hatte er schon öffentlich eine Abfuhr erteilt. Sein Hauptargument: Die Zollpolitik der Trump-Administration wirkt für die US-Wirtschaft im Zweifel preistreibend, was sich aber nicht ad hoc in den Zahlen zeigt. Er will daher abwarten und vor allem auch sehen, wie am Ende die Zollpolitik genau aussieht, denn bisher wechselt das Weiße Haus alle paar Wochen den Takt, weswegen sich keine mittel- und langfristigen Prognosen anstellen lassen. 

Doch Trump will nicht weiter auf Powell warten und arbeitet hinter den Kulissen an einer Strategie, um den Unwilligen loszuwerden. Das Problem ist jedoch, dass für den Fed-Chair und die Fed-Gouverneure keine Entlassungen vorgesehen sind. Sie werden vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt für ihre Amtszeit, aber es gibt keine reguläre Möglichkeit, die Amtszeit vorzeitig unfreiwillig zu beenden. Es gibt nur eine Ausnahme: 

Mitglieder der Fed können entlassen werden, wenn sie schwerwiegende Straftaten begehen. Das Recht sieht eine sogenannte „Cause“ Klausel vor, aber die Hürden dafür sind sehr hoch angesiedelt. Zu Recht, denn die Federal Reserve gehört zwar zur Exekutive, ist aber durch den Federal Reserve Act weitgehend unabhängig gestellt, um gerade nicht von den Wünschen der Politik beeinflusst zu werden, die in der Regel immer eine Zinssenkung wünschen. Eine schwerwiegende Straftat liegt allerdings weder bei Jerome Powell noch einem anderen Gouverneur vor. Auch müsste die Straftat vor Gericht bewiesen werden, was allein schon im Hinblick auf den Rest der Amtszeit von Powell nicht machbar ist. Der Fed-Chair ist nur noch bis zum Mai 2026 im Amt. 

Kann Trump das Recht aushebeln? Der US-Präsident legt den herrschenden Rechtsrahmen bekanntlich regelmäßig großzügig zu seinen Gunsten aus und geht auch nicht selten über Grenzen hinweg. Die Frage ist also berechtigt, welche Möglichkeiten Trump hat, um Powell vorzeitig loszuwerden. Eine Einsetzung eines Interims-Chairs, was derzeit diskutiert wird, ist sehr unwahrscheinlich, da dies eine Verfassungskrise in Washington auslösen würde. 

Wie wird Trump Powell los? 

Der eleganteste Weg, den Trump gehen kann, ist, Powell schleichend durch einen Schatten-Chair zu entmachten. Denn der Präsident hat sehr wohl das Recht, bereits heute einen neuen Fed-Chair zu nominieren. Der Kandidat wird erst im kommenden Jahr durch den Senat bestätigt werden, aber allein durch die Nominierung kann Trump das Rampenlicht von Powell nehmen und auf den Neuen lenken. Der nominierte Fed-Chair wird dann medial aufgebaut und in alle wichtigen Talkshows geschickt, um seine Vorstellung der zukünftigen Geld- und Zinspolitik zu präsentieren. Das würde den noch amtierenden Fed-Chair politisch isolieren, denn der Kapitalmarkt würde genau zuhören und sich an die projektierte Geld- und Zinspolitik umso stärker annähern, je kürzer die restliche Amtszeit von Powell ist. Wir dürfen nicht vergessen: 

Entscheidend für die Zielerreichung von Trump sind die Marktzinsen, nicht das Zinsniveau der Federal Reserve. Typischerweise gibt die Notenbank den Takt vor und der Kapitalmarkt formt dann daraus eine Zinsstrukturkurve. Es ist aber nicht so, dass die US-Regierung zur Federal Reserve geht und sich dort Geld leiht. Es ist in der Regel das Finanzministerium, das neue Bills, T-Notes und T-Bonds ausgibt, um den Staat laufend zu finanzieren. Und insbesondere bei den T-Notes und T-Bonds bestimmen die Marktteilnehmer die Höhe der Renditen mit ihren Käufen und Verkäufen von Anleihen. Daher kann es die Situation geben, dass das kurze und das lange Ende der Zinsstrukturkurve nicht zusammenarbeiten, sondern getrennte Wege gehen. Was insbesondere immer dann geschieht, wenn eine Seite der Positionierung der anderen Seite nicht traut. 

Die erfolgreichste Strategie aus Sicht von Trump ist es daher, die Kompetenz des amtierenden Fed-Chair anzugreifen, seine Reputation zu zerstören und dann einen neuen Kandidaten zu nominieren, der ab dann als Schatten-Chair die Zinsstrukturkurve im US-Dollar mit seiner zukünftigen Politik schon vor Amtsantritt beeinflusst. Das ist eine machbare und wahrscheinlich auch erfolgreiche Strategie für das Weiße Haus. Wenn also ein Kandidat nominiert wird, sollten Sie genau zuhören, was er in Zukunft machen will, denn der Kapitalmarkt wird in jedem Fall darauf hören. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.